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© Jonas Ratermann/JLU

Update

Präsidentschaftswahl an der Humboldt-Universität zu Berlin: Kandidat Mukherjee zieht sich zurück

Plötzlich steht die Humboldt-Universität mit nur noch einer Kandidatin für das Amt der Präsidentin da. Ihr Gegenkandidat wirft hin - für die Gleichstellung.

Einen Tag vor der ersten öffentlichen Anhörung im Konzil der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) hat einer von zwei Kandidierenden seine Bewerbung zurückgezogen. Joybrato Mukherjee hat die Vorsitzende des Konzils, Maren Huberty, "darüber informiert, dass er für das weitere Verfahren zur Wahl einer Präsidentin oder eines Präsidenten der HUB nicht mehr zur Verfügung stehen kann".

Das teilte die Universität Gießen, deren Präsident Mukherjee ist, am Montagmittag per Presseerklärung mit. Ausschlaggebend für den Rückzug von der Kandidatur seien "grundsätzliche gleichstellungspolitische Erwägungen", heißt es. Im Falle seiner Wahl zum HU-Präsidenten hätte die Möglichkeit eines "vollständig männlich besetzten Präsidiums" bestanden.

Damit steht der Humboldt-Uni nur noch eine Kandidatin zur Verfügung: Julia von Blumenthal, die Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und frühere Dekanin der HU. Dass Mukherjee und Blumenthal sich nach dem Rücktritt von Sabine Kunst zum Jahresende um das Präsidentenamt bewerben, war am 25. Januar bekannt geworden.

Mit Mukherjee verliert die Humboldt-Uni einen hochkarätigen Kandidaten, der neben der langjährigen Erfahrung als Universitätspräsident in Gießen und mehrfacher Wiederwahl auch ein internationales Standing mitgebracht hätte: Mukherjee ist seit Januar 2020 auch Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes.

Vizepräsidenten stehen nicht zur Neuwahl an

Seine "Sorge" über ein "vollständig männlich besetztes Präsidium" habe in den zahlreichen Gesprächen, die er in den vergangenen beiden Wochen an der HU geführt habe, nicht ausgeräumt werden können, erklärt Mukherjee laut Pressemitteilung. Dies halte er für "nicht vertretbar". Zu hören ist, dass Mukherjee die Repräsentanz einer Frau im Präsidium schon gegenüber der Findungskommission zur Bedingung seiner Kandidatur gemacht haben soll.

Amtierende Vizepräsidenten sind Niels Pinkwart (Lehre und Studium), Christoph Schneider (Forschung) und Ludwig Kronthaler (Haushalt, Personal, Technik). Alle drei Ämter stehen aktuell nicht zur Wieder- beziehungsweise Neuwahl an. Pinkwart und Schneider wurden erst im April 2021 neu gewählt, Kronthaler im Amt bestätigt.

Mukherjee hatte sich jedoch "für die Gewinnung einer Vizepräsidentin durch eine zeitnahe Erweiterung des Präsidiums um eine fünfte Präsidiumsposition" eingesetzt - ohne Erfolg. Die Chancen dafür seien "leider unklar" geblieben, so Mukherjee. "Vor diesem Hintergrund möchte ich der HUB anraten, ihr Augenmerk auf die Wahl einer Präsidentin zu richten", teilt der Gießener Unipräsident mit.

Das Rennen galt bislang als offen

Die HU-Konzilsvorsitzende Maren Huberty bedauerte die Entscheidung Mukherjees am Montag. Ansonsten wollte sich aus der HU öffentlich am Montag niemand zu dem Rückzug äußern. Zu hören war, dass die Vizepräsidentinnen-Frage tatsächlich eine zentrale Rolle in Mukherjees Überlegungen gespielt habe und nicht vorgeschoben sei. Das Rennen zwischen ihm und Blumenthal sei bislang offen gewesen - auch wenn sich einige gewundert haben sollen, dass angesichts der Männerdominanz im Präsidium überhaupt ein männlicher Kandidat nominiert wurde.

Über Mukherjees Einschätzung, die Chancen auf die Einrichtung einer weiteren Vizepräsidentinnenschaft seien unklar gewesen, gibt es aber wohl unterschiedliche Meinungen. Einige widersprechen: Ihm sei durchaus Offenheit dafür signalisiert worden.

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Julia von Blumenthal ist Präsidentin der Viadrina in Frankfurt (Oder) - und bewirbt sich um das Amt der Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin.

© Viadrina/Heide Fest

Andere meinen dagegen, Mukherjee sei offenbar nicht klar gewesen, wie langwierig der Prozess sein könne, bis ein neues Ressort tatsächlich eingerichtet wird. Schon die zurückgetretene Präsidentin Sabine Kunst habe schließlich einen solchen Posten schaffen wollen, das aber nicht umsetzen können. Dem Vernehmen nach sollen vor allem Haushaltsbedenken gegen die Einrichtung einer weiteren "VP"-Position sprechen; die der einstigen Vizepräsidentin für Internationales war 2005 eingespart worden.

Mukherjee wurde in Gießen erst 2020 wiedergewählt

In Gießen amtiert Mukherjee aktuell mit zwei Vizepräsidenten, einer Vizepräsidentin und einer Kanzlerin. Angetreten war er 2009 mit einem paritätisch besetzten Präsidium, zwischenzeitlich hatte er dann keine Kandidatinnen mehr für die Ämter gefunden - und sie zuletzt doch auch wieder mit Frauen besetzen können. Das macht deutlich, wie wichtig Mukherjee die Gleichstellung ist.

An der Justus-Liebig-Universität wurde Mukherjee Ende 2020 für eine sechsjährige Amtszeit wiedergewählt, die erst im Dezember 2021 angelaufen ist.

An der HU hätten viele gerne eine Auswahl gehabt

Für die Humboldt-Universität hat er nun den Weg frei gemacht für eine Präsidentin, wobei er ja auch eine klare Wahlempfehlung für Julia von Blumenthal ausspricht. Allerdings dürften an der HU einige unzufrieden sein, dass es nun wieder nur eine einzige Kandidatin für das höchste HU-Amt gibt. Im Vorfeld war von vielen ausdrücklich eine Auswahl gewünscht worden. Jetzt so kurz vor der Wahl - diese findet dann am Dienstag kommender Woche statt - jedoch das ganze Verfahren anzuhalten und nach eine:r weitere:n Kandidierenden zu suchen, würde womöglich aber auch Blumenthal desavouieren.

So wird sich diese am Dienstag nach aller Voraussicht alleine dem Konzil als Wahlgremium der Humboldt-Uni vorstellen. Ein Thema für sie dürfte auch sein, wie sie sich zu der umstrittenen Verfassungsbeschwerde gegen das Berliner Hochschulgesetz verhält. Ex-HU-Präsidentin Sabine Kunst hatte diese an ihrem letzten Amtstag im Namen der HU eingereicht - allerdings ohne einen förmlichen Präsidiumsbeschluss dafür zu erwirken, wie sich unlängst herausstellte.

Bis zum Amtsantritt einer neuen Unileitung amtiert Peter Frensch, der frühere Vizepräsident für Forschung, als Interimspräsident der HU.

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