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Unter Druck. Oftmals verzichten Prüfungskandidatinnen und -kandidaten (Symbolbild) in der heißen Phase der Vorbereitung auf Sport und soziale Kontakte. Ein Fehler, sagt Mareike Oevermann, Psychologin in der Psychologischen Beratungsstelle der TU Berlin.

© Ute Grabowsky/imago/photothek

Psychologie für Prüflinge: Prüfungsangst - so geht man am besten damit um

„Beim Blackout um eine Pause bitten“: Mareike Oevermann, Psychologin an der TU Berlin, erklärt, woher Prüfungsangst kommt und wie man ihr begegnen kann.

Frau Oevermann, die Vorbereitung auf Prüfungen ist oft anstrengend. Dann kommt noch Prüfungsangst dazu. Woher kommt die Angst?

Angst vor Prüfungen ist erst einmal normal, entscheidend ist das Ausmaß der Angst. Bei der Entstehung der Angst spielt die Bewertung der Situation eine wichtige Rolle. Wenn ich zum Beispiel davon ausgehe, dass ich es eh nicht schaffe, kann das Angst auslösen oder verstärken.

Warum neigen manche Menschen zu Prüfungsangst, während andere die Prüfung gelassen nehmen?

Wir unterscheiden uns darin, wie wir mit Herausforderungen umgehen, ob wir eher an Erfolg glauben oder von Misserfolg ausgehen. Dabei geht es um Fragen, wie ich meine Fähigkeiten einschätze, aber auch welche Erfahrungen ich bereits mit Prüfungen gemacht habe.

Wie verbreitet ist Prüfungsangst?

Die Zahlen variieren etwas, je nachdem wie Prüfungsangst definiert wird – als klinisch relevant oder nicht. In der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks von 2016 gaben zwölf der Studierenden an, unter Prüfungsangst zu leiden. Das deckt sich mit unserer Erfahrung in der Beratung, wo Prüfungsangst nach wie vor einer der Hauptgründe für das Aufsuchen der Beratungsstelle ist.

Auch Leute, die sehr gut vorbereitet sind und eine sehr gute Note anstreben, haben Angst. Warum?

Die Anforderungen sind ja auch zum Teil tatsächlich sehr hoch. Wenn ich dann auch noch sehr gute Noten haben will, steigt der Druck. Die eigenen, oft sehr hohen Erwartungen und perfektionistische Ansprüche können dann Prüfungsangst begünstigen.

Kann Prüfungsangst zu einer wirklich schweren Krise führen?

Ja, auf jeden Fall. Manche Studierende ziehen sich manchmal über Jahre zurück und melden sich oft erst, wenn alle Fristen verstrichen sind. Im schlimmsten Fall droht dann die Exmatrikulation. Eine Folge können dann zum Beispiel Depressionen sein. Dabei ist wichtig zu wissen, dass Prüfungsangst eine Störung mit Krankheitswert sein kann. Da ist dann eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich.

Gute Vorbereitung soll gegen Angst helfen, doch manche können vor Angst kaum lernen. Was sollen sie machen?

In dem Fall ist es gut, sich rechtzeitig an Psychologische Beratungsstellen zu wenden, damit dieser Teufelskreis möglichst früh unterbrochen werden kann. Je früher man sich Unterstützung sucht, desto besser!

Manche versuchen es mit Entspannungsübungen. Nutzen solche Techniken nur, wenn man mit dem Training schon lange vor der Prüfungsphase anfängt?

Entspannungsübungen können sehr hilfreich sein, auch weil die Studierenden dann in Prüfungssituationen wieder das Gefühl haben, sie können etwas tun, damit es ihnen besser geht. Aber tatsächlich ist es wichtig, diese im Vorfeld zu üben, um sie dann in der Prüfungssituation anwenden zu können. Wir geben den Studierenden häufig als Erste-Hilfe-Technik Stabilisierungsübungen aus der Traumatherapie mit auf den Weg, die helfen sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Hier haben wir die Erfahrung gemacht, dass diese auch ganz kurzfristig sehr hilfreich sein können.

Ist die Prüfungsangst bei mündlichen Prüfungen größer, weil man der bewertenden Instanz direkt gegenüber sitzt?

Das kommt auf die Erfahrungen mit bewertenden Instanzen an, also ob man Prüfer als hilfreich oder verurteilend erlebt hat. Gerade an einer großen Uni sind die Prüfer oft anonym, was die Angst in mündlichen Prüfungen verstärkt. Darum legen wir so viel Wert darauf, dass die Studierenden besonders vor mündlichen Prüfungen die Sprechstunden der Prüfer aufsuchen.

Manche gruseln sich bereits vor Referaten, weil sie es schrecklich finden, vor vielen fremden Menschen zu sprechen.

Dabei geht es eher um Redeangst, also der Angst vor anderen Menschen zu sprechen. Häufig spielt dabei die Angst vor Bewertung und Scham eine große Rolle. Das kann man aber trainieren.

Was soll man tun, wenn man plötzlich ein Blackout hat?

Blackouts können vorkommen und es ist gut, wenn man sich schon vorher auf so eine Situation vorbereitet und einen Notfallplan parat hat. Dazu kann gehören: tief durchzuatmen, Entspannungsübungen oder die angesprochenen Erste-Hilfe-Techniken. Häufig passiert es, dass Studierende bei einem Blackout in der Prüfung verstummen und die Prüfer dann davon ausgehen, dass der oder diejenige nicht richtig gelernt hat und den Stoff nicht weiß. Wir ermutigen die Studierenden in einer solchen Situation anzusprechen, was gerade los ist und um eine kurze Pause zu bitten. Sollte die Angst zu groß sein, sollte man darum bitten die Prüfung zu unterbrechen.

Was können die Prüfenden tun, um den Geprüften ein bisschen die Angst zu nehmen?

Sprechstunden anbieten und transparent machen, was die Studierenden in der Prüfung erwartet. Außerdem können sie sich über Prüfungsangst und deren Auswirkungen auf Studierenden informieren.

Zu den Symptomen gehören schlaflose Nächte. Die Betroffenen müssen dann völlig gerädert in ihre Prüfungen. Sollte man für ein paar Wochen zu Schlaftabletten greifen?

Eine Nacht ohne Schlaf ist unangenehm, aber erstmal nicht schlimm. Schlafmittel können extrem schnell süchtig machen und sind daher ohne ärztliche Begleitung auf keinen Fall zu empfehlen. Die Betroffenen können stattdessen auf eine gute Schlafhygiene achten, dazu gehört zum Beispiel, direkt vorm Schlafen nicht mehr zu lernen, Rituale zum Schlafen gehen zu entwickeln, ab nachmittags kein Koffein mehr zu trinken, viel Bewegung an der frischen Luft und Entspannungstechniken. In der Beratung berichten uns Studierende immer wieder davon, dass sie vor Prüfungen stundenlang lernen und in der Prüfungszeit auf Sport und Freunde treffen verzichten. Aber gerade in der Prüfungs- und Lernzeit ist es wichtig, die bestehenden Routinen zum Abschalten und Entspannen wie Freunde treffen oder Sport beizubehalten.

Wie könnte ein Satz lauten, den man mantrahaft wiederholt, bevor man in die Prüfung geht?

Eine Studentin hat für sich zum Beispiel mal den Satz entwickelt: „Ganz egal, wie die Prüfung läuft, ich gebe jetzt alles und glaube an mich“. Generell arbeiten wir mit den Studierenden an ihrer Einstellung. Sie sollen im Vorfeld üben sich auf das, was jetzt ist, zu konzentrieren und nicht auf das, was sein wird. - Mareike Oevermann ist Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin. Sie arbeitet in der Psychologischen Beratung der TU Berlin. Die Fragen stellte Anja Kühne.

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