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See-Elefanten-Weibchen treffen pünktlich zur Niederkunft am Heimatstrand ein.

© Dan Costa

Rätselhafter Orientierungssinn: See-Elefanten mit Gespür für den Geburtstermin

Zigtausend Kilometer entfernt vom Heimatstrand – und doch wissen die Meeressäuger, wann es Zeit ist, umzukehren.

Zehntausend Kilometer weit ziehen See-Elefanten durch den nördlichen Pazifik, um Fische, Krebse und andere Meerestiere zu fressen. Doch wann ist der Zeitpunkt gekommen, umzukehren und zum Heimatstrand bei San Francisco zurückzuschwimmen, den Nachwuchs zu gebären und neuen anzusetzen? Sobald sie sich genug Fettreserven angefressen haben, vermuteten Biolog:innen bislang.

Doch eine neue Studie widerlegt das. Offenbar wissen die Tiere sehr genau, wie viel Zeit sie von ihren jeweiligen Jagdgründen nach Hause zurück brauchen, denn sie kehren genau dann um, wenn die Entfernung zur Heimat gerade noch eine Rückkehr rechtzeitig zur Geburt des Nachwuchses ermöglicht. Das berichten Roxanne Beltran und Dan Costa von der University of California in Santa Cruz mit ihrem Team in der Zeitschrift „Current Biology“.

Bei Vögeln ist dieses Verhalten bereits beobachtet worden, kommentiert der Verhaltensbiologe Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell und an der Universität Konstanz, der Wanderungen etlicher Tierarten untersucht. Dazu kommen kleine GPS-Ortungsgeräte zum Einsatz, die zu hunderten an den Tieren befestigt werden.

Harem von bis zu 100 Kühen

Insgesamt 126 solcher „Logger“ brachten die See-Elefanten zum Año Nuevo-Strand rund 90 Kilometer südlich von San Francisco zu Roxanne Beltrans und Dan Costas Team zurück. Höchstens fünf Tage später, um den 20. Januar eines jeden Jahres herum, brachten die Weibchen ihren Nachwuchs zur Welt. Dann werden die See-Elefanten-Babys vier Wochen lang mit einer sehr nahrhaften Milch gesäugt, für deren Produktion die Milchdrüsen der Mutter aus dem über Monate angefressenen Fettvorrat zehren müssen, da die Mutter in dieser Zeit nicht jagen gehen kann.

Aber nicht nur die Weibchen, auch die etwa dreimal so großen Bullen kehren zurück und setzen unmittelbar nach der Geburt des Nachwuchses den nächsten Fortpflanzungszyklus in Gang. Zuvor müsse sich die etwa zwei Tonnen schweren Männchen allerdings erst ihren Harem erkämpfen, der etwa 30 bis 100 Kühe umfassen kann. Dann brechen die Weibchen eine Woche nach dem Abstillen mit neuem Leben in der Gebärmutter wieder in den Pazifik hinaus, um ihren Hunger zu stillen.

Beltran und Costa fanden nun heraus, dass die Weibchen rund 98 Tage vor der Geburt des nächsten Nachwuchses umkehren. Im Durchschnitt sind die See-Elefanten dann 2800 Kilometer von der Kolonie am Año Nuevo-Strand entfernt. Zwar schaffen sie Tiere pro Tag bis zu 150 Kilometer, meist sind sie aber erheblich langsamer unterwegs.

Navigation per Geruch, Strömung oder Wellenmuster?

Um punktgenau an ihren Heimatstrand zurückzukehren, brauchen die Tiere aber nicht nur eine Art Kalender, sondern auch eine innere Landkarte, auf der sie den Nachhauseweg ermitteln können. Wie das Navigationssystem der See-Elefanten funktioniert, bleibt jedoch unklar. Nutzen See-Elefanten ähnlich wie Vögel oder Schmetterlinge eine Art Magnetkompass oder orientieren sie sich nach den Sternen, Strömungen und Wellenmustern oder mit Hilfe ihres Geruchssinns?

Singvögel haben offenbar tatsächlich eine Art Landkarte im Kopf, die ihnen zeigt, in welche Richtung und wie lange sie fliegen müssen, um ihre Brutplätze im Frühjahr und ihr Winterquartier im Herbst zu erreichen. „Dabei spielen oft ganz einfache Mechanismen wie die Tageslänge, die Temperatur und die bisher zurückgelegten Strecken und Richtungen ein Hauptrolle“, sagt Wikelski. Ob das bei See-Elefanten ähnlich ist, muss erst noch erforscht werden. Roland Knauer

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