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© dpa

Raumfahrt: Brauchen wir Astronauten?

Der Nasa fehlt es an Geld für bemannte Mondflüge, zum Mars wird es noch viel teurer. Sollten wir stattdessen auf pflegeleichte Roboter setzen? Eine Umfrage unter Experten.

Die bemannten Flüge der US-Raumfahrtbehörde Nasa zum Mond und Mars werden deutlich mehr kosten als geplant. Zu diesem Schluss kommt ein zehnköpfiges Expertenteam, das derzeit im Auftrag von US-Präsident Barack Obama das Programm für bemannte Raumfahrt überprüft. Demnach reicht das jährliche Budget von neun Milliarden Dollar (6,3 Milliarden Euro) nicht aus, um bis 2020 Astronauten zum Mond zu bringen. Um das zu schaffen, müssten jedes Jahr mindestens drei Milliarden Dollar zusätzlich aufgebracht werden. Ein Flug zum Mars wäre noch mal um ein Vielfaches teurer. Zugleich werden die Fähigkeiten von Robotern immer besser. Und sie sind weitaus pflegeleichter, brauchen weder Sauerstoff noch Nahrung. Sollten wir die bemannte Raumfahrt nicht endlich aufgeben?

Ulrich Christensen, Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau

Wenn es allein um die Wissenschaft geht, ist es wesentlich billiger, etwa Planetenerkundung mit Robotern zu betreiben. Das häufig genannte Argument, dass beispielsweise ein Geologe vor Ort nicht zu ersetzen sei, stimmt. Aber wenn man diesen Vorteil ins Verhältnis zu den riesigen Mehrkosten setzt, erscheint mir der Aufwand nicht gerechtfertigt. Klar ist: Für das gleiche Geld kann man mit robotischen Missionen mehr wissenschaftliche Ergebnisse erzielen als mit bemannten. Oder anders formuliert: Weil Flüge von Astronauten so teuer sind, bleiben möglicherweise spannende Forschungsmissionen mit Sonden oder Robotern auf der Strecke.

Gerhard Neukum, Planetenforscher an der Freien Universität Berlin

Man kann viel mit Robotik machen, aber nicht alles. Vor zwanzig Jahren hieß es: Bald haben wir intelligente Roboter, die den Menschen im Weltraum komplett ersetzen – weit gefehlt! Das wird wohl noch Jahrhunderte dauern. In der Exploration der Planeten brauchen wir auch Menschen, weil sie die Vielzahl unterschiedlicher Informationen besser verarbeiten können. Aus dem gleichen Grund setzt man auch in der Antarktisforschung, wo wirklich harte Bedingungen herrschen, nach wie vor auf Menschen. Auch in Zukunft werden Roboter in der Raumfahrt eine wichtige Rolle spielen, doch der Mensch wird immer einen Platz haben. Wenn das Geld knapp ist, muss man die Raumfahrtprogramme eben zeitlich strecken.

Thomas Reiter, Vorstand für Raumfahrtforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Wir brauchen bemannte Flüge, weil der Mensch dem Roboter weit voraus ist. Allein die Vielzahl und Kombination unserer sensorischen Fähigkeiten kann keine Maschine aufweisen. Ganz zu schweigen von unseren kognitiven Fähigkeiten. Roboter und Menschen können sich aber gut ergänzen. Einerseits, um Regionen zu erkunden, die wir Menschen mit heutiger Technik noch nicht erreichen können. Ich denke dabei etwa an Asteroiden, die der Erde vielleicht gefährlich werden könnten. Aber auch in unserer Nähe, wie auf dem Mond oder Mars. Dort können robotische Missionen gute Vorarbeit leisten, damit die Astronauten gezielt die wissenschaftlich interessanten Punkte ansteuern und erforschen können.

Gerd Litfin, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft

Bemannte Flüge sind eine feine Sache – wenn man sie sich leisten kann. Beim genaueren Hinsehen muss man aber sagen, dass unbemannte Missionen deutlich mehr bringen. Das Weltraumteleskop Hubble etwa hat wahnsinnig viele Informationen gesammelt, weit mehr als alle Astronauten auf dem Mond. An Hubble zeigt sich aber auch ein Problem: Es musste mehrfach von Menschenhand repariert werden. Es geht also nicht völlig ohne Astronauten. Aber schon heute sind ferngesteuerte Systeme weit entwickelt, von der Kameratechnik bis zu sensiblen Roboterarmen. Ich glaube, dass es in einigen Jahren möglich sein wird, beispielsweise eine komplexe Reparatur von der Erde aus zu steuern. Über kurz oder lang wird der Mensch wahrscheinlich zum Mond zurückkehren und vielleicht auch den Mars betreten. Denn das sind nun mal Menschheitsträume. Aber mit dem Geld für einen Astronautenflug könnte man sicher zehn oder zwanzig unbemannte Sonden auf die Reise schicken. Aus wissenschaftlicher Sicht jedenfalls bringt das mehr.


Wolfgang Hillebrandt, Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching

Ich war noch nie ein Freund der bemannten Raumfahrt, denn sie bringt wissenschaftlich fast nichts. Ich erinnere mich noch, wie das Bundesforschungsministerium vor einigen Jahren eine Reihe von Wissenschaftlern eingeladen hatte und uns gesagt wurde: Die Internationale Raumstation wird gebaut, nun überlegt euch mal ein paar Experimente, die man da machen kann. Eigentlich sollte es genau andersherum sein, nämlich zuerst die wissenschaftliche Frage formulieren und dann nach Wegen suchen, wie man sie beantworten kann. So entstand etwa die „Joint Dark Energy Mission“. Das ist eine unbemannte Sonde, die im nächsten Jahrzehnt starten soll und uns hoffentlich neue Erkenntnisse zur Dunklen Energie liefert. Solche Missionen bringen uns wirklich nach vorn. Weit mehr als wenn ein Astronaut auf dem Mond oder Mars umherläuft.


Peter Hintze, Raumfahrtbeauftragter der Bundesregierung

Die Menschheit sollte die bemannte Raumfahrt fortführen. Wissen kann man konservieren, Können aber nicht. Keiner kann heute abschätzen, ob wir nicht in Zukunft einmal Astronauten benötigen, um etwa die Erde vor einem Asteroiden auf Kollisionskurs zu schützen. Denn das menschliche Gehirn ist in komplexen Krisensituationen einem Roboter weit überlegen. Raumfahrt hat zudem auch eine kulturelle Dimension. Es liegt in der Natur des Menschen, dass er vieles versucht, seine Welt zu entdecken – unabhängig vom direkten Nutzen.

Protokolle: Ralf Nestler

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