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Raumfahrt: Shuttle „Endeavour“ zur Raumstation gestartet

Beim zweiten Versuch hat der Start des Shuttles geklappt. Nun sollen neue Module an die Internationale Raumstation angebaut werden.

Seven, six, five ... in den letzten Sekunden lässt sich die Spannung fast mit Händen greifen. Nur noch Augenblicke, dann werden sechs Menschen in der Gewalt von knapp 2000 Tonnen Treibstoff sein, werden die Schwerkraft überwinden und die Erde verlassen – wenn alles gut geht.

Tausende halten zugleich den Atem an: Die Raumfahrtfans, die rings um das Startgelände am Kennedy-Space-Center vor ihren Wohnmobilen stehen, um den letzten Nachtstart eines Shuttles überhaupt zu erleben. Die VIP-Gäste, die sehen wollen, wie die Raumfähre „Endeavour“ die beiden Schlusssegmente für den nichtrussischen Teil der Internationalen Raumstation (ISS) ins All bringt. Und auch die Nasa-Mitarbeiter mit ihren Familien, deren Jobs durch das Ende der Shuttleflüge im Herbst dieses Jahres bedroht sind.

Three, two, one, zero. Die beiden Feststoffraketen zünden und erhellen mit einem Schlag den dunklen Horizont über dem Startplatz. Langsam hebt sich der Shuttle, erst Sekunden später treffen die ersten Schallwellen ein: Fauchen, Rumpeln und Knallen jagt durch die Luft. Immer höher steigt das feuerspeiende Ungetüm in den Nachthimmel und dreht langsam in Richtung Osten ab, um den Schwung der Erdrotation für die Reise ins All auszunutzen.

Beim zweiten Versuch hat es nun geklappt. Nachdem am Vortag wegen einer dichten Wolkendecke der Countdown zehn Minuten vor dem Starttermin gestoppt wurde, ist die Endeavour seit gestern 10 Uhr 14 (MEZ) unterwegs zur Internationalen Raumstation. Am morgigen Mittwoch soll sie dort ankoppeln. In den folgenden Tagen wird die Crew in drei Außenbordeinsätzen die beiden in Europa gebauten Module „Tranquility“ und „Cupola“ an der Raumstation montieren.

Tranquility ist benannt nach dem „Mare Tranquillitatis“ (Meer der Ruhe), einer großen Vertiefung auf dem Mond, wo vor 40 Jahren die ersten Menschen den Erdtrabanten betraten. Bei der Internetumfrage der Nasa zur Namensfindung für das Modul hatte sich überraschend „Colbert“ an die Spitze gesetzt, nachdem der US-Komiker Steven Colbert zur Wahl aufgerufen hatte. Am Ende entschied sich die Raumfahrtbehörde aber für die Mondstruktur und benannte zum Ausgleich ein Laufband nach dem Komiker.

Das Sportgerät, das bereits seit September im All ist, wird künftig in Tranquility sein. Mithilfe von Gummibändern erzeugt Colbert eine gewisse Anziehungskraft auf die Astronauten. Die Raumfahrer müssen jeden Tag 90 Minuten an Fitnessgeräten trainieren, um dem Muskelabbau entgegenzuwirken, der von der Schwerelosigkeit hervorgerufen wird. Weiterhin werden in dem Modul zwei Wasseraufbereitungsanlagen eingerichtet sowie eine Anlage, die aus Wasser Sauerstoff gewinnt – für die Astronauten und Labortiere an Bord der Station.

An dem der Erde zugewandten Kopplungsstutzen von Tranquility werden die Astronauten die Aussichtsplattform Cupola montieren. Während des Transports in der Ladebucht des Shuttles befindet sich das Modul aus Platzgründen an der Frontseite der tonnenförmigen Struktur von Tranquility.

Cupola ist eine kuppelartige Konstruktion mit sieben Fenstern, die einen Rundumblick ins All ermöglichen. Der Ausguck soll vor allem dabei helfen, die Außenbordeinsätze von Astronauten oder die Funktion eines Roboterarms an der Außenhülle der Station zu unterstützen. Um Schäden durch Mikrometeoriten zu vermeiden, werden die Fenster nach beendeter Arbeit mit speziellen Schotts verschlossen. Sie verhindern außerdem, dass sich der Innenraum durch die intensive Sonnenstrahlung zu stark erhitzt.

Wenn die Montage der Module in den kommenden Tagen gelingt, wird der „westliche“ Teil der ISS fertig sein. Der russische Abschnitt, der etwa halb so groß ist, ist noch nicht abgeschlossen. Im Mai soll das Dockingmodul „Rasswet“ für Raumfrachter montiert werden. Bis 2013/2014 kommen dann noch zwei Labormodule hinzu.

Nach gegenwärtigem Stand soll die ISS mindestens bis 2020 genutzt werden. Ein entsprechende Zusage haben die USA dieser Tage gemacht. Vor allem die Russen und Europäer wünschen sich eine längere Betriebsdauer, um die einzigartige – und teure – Forschungsplattform in knapp 400 Kilometer Höhe optimal ausnutzen zu können.

„Es gibt aus technischer Sicht keinen Grund, warum die ISS nicht auch nach 2020 noch arbeiten könnte“, sagte Simonetta di Pippo, Direktorin für bemannte Raumfahrt bei der europäischen Weltraumbehörde im Vorfeld des Starts. Die Nasa prüfe intern bereits eine Betriebszeit bis 2025. Die Russen haben sogar angekündigt, die Station bis 2028 am Himmel halten zu wollen.

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