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Viele wollen studieren. Aktuell finanziert der Bund jeden dritten Studienplatz mit.

© Waltraud Grubitzsch/dpa-Zentralbild/dpa

Regierungsbildung im Bund: Der Stillstand schadet den Hochschulen

Die Wissenschaft braucht Planungssicherheit. Die Finanzierung von hunderttausenden Studienplätzen muss schnell gesichert werden. Ein Gastbeitrag von Theresia Bauer und Kai Gehring.

Während viele Themen der gescheiterten Jamaika-Sondierungsgespräche breit diskutiert werden, bleibt ein wesentliches Zukunftsthema unterhalb des Radars: CDU/CSU, FDP und Grüne hatten sich auf weitreichende Linien und ein klares Engagement bei den Themen Bildung und Wissenschaft verständigt. Diese errungenen Jamaika-Einigungen sind die Blaupause für einen breiten parlamentarischen Konsens und damit für einen klaren Handlungsauftrag für die geschäftsführende Bundesregierung. Der aktuelle Stillstand schadet nicht nur unseren Hochschulen und Forschungseinrichtungen, sondern auch der Gesellschaft.
Um die Dimension klarzumachen: Derzeit fließen jährlich allein rund vier Milliarden Euro über den Hochschulpakt von Bund und Ländern an die Hochschulen der Republik, jeder dritte Studienplatz hängt davon ab. 70 Prozent aller Eltern suchen einen Ganztagsplatz für ihre Kinder, aber nur gut 30 Prozent finden ihn. Zu dem gefundenen Konsens gehören die Verbesserung der Bildungsausstattung mit Ganztag und Digitalpakt, die dringend notwendige Bafög-Anpassung und ein Zukunftspfad für die Verstetigung der Wissenschaftspakte. Schon vor der Bundestagswahl hat sich die Bundesregierung zu wichtigen Schritten mit Verweis auf die Bundestagswahl nicht mehr durchringen können. Das gilt beispielsweise im Schulbereich für die Vereinbarung des Digitalpakts mit den Ländern und dessen notwendige Finanzierung. Nun zeigt sich die geschäftsführende Bundesregierung erst recht als handlungsunfähig. In den gemeinsamen Gremien von Bund und Ländern drehen sich die Gespräche daher derzeit im Kreis. Gleichzeitig fragen sich viele Wähler und Wählerinnen, was sie als Eltern zum Schuljahr 2018/19 in Sachen Ganztag und Digitalisierung erwarten dürfen.

Die Nachfrage an Hochschulen wird hoch bleiben

Der politische Handlungsdruck ist auch im Bereich Wissenschaft und Forschung hoch: Unsere Hochschulen wie auch die Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen brauchen Planungssicherheit. Der Bund und die Länder müssen im Jahr 2018 die Entscheidung treffen, wie sie gemeinsam die hohe Zahl von Studierenden an den Hochschulen in Deutschland finanzieren wollen. Es war deswegen ein wichtiges Zeichen, dass im Rahmen der Jamaika-Sondierungen eine Fortsetzung des Hochschulpaktes über 2020 hinaus beschlossen wurde. Die Ende November veröffentlichten Studierendenzahlen des Statistischen Bundesamts für das angelaufene Wintersemester 2017/18 belegen eine dauerhaft hohe Nachfrage an den Hochschulen. Um diese Nachfrage nach Hochschulbildung qualitativ gut erfüllen zu können, brauchen die Hochschulen mehr als zeitlich befristete Mittel. Zum Beispiel hängen die Arbeitsbedingungen eines Großteils der Lehrenden direkt von der Finanzierung ab. Wenn weiterhin nur Projektmittel in den bisherigen Intervallen von fünf Jahren bereitgestellt werden, können davon sinnvollerweise nur Qualifizierungsstellen geschaffen werden. Einen echten „Mittelbau“, der hohe didaktische Kompetenz mit Forschungserfahrung verbindet, kann davon keine Hochschule finanzieren.

Die Länder werden den Wegfall der Mittel nicht ausgleichen können

Einen Wegfall der Mittel für den Hochschulpakt und den Pakt für Forschung und Innovation des Bundes werden die Länder nicht ausgleichen können. Sie stehen ohnehin durch den Sanierungsstau an Gebäuden und Infrastruktur vor Investitionspflichten in Höhe zweistelliger Milliarden-Beträge. Investieren sie nicht, bleibt die Infrastruktur, wie vielerorts zu begutachten, weiter auf 70er-Jahre-Niveau. Würden die Pakte entfallen, gingen an den Hochschulen die Lichter aus und die Forschungseinrichtungen könnten ihren Pfad der Stärkung nicht fortführen. Es entstünde nachhaltiger Schaden für das gesamte Wissenschafts- und Innovationssystem und damit für die ganze Gesellschaft.
Vor dem Hintergrund der politischen Unsicherheit auf Bundesebene wäre es ein wichtiges Signal für die Hochschulen der Republik, wenn der Bundestag fraktionsübergreifend die geschäftsführende Bundesregierung beauftragte, zeitnah die Verhandlungen mit den Ländern fortzusetzen.
Es ist ein weitreichender Konsens, dass bis 2025 mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden sollten, um die Zukunftsfähigkeit von Gesellschaft und Wirtschaft zu sichern. Dafür muss auch der Bund seinen Anteil an den Aufwendungen für Forschung und Entwicklung steigern, indem er mehr Mittel für die Hochschulen und die gemeinsam von Bund und Ländern finanzierten Wissenschaftseinrichtungen zur Verfügung stellt. Im Bildungs- und Wissenschaftsbereich ist es aufgrund der ihnen innewohnenden großen Dynamik wie mit dem Fahrradfahren: Wer zu langsam fährt, fällt um. - Theresia Bauer (Grüne) ist Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg, Kai Gehring (Grüne) MdB und in der 18. Wahlperiode Sprecher für Hochschule, Wissenschaft und Forschung.

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