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Nur scheinbar gleich. In der Petrischale sehen zu Stammzellen umprogrammierte Zellen alle gleich aus.

© Science PhotoLibrary

Reprogrammierte Zellen: Die Zelle fällt nicht weit vom Stamm

Reprogrammierte Zellen „erinnern“ sich an ihr früheres Leben. Das könnte ihren Einsatz in der Medizin erschweren.

Die Vergangenheit ist eine klebrige Sache. Das gilt offenbar auch für Zellen. Amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass Zellen, die zu Stammzellen reprogrammiert werden, einen Teil ihrer alten Eigenschaften behalten. Das könnte ein Hindernis auf dem Weg zur Anwendung solcher Stammzellen in der Medizin sein.

Bei den Untersuchungen geht es um Zellen, die mit einem Trick in Stammzellen verwandelt werden. Ende 2006 hatten japanische Forscher berichtet, dass sie mit einem Virus vier Gene in die Hautzelle einer Maus schleusen und sie so in den Zustand einer Stammzelle zurückzwingen konnten. „Induzierte pluripotente Stammzellen“ (iPS-Zellen) nannten sie diese reprogrammierten Alleskönner – und öffneten damit ein ganz neues Forschungsfeld, in dem sich heute zahlreiche Weltklasselabors ein Wettrennen um den nächsten Durchbruch liefern. Denn eines ist klar: Aus diesem Stoff sind Nobelpreise gemacht.

Schließlich können sich die künstlich verjüngten Zellen in jedes beliebige Gewebe des Körpers entwickeln, ob Haut-, Nerven- oder Knochenzellen. Darum hoffen Forscher damit eines Tages zahlreiche Krankheiten behandeln zu können. Noch dazu umgehen iPS-Zellen all die ethischen Probleme, die Stammzellen aus Embryonen mit sich bringen.

Bisher waren sich die Forscher allerdings nicht einig, ob iPS-Zellen den embryonalen Stammzellen wirklich ebenbürtig sind. Erst im vergangenen Jahr zeigte eine Arbeitsgruppe in China, dass sich aus der iPS-Zelle einer Maus eine ganz neue Maus entwickeln kann, der bisher beste Beleg dafür, dass iPS-Zellen all das schaffen, was embryonale Zellen auch können.

Wissenschaftler um George Daley vom Institut für Stammzellen der Universität Harvard haben die iPS-Zellen von Mäusen nun untersucht, um herauszufinden, wie viel von ihrem alten Zellleben noch in ihnen steckt. Die Antwort, die sie im Fachblatt „Nature“ veröffentlichen, lautet: viel. Die Forscher stellten fest, dass iPS-Zellen, die aus Blut gemacht wurden, sich leichter wieder zu Blut verwandeln ließen, als etwa iPS-Zellen, die aus Haut- oder Gehirnzellen gemacht wurden. „IPS-Zellen haben eine Art Erinnerung an das Gewebe, aus dem sie stammen“, sagt Daley.

Diese Erinnerungen werden in Form von epigenetischen Signalen gespeichert. Darunter verstehen Forscher all jene Signale, die unsere Gene regulieren, also darüber entscheiden, wann welche Teile unseres Erbgutes abgelesen oder ignoriert werden. Sie sind der entscheidende Unterschied etwa zwischen einer Herz- und einer Fettzelle. Beide tragen dieselbe genetische Information, aber jede Zelle liest nur den Teil des Erbgutes ab, den sie benötigt. Alle anderen Gene schaltet sie ab.

Eigentlich sollten genau diese epigenetischen Markierungen bei der Reprogrammierung einer Zelle zur Stammzelle rückgängig gemacht werden. Aber offenbar gelingt das nur teilweise. Das bestätigt auch eine zweite Forschergrupe, die ihre Ergebnisse im Fachmagazin „Nature Biotechnology“ veröffentlicht hat. Das Team um Konrad Hochedlinger, ebenfalls von der Harvard-Universität, untersuchte Stammzellen, die aus verschiedenen Zellytpen einer einzigen Maus hergestellt wurden.

Sie verglichen das Muster der Genaktivität in diesen Zellen und stellten fest, dass in Stammzellen, die aus Muskelzellen hergestellt wurden, noch viele Muskelgene aktiv waren. Dagegen waren in Stammzellen, die aus Immunzellen hergestellt wurden, andere, für Immunzellen wichtige Gene aktiv. Diese Unterschiede waren größer als die zwischen Stammzellen, die zwar aus Zellen verschiedener Tiere, aber dem gleichen Zelltyp hergestellt wurden.

„Das ist ein Segen und ein Fluch zugleich“, sagt Andrew Feinberg, der an der Forschungsarbeit beteiligt war. Denn wenn es tatsächlich darum geht, aus einer Stammzelle, die ursprünglich eine Blutzelle war, neue Blutzellen herzustellen, könnte das die Arbeit erleichtern. Für eine Anwendung in der Medizin könnte das Phänomen aber hinderlich sein. „Es muss dringend untersucht werden, in wiefern das langfristig zu Schäden führen kann“, sagt der Kölner Stammzellforscher Jürgen Hescheler. Es sei gut möglich, dass diese Veränderungen nicht weiter schlimm seien. „Aber es ist an der Zeit, auch den Mechanismus der Reprogrammierung wirklich zu erforschen. Ich bin enttäuscht, dass es da kaum Fortschritte gibt.“

Und er sieht eine weitere Lehre: „Das zeigt eben auch, dass wir auf embryonale Stammzellen nicht verzichten können.“ In der Eizelle würden die epigenetischen Markierungen fast vollständig gelöscht. „Das ist das Vorbild. Deswegen sollten wir alle Experimente, die mit iPS-Zellen gemacht werden, immer auch mit embryonalen Stammzellen wiederholen“, sagt Hescheler.

Diesem Vorbild folgt auch eine andere Art und Weise, Stammzellen herzustellen: Der Kerntransfer. Bei dieser Technik, die auch angewandt wurde, um das Schaf Dolly zu klonen, wird der Kern einer erwachsenen Zelle in eine Eizelle gegeben, deren Kern zuvor entfernt wurde. Dadurch wird die Zelle, wie nach einer Befruchtung, in einen ursprünglichen Zustand versetzt. Die Arbeitsgrupe von Daley untersuchte auch diese Zellen und kam zu dem Ergebnis, dass sie im Gegensatz zu iPS-Zellen kaum eine Erinnerung an ihre Vergangenheit haben. Die Methode hat aber zwei entscheidende Nachteile: Es werden dafür Eizellen benötigt und bisher ist es beim Menschen nicht gelungen, auf diese Art und Weise Stammzellen herzustellen.

Allerdings verlieren auch iPS-Zellen mit der Zeit langsam ihre „Erinnerung“. „Die komplette Reprogrammierung von Zellen ist offenbar ein langsamer Prozess, der in den iPS-Zellen noch weiterläuft“, sagt Hochedlinger. In seiner Arbeit konnte er zeigen, dass Zellen, dielänger im Labor gehalten wurden, sich weniger in ihrer Epigenetik unterscheiden. Sie ließen sich auch leichter in Zelltypen verwandeln, die nicht ihrem Urpsrung entsprechen.

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