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Richtig handeln. Der Einkauf im Bioladen gehört heute zum guten Ton. Dass sich die großen Anbieter kaum von den "konventionellen" Supermärkten unterscheiden, wird gern verdrängt.

© dpa

Rezension: Gottesdienst im Biomarkt

Die Naturbegeisterung in Deutschland wächst, mitunter nimmt sie religiöse Züge an. Andreas Möller erkundet, woher die Liebe der Deutschen zur Natur kommt. Und warum oft der Mensch hinter etwas steckt, was wir als "Natur" bezeichnen.

Die Karikatur des Großstadtbewohners, der im klimatisierten Offroad-Panzer zum Biomarkt fährt und die dort erworbenen Kartoffeln wie besessen abschrubbt, um sämtliche Krumen und Keime zu entfernen, wird gern hervorgeholt. Vor allem, um auszudrücken: So einer bin ich aber nicht. Ich weiß, was wirklich nötig ist, um Mensch und Natur wieder in Einklang zu bringen.

Tatsächlich? Diese Frage stellt sich immer wieder bei der Lektüre von Andreas Möllers „Das grüne Gewissen“. Der Autor – er promovierte über Wissenschafts- und Technikkritik der Weimarer Republik – beschreibt die Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, der „guten alten Zeit“. Der Erfolg des Magazins „Landlust“ kommt natürlich darin vor, aber auch Biomärkte, die ihre Waren aus allen Enden der Welt beziehen, die verträumte Manufactum-Welt, der wachsende Unmut auf Großkraftwerke, egal ob mit Uran oder Kohle befeuert. Alles Themen, über die oft mit giftiger Tinte geschrieben wird. Das vermeidet Möller weitgehend.

Stattdessen ergründet er die Ursachen der Naturbegeisterung der Deutschen. Sie beginnt, wie in anderen Ländern auch, im 19. Jahrhundert. In den folgenden Jahrzehnten entwickelt sich hierzulande eine besondere Form der Begeisterung, die mitunter religiöse Züge annimmt. Unterstützt wird sie seit den Siebzigerjahren durch Friedensgruppen und die Anti-AKW-Bewegung.

Andreas Möller: "Das grüne Gewissen. Wenn die Natur zur Ersatzreligion wird", Hanser-Verlag 2013, 262 Seiten, 17,90 Euro.
Andreas Möller: "Das grüne Gewissen. Wenn die Natur zur Ersatzreligion wird", Hanser-Verlag 2013, 262 Seiten, 17,90 Euro.

© Hanser-Verlag

Mittlerweile ist es schick, mit Technikskepsis, wenn nicht gar -feindlichkeit zu kokettieren. Die Rückbesinnung auf die Natur ist längst zu einer bürgerlichen Tugend geworden. Wobei das mit der Natur so eine Sache ist: Selbst der älteste Wald hierzulande ist ein Werk des Menschen, sozusagen un-natürlich. Im Gegensatz zu einer Krankheit wie Krebs, die wiederum ohne technischen Fortschritt viel zu spät erkannt und kaum behandelt werden könnte. Mit solchen Gedankengängen überwindet Möller die verkitschte Romantik und schafft Aufklärung im echten Sinne.

„Was wir brauchen“, schreibt er am Ende, „ist ein gewisses Maß an heiterer Gelassenheit im Umgang mit Natur und Technik und damit mit uns selbst.“

Andreas Möller: Das grüne Gewissen. Wenn die Natur zur Ersatzreligion wird. Hanser-Verlag 2013, 262 Seiten, 17,90 Euro.

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