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Peter Piot

© Leon Neal, AFP

Robert-Koch-Medaille für Ebola-Entdecker: Der Virenjäger

Peter Piot gehört zu den Forschern, die Ebola entdeckten. Er kämpft seitdem gegen todbringende Seuchen. Nun bekam er die Robert-Koch-Medaille in Gold.

Die blaue Thermosflasche hatte schon bessere Tage gesehen. Das Plastik war verbeult, und als die drei jungen Forscher im Labor den Verschluss öffneten, kam ihnen eine Suppe aus angetautem Eis und Scherben entgegen. Das Paket aus Zaire, das ein Pilot eigenhändig im Tropeninstitut von Antwerpen abgegeben hatte, hatte die Reise nach Belgien nicht gut überstanden. Nur ein Glasfläschchen mit fünf Milliliter geronnenem Blut war noch intakt. Ein Arzt hatte es in Kinshasa einer todkranken flämischen Nonne abgenommen. Könnte es Gelbfieber sein, fragte er in einer kaum lesbaren Notiz. Er stehe angesichts der Epidemie nahe des Missionskrankenhauses Yambuku vor einem Rätsel, die Nonnen seien ja geimpft.

Das war am 29. September 1976, Peter Piot war gerade 27 Jahre alt. Geschützt nur durch Latexhandschuhe und Kittel injizierten er und seine Kollegen etwas Blut in Zellkulturen und in Mäuse. Das wird nichts, dachten sie. Diesen Transport hat kein Virus überlebt. Ein paar Tage später waren die ersten Mäuse tot – und ihr Chef ahnte: Das ist ein hämorrhagisches Fieber. Entgegen der Anweisungen der WHO schickten sie nicht sofort alle Proben an ein Hochsicherheitslabor in Atlanta, sondern behielten eine zurück. Unter dem Elektronenmikroskop sahen sie ein fadenförmiges Virus, unbekannt und bedrohlich. Piot war elektrisiert. Er wollte nach Afrika, dieses neue Virus untersuchen, den Kranken helfen. Ein Traum.

"Du bist doch noch grün!"

Der belgische Beamte, den er kurz darauf im Flugzeug nach Kinshasa kennenlernte, war weniger begeistert: „Wir haben eine schreckliche Epidemie und sie konnten nur dich finden?“, schimpfte er. „Du bist noch grün, kaum ein richtiger Arzt! Du warst noch nie in Afrika!“ Piot ließ sich nicht beirren. Vor Ort meldete er sich freiwillig, in die betroffenen Dörfer zu reisen – nach Bumba und Yambuku. Inzwischen waren mehr als 200 Menschen gestorben. Niemand wusste, wie das Virus übertragen wird.

„Ich habe nicht lange darüber nachgedacht, in welche Gefahr ich mich begebe“, sagt Piot, der heute Direktor der London School of Hygiene and Tropical Medicine ist. Die Reise wurde zu einem Crashkurs in Epidemiologie. Wer wurde wann und wo krank? Je mehr Daten die Forscher sammelten, desto deutlicher wurden zwei Gemeinsamkeiten der Opfer. Entweder sie hatten einer Bestattung beigewohnt. Oder sie waren im Missionskrankenhaus in Yambuku behandelt worden. Noch seltsamer: Zuerst wurden die Schwangeren krank, die dorthin zur Vorsorge kamen. Der Grund waren die allseits beliebten Vitaminspritzen, rekonstruierten Piot und seine Kollegen. Denn die Nonnen sterilisierten die dafür verwendeten Nadeln nur einmal am Tag. Die Forscher hatten den Katalysator der ersten bekannten Ebola-Epidemie gefunden.

Wer sich infiziert, wird oft stigmatisiert

Unter anderem für die Entdeckung von Ebola bekam Peter Piot am Freitag die Robert-Koch-Medaille in Gold. Doch sein Lebenswerk erschöpft sich nicht darin. Piots Verdienste seien zu vielfältig, um sie aufzuzählen, sagte Stefan Kaufmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin. Piot ist heute einer der angesehendsten Epidemiologen weltweit, Experte für Ebola und HIV, Forscher, Aktivist und Politiker in einer Person. Er kämpft für Gerechtigkeit und gegen Ausgrenzung.

Wo immer eine Seuche ausbricht, ist das Stigma nicht weit. So war es in seinem Heimatdorf, als der Vater einer Schulkameradin an Tuberkulose erkrankte und er fortan nicht mehr mit ihr spielen durfte. So war es bei jedem Ebola-Ausbruch, den er beobachtete. So war es auch bei Aids. Als Piot 1983 erneut nach Kinshasa reiste, hatte HIV die Stadt erreicht. Die Infizierten waren geächtet und Piot fragte sich: Warum sollte sich ein Virus um die sexuelle Orientierung eines Menschen kümmern?

Die WHO muss reformiert werden

Er wies nach, dass nicht nur Schwule und Drogensüchtige Aids bekommen können, sondern das Virus auch zwischen Frauen und Männer, Müttern und ihren Babys übertragen wird. Später wurde er Vorsitzender der Internationalen Aidsgesellschaft, bündelte als erster Direktor von UNAids die weltweiten Bemühungen, die Pandemie einzudämmen und handelte den Preis der HIV-Medikamente so herunter, dass sie auch in Afrika erschwinglich sind.

An seinem 65. Geburtstag kehrte Piot nach Yambuku zurück. Er wollte seiner Frau den Ort zeigen, der sein Leben geprägt hat. Dort erreichte sie im März 2014 die Nachricht von der Ebola-Epidemie in Westafrika. Auch Piot dachte erst, alles sei wie immer. Dann hörte er von Fällen in Guineas Hauptstadt Conakry, in den Nachbarstaaten – und wurde wütend. Die WHO habe Fehler gemacht, die internationale Hilfe kam viel zu spät, sagt er. Doch „wenn wir die WHO nicht hätten, müssten wir sie erschaffen“. Umso wichtiger sei es, sie nun zu reformieren.

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