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Der Leuchtturm "Hohe Weg".

© Gerhard Launer

Sachbücher zu Weihnachten: Fest des Wissens

Warum sind wir gläubig? Warum haben Ideen Sex? Wie wurde der Mensch gezähmt? Pünktlich vor Weihnachten präsentieren wir Ihnen eine Auswahl spannender Sachbücher – zum Verschenken oder Selberlesen.

Deutschland von oben

Unser erste Tipp ist ein Fest für die Augen - und macht Lust, gleich einen Urlaub zu planen. Im Bildband "Deutschland - Entdeckungen von oben" zeigt der Luftbildfotograf Gerhard Launer ungewöhnliche Blicke auf mehr oder weniger bekannte Sehenswürdigkeiten der Republik. Mitten im Wattenmeer weist etwa der Leuchtturm "Hohe Weg" (im Bild) den Schiffern den Weg. Andere berühmte Beispiele sind die Dresdner Frauenkirche oder die Blumeninsel Mainau. Ein gelungener Kontrast sind Orte, die sonst kaum Beachtung finden: Das Gleisgewirr am Güterbahnhof Maschen, eine Kraterlandschaft im ehemaligen Tagebau Klettwitz oder das Rondell am Mehringplatz in Berlin-Kreuzberg. Ralf Nestler

- Gerhard Launer: Deutschland - Entdeckungen von oben. Frderking&Thaler, 49,95 Euro.

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Warum Optimisten vernünftig sind

Wir neigen dazu, die Vergangenheit zu verklären und die Zukunft in düsteren Farben zu malen. Schwarzseher haben Konjunktur. Der britische Wissenschaftsjournalist Matt Ridley geht den umgekehrten Weg. Er führt uns vor Augen, dass wir heute wohlhabender, gesunder, glücklicher, schlauer, netter, freier, friedvoller und gleichberechtigter sind als in früheren Zeiten. Auch die Zukunft werden wir Menschen meistern, ist sich Ridley sicher. Der Grund dafür heißt Innovation, also die Fähigkeit, Produkte stetig zu verbessern. Ridley erzählt die Geschichte dieses Fortschritts so detailreich wie erhellend und unterhaltsam.

Dabei verknüpft er die biologische Evolution mit der kulturellen. Wie der Austausch genetischer Information beim Sex die biologische Entwicklung beschleunigte, so hat das fruchtbare Zusammentreffen von Ideen raschen zivilisatorischen Fortschritt und Wohlstand ermöglicht: Papier und Druckerpresse, Internet und Mobiltelefon, Kohle und Turbinen, Software und Hardware. Damit Ideen Sex haben können, bedarf es weiterer Spezialisierung und freier Märkte, ist Ridley überzeugt. Märkte bleiben unersetzlich – vor allem für Güter und Dienstleistungen. Hartmut Wewetzer

- Matt Ridley: Wenn Ideen Sex haben. DVA Sachbuch, München 2011, 544 Seiten, 24,99 Euro

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Der Wahnsinn Wall Street.

Wahnsinn Wallstreet

Streng genommen dürfte dieses Buch natürlich gar nicht an dieser Stelle auftauchen. Tom Wolfes „Fegefeuer der Eitelkeiten“ ist ein üppiger, glänzend erzählter Roman – und zwar aus dem Jahr 1987. Doch wer seinen Lieben zu Weihnachten etwas wirklich Erhellendes in Sachen Finanzkrise angedeihen lassen möchte, sollte alle aktuellen Sachbücher ignorieren und stattdessen zu Wolfes großartiger New-York-Saga greifen. Schon allein deswegen, weil sie daran erinnert, dass ein Ausgangspunkt der Krise die Gier und der Zusammenbruch der Banken und Spekulanten in den Jahren 2007 und folgende ist.

Durch keine andere literarische Figur wurde jemals die Maßlosigkeit der Wall Street so gut entlarvt wie durch Wolfes Börsenbroker Sherman McCoy, der sich selbst zum „Master of the Universe“ ernennt. Und so unterhaltsam wie ironisch dessen Aufstieg und Fall erzählt wird, so bitterböse ist das Bild, das Wolfe von der New Yorker Gesellschaft zeichnet. Die soziale Spaltung der Stadt in die Hyperreichen und die Habenichtse, die als Thema das Buch durchzieht, mutet dabei aktueller denn je an. Wie nah die Fiktion hier die Realität der letzten Jahre fast dokumentarisch wiederzugeben scheint, ist nachgerade erschreckend – und macht das Buch umso lesenswerter. Tilmann Warnecke

- Tom Wolfe: Fegefeuer der Eitelkeiten. Rowohlt TaschenbuchVerlag, Reinbek 2005, 928 Seiten, 12,99 Euro.

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Der liebe Gott is watching you!

Warum glauben Menschen an Gott? Auf diese Frage gibt es zahllose Antworten, aber der Evolutionspsychologe Jesse Bering präsentiert in „Die Erfindung Gottes“ eine besonders interessante. Wie manch andere Forscher ist auch Bering überzeugt, dass der Mensch im Laufe der Evolution einen „Gottesinstinkt“ entwickelt hat, dass die Vorstellung eines allmächtigen und allwissenden Wesens also in unserer Psyche fest verankert ist. Bering macht dafür eine ungewöhnliche Ursache aus, die menschliche Neigung zum Tratschen. Berings Szenario sieht so aus: Die Entwicklung der Sprache erlaubte es, Informationen über andere Menschen auszutauschen. Menschen hatten nun einen Ruf – und den galt es nicht zu verlieren.

Als Selbstschutz entwickelte sich die Illusion eines allmächtigen Wesens, das alles sieht; dieses unangenehme Gefühl, das einem bei Missetaten am Gewissen nagt, auch wenn man sich ganz unbeobachtet fühlt. Das mindere die Gefahr, erwischt zu werden und führe dazu, „dass den gierigen Wölfen des Tratsches nicht so viele selbstzerstörerische Reste zum Fraß vorgeworfen werden“, schreibt Bering. Ein erhellendes Buch. So wahr mir Gott helfe. Kai Kupferschmidt

- Jesse Bering: Die Erfindung Gottes. Wie die Evolution den Glauben schuf. Piper-Verlag, München 2011, 320 Seiten, 19,99 Euro.

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Intellektuelle, Salonière und Kunstmäzenin

Eine große Liebe war es, eine freie Liebe, und sie hielt bis ans Lebensende. Nach fast 40-jähriger Gemeinsamkeit schrieb Wilhelm von Humboldt seiner Ehefrau Caroline: „Es ist nun einmal nicht anders, ich bin unendlich verliebt in dich. Was ich schon in unserm ersten Zusammenleben fühlte, ist durch die Jahre gereift und hat nichts in mir von seiner Frische und seinem Reiz verloren.“ Da hatten die beiden acht Kinder zusammen, von denen fünf noch lebten, sie hatten diverse Affären außerhalb der Ehe gehabt, von denen der jeweils andere durchaus wusste, hatten einander unzählige Briefe geschrieben und stundenlange Gespräche über die Politik, die Literatur, die Gesellschaft ihrer Zeit geführt.

Die Ehe der Caroline von Dacheröden (1766–1829) mit dem preußischen Bildungsreformer und Sprachwissenschaftler Wilhelm von Humboldt war nicht nur für die damalige Zeit ungewöhnlich. Dagmar von Gersdorff hat der faszinierenden Intellektuellen, Salonière und Kunstmäzenin eine spannende Biografie gewidmet, in die sie einen wahren Schatz an Zitaten einwebt: aus den Briefen der beiden Humboldts und ähnlich wortgewandter Zeitgenossen. Ein sprachlicher Genuss! Dorothee Nolte

- Dagmar von Gersdorff: Caroline von Humboldt. Eine Biographie. Insel-Verlag, Berlin 2011, 299 Seiten, 22,90 Euro.

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Atlas der Elemente

Haben Sie auch manchmal gelangweilt im Chemieunterricht gesessen, gedankenverloren auf das Poster mit dem Periodensystem der Elemente gestarrt und sich gefragt, was sich hinter den Abkürzungen verbirgt? Theodore Gray hilft weiter. Im zu Ende gehenden UN-Jahr der Chemie erschien die deutsche Übersetzung seines Buches von den „Bausteinen der Welt“. Es ist eher ein Atlas: Jedes Element wird mit einem großen Foto gezeigt (sofern das physikalisch möglich ist, da manche extrem kurzlebig sind), dazugestellt die wichtigsten Eigenschaften und Anwendungen.

Da findet man beispielsweise heraus, dass Cadmium eben nicht nur ein böses Umweltgift ist, sondern beispielsweise Bolzen an Flugzeugen korrosionsbeständig macht, damit der Flieger lange hält. Weil jedem Element eine Doppelseite eingeräumt wird, kommen endlich auch die Underdogs des Periodensystems zur Geltung. Etwa Astat. Es entsteht durch radioaktiven Zerfall aus Uran und Thorium, zerlegt sich aber umgehend wieder selbst, so dass auf der gesamten Erde stets nur rund 30 Gramm natürliches Astat vorkommen. Ralf Nestler

- Theodore Gray: Die Elemente – Bausteine unserer Welt. Fackelträger-Verlag, Köln 2011, 240 Seiten, 29,95 Euro.

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Plädoyer für Präimplantationsdiagnostik

„Jeder darf versuchen, glücklich zu werden, zu sein oder zu bleiben“, schreibt Matthias Bloechle. Wer wollte ihm widersprechen? Im Kontext seines Buches ist der Satz jedoch eine Provokation. Denn der Berliner Reproduktionsmediziner hat ein Plädoyer für die Präimplantationsdiagnostik verfasst: Für die PID, zu der im Sommer vom Bundestag ein Gesetz verabschiedet wurde und mit der es möglich ist, Embryos vor dem Einpflanzen in die Gebärmutter auf Chromosomenveränderungen und andere schwere genetische Störungen zu untersuchen. „Vom Recht auf ein gesundes Kind“ erzählt von Paaren, die sich kaum etwas sehnlicher wünschen als ein Kind, das sie ins Leben begleiten können.

Ohne sicher zu sein, dass er nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen würde, hat Bloechle Paare behandelt, die zuvor schon Fehlgeburten erlebt oder Kinder kurz nach der Geburt verloren hatten und deshalb den mühsamen Weg der künstlichen Befruchtung mit PID wählten. Der Vater von fünf Kindern hatte sich selbst angezeigt, um juristische Klarheit zu schaffen. Mit Erfolg. Um die viel beschworenen „Designerbabys“ für verwöhnte Konsumbürger der Zukunft geht es in diesem Buch nicht. Seine sachlich präzise und menschlich mitfühlende Botschaft macht es zu einer passenden Weihnachtslektüre. Adelheid Müller-Lissner

- Matthias Bloechle: Vom Recht auf ein gesundes Kind – Ein Plädoyer für die Präimplantationsdiagnostik. Irisiana-Verlag, München 2011, 208 Seiten, 19,99 Euro.

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Die Zähmung des Menschen

Gewalttätig und aggressiv zu sein, das steckt in jedem von uns. Gewalt ist unser innerer Dämon, sagt der Harvard-Psychologe Steven Pinker. Umfassend schildert Pinker, wie es gelang den Dämon zu zähmen. Es ist nicht zuletzt ein Verdienst der Aufklärung, dass die in früheren Zeiten und Kulturen selbstverständliche rohe und brutale Gewaltanwendung zurückgedrängt werden konnte.

Pinker belegt das mit einem Berg von Statistiken. Wir leben in vergleichsweise friedlichen Zeiten, und auch die blutige erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ist für Pinker kein Gegenbeweis. Natürlich, die Gewalt ist noch da. Aber immer mehr Menschen erscheint sie als schlechte Alternative. Hartmut Wewetzer

- Steven Pinker: Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit. Fischer-Verlag, Frankfurt am Main 2011, 1216 Seiten, 26 Euro.

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