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Sächsische Universität: Dresden will es packen

Die sächsische Uni wird als Exzellenz-Favoritin gehandelt. Noch gibt es auch viele NC-freie Fächer.

Die meisten der mit dem Elitestatus ausgezeichneten Universitäten befinden sich in Baden-Württemberg. Im Osten Deutschlands konnte bislang keine Universität den Titel erringen. Doch die Ostuniversitäten gehen selbstbewusster als zuvor in die zweite Runde der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern, in der 2011 wichtige Vorentscheidungen fallen.

Die Universitäten in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg mussten sich der Ranking-Konkurrenz aus dem Westen nach der Wiedervereinigung ab dem Nullpunkt stellen. Denn bis zur Wende 1989/90 hatte es im Osten keine Sonderforschungsbereiche, Graduiertenkollegs für den wissenschaftlichen Nachwuchs und eingeworbene Drittmittel gegeben, die einen Leistungsvergleich unter den Universitäten ermöglichen. Zudem fehlte es den Hochschulen im Osten an kritischer Masse. Gemeint ist damit nicht nur die personelle Ausstattung der Hochschulinstitute, sondern auch der Mangel an außeruniversitären Forschungsinstituten als Kooperationspartnern.

Experten, denen die regionale Unausgewogenheit im Exzellenzwettbewerb Sorgen bereitet, rechnen in der neuen Runde des milliardenschweren Wettbewerbs mit Erfolgen für die Ostuniversitäten. Eine Universität aus dem Osten wird neben der Humboldt-Universität in Berlin immer wieder als Favoritin für den Elitestatus genannt: die TU Dresden. Sie hatte schon in den bisherigen Durchgängen des Exzellenzwettbewerbs eine Graduiertenschule und einen Forschungscluster geholt.

Mit Hans Müller-Steinhagen hat die TU Dresden jetzt einen international erfahrenen Wissenschaftler zum neuen Rektor gewählt. Die Biografie des 56-jährigen studierten Maschinenbauingenieurs ist beeindruckend: Er hat in Neuseeland, England und Kanada als Wissenschaftler gearbeitet, bevor er im Jahr 2000 an die Uni Stuttgart wechselte und zugleich Institutsdirektor am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt wurde.

Fragt man Müller-Steinhagen nach der „kritischen Masse“, rattert er eine lange Liste herunter: Mit der TU Dresden kooperieren elf Institute der Fraunhofer Gesellschaft in und um Dresden, drei Max-Planck-Institute, drei Leibniz-Institute und mit dem Forschungszentrum Dresden-Rossendorf ab Januar auch ein Institut der Helmholtz-Gemeinschaft. Gemeinsam investiert wird im Dresden-Concept, einem Verein der Uni und der Außeruniversitären, der auch die gemeinsame Nutzung von Forschungsinfrastrukturen und -personal in der Lehre der Universität organisiert. Und, ja, auch bundes- und weltweit sei die TUD sehr gut vernetzt.

Mit der Bilanz der eingeworbenen Drittmittel gehört die TUD heute zur Gruppe der besten zwanzig Universitäten in Deutschland: 167 Millionen Euro im Jahr 2009 sind eine im deutschen Hochschulvergleich beachtliche Summe. Direkt aus der Wirtschaft kamen im vergangenen Jahr 26 Millionen Euro. Diese Vernetzung mit der Industrie habe selbst die Wirtschaftskrise überstanden, sagt der Präsident im Gespräch. Mit der Steigerung der Drittmitteleinnahmen in den vergangenen fünf Jahren um 48 Prozent will Müller-Steinhagen im Exzellenzwettbewerb punkten.

Schon in der DDR war die Technische Universität Dresden die Kaderschmiede für die künftigen Ingenieure. Nach der Wende hat sich die Universität zu einer der wenigen Volluniversitäten in Deutschland entwickelt. Volluniversität deswegen, weil sie auf einer ungewöhnlichen Breite an Disziplinen basiert: Die Ingenieurwissenschaften und die Naturwissenschaften sind für eine technische Universität selbstverständlich, aber nicht die Medizin. Auch die Geistes- und Sozialwissenschaften, die in Dresden bei den Studenten nach den Ingenieurwissenschaften am stärksten nachgefragt sind, gehören seit der Wende zum Lehr- und Forschungsangebot. Diese Vielfalt ist ein herausragendes Merkmal für Dresden in der deutschen Hochschullandschaft geworden. Auch davon möchte die TU Dresden im Exzellenzwettbewerb profitieren.

In der Lehre stehen die Tore an der TU Dresden für Bewerber aus dem Westen offen. Noch ist Dresden eine Universität für den akademischen Nachwuchs aus den neuen Ländern: Von 35 952 Studierenden kommen über 70 Prozent aus Ostdeutschland, 16 Prozent aus westdeutschen Ländern und 13 Prozent aus dem Ausland. Aber unter den Studienanfängern zeigt sich eine deutliche Zunahme bei von Abiturienten aus Bayern, Hamburg, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Von 104 Studiengängen haben nur 32 einen Numerus clausus. Die Berliner Universitäten mussten dagegen einen flächendeckenden Numerus clausus verhängen. Die TU Dresden verfolgt zudem den Grundsatz: „Wer in Dresden studiert, soll auch den Master machen können“, sagt die Prorektorin für Bildung und Internationales, Ursula Schaefer.

Vom ostdeutschen Werbeslogan um Weststudenten, „Studium in Fernost“, hält man in Dresden allerdings nichts, aber mit dem landeseigenen Slogan ist man einverstanden: „Pack Dein Studium am besten in Sachsen“. Tatsächlich eröffnet das breite Studienangebot große Wahlfreiheit: Da werden Geisteswissenschaften mit Informatik kombiniert oder für Ingenieure gibt es eine Ausbildung auch in Jura und Wirtschaft, wenn man sich auf den Beruf eines Patentanwalts vorbereiten will. Dresden bietet als einzige deutsche Uni einen Bachelor in Jura an. Zum Staatsexamen muss man danach an eine andere Universität wechseln.

Sogar an das schwierige Thema eines Studium Generale wagt sich die TU Dresden: Zwei Semester lang wird zum Beispiel fachfremden Studenten Einblick in die Medizin oder die Umweltproblematik gewährt. Dass Ingenieure besonders gern Anglistik hören, versteht sich von selbst.

Bleibt die seit Jahren umstrittene Frage: Master oder Diplom? Die TU Dresden gehört der Gruppe der führenden deutschen technischen Universitäten unter dem Kürzel TU 9 an. Rektor Müller-Steinhagen plädiert für ein zweistufiges Bachelor- und Masterstudium, gegliedert nach Modulen. Aber am Ende solle doch der traditionsreiche Titel Diplomingenieur demjenigen verliehen werden, der das wünscht.

„Wir bestehen nicht auf Althergebrachtem, sondern wollen moderne, qualitativ hochwertige Studiengänge“, erklärt Müller-Steinhagen. Doch im Ausland werde der deutsche Diplomingenieur nun einmal hoch geschätzt. Dass er abgeschafft worden sei, werde allerorts mit Kopfschütteln kommentiert.

„Die Wirtschaft braucht sowohl hervorragende praxisorientierte Ingenieure, wie auch Ingenieure, die in der Lage sind, völlig neue Konzepte zu erdenken“, sagt Müller-Steinhagen. „Das geht aber nur, wenn wir Bachelorstudiengänge anbieten können, die grundlagenorientiert und nicht bereits nach sechs Semestern vollständig berufsbefähigend sind.“

Hans Müller-

Steinhagen
(56) wurde im November

in sein Amt als Rektor der TU Dresden eingeführt. Zuvor leitete er das Institut für Thermodynamik der Universität Stuttgart

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