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Vom Acker ins Wasser. Pflanzenschutzmittel verhelfen der Landwirtschaft zu höheren Erträgen. In Flüssen und Seen richten sie aber Schaden an.

© dpa

Schadstoffe in Gewässern: Gefährlicher Cocktail

Knapp die Hälfte der europäischen Flüsse und Seen ist mit organischen Chemikalien belastet. In Spree und Havel sind vor allem polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoff („PAKs“) ein Problem.

Die europäischen Flüsse und Seen sind stärker mit Chemikalien belastet als gedacht. Das geht aus einer Studie hervor, die ein Forscherteam um Ralf Schäfer von der Universität Koblenz-Landau erstellt hat. Die Wissenschaftler haben die Konzentration verschiedener organischer Chemikalien an gut 4000 Messstellen auf dem gesamten Kontinent bewertet. Aus den Daten ermittelten sie, wie groß die Gefahr ist, dass die einzelnen Ökosysteme geschädigt werden. Sie konzentrierten sich dabei auf Fische, wirbellose Tiere wie Insekten und Krebse sowie Algen.

Wie sie im Fachmagazin „PNAS“ berichten, bestehe an 42 Prozent der Messstellen ein generelles Risiko für die Lebewesen. Bei 14 Prozent rechnen sie mit akuten toxischen Schäden, also dem Absterben bestimmter Arten. Die größte Gefahr geht demnach von Pestiziden und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen aus.

Es gibt bereits zahlreiche Untersuchungen zur Umweltgefährdung durch Chemikalien, doch diese seien für kleinere Gebiete erstellt worden, schreiben die Autoren. Ihre Studie sei die erste, die – bezogen auf organische Schadstoffe – den gesamten Kontinent in den Blick nimmt. Das Fazit: Die von der EU angestrebte Verbesserung der Wasserqualität bis 2015 werde nicht zu schaffen sein.

Je nach Industrie vor Ort variiert die Belastung

„Wahrscheinlich unterschätzt unsere Analyse sogar das Risiko durch organische Substanzen“, sagt der Studienleiter Schäfer. Die Daten hätten teilweise sehr große Lücken, weil bestimmte Länder nur wenige Messungen ausweisen oder bestimmte Schadstoffe bei den Routinekontrollen nicht berücksichtigt werden – und daher nicht negativ auffallen.

Welche Substanzen für die einzelnen Gebiete das größte Problem sind, ist verschieden. Das hängt unter anderem davon ab, welche Industriezweige im Einzugsgebiet der Gewässer vorhanden sind. Für die Elbe und die ihr zuströmenden Flüsse sind Schäfer zufolge vor allem Insektizide ein Problem, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden und durch Wind und Regenwasser in die Gewässer gelangen. Weiterhin problematisch seien Organozinnverbindungen, die in Schiffsanstrichen enthalten sind, sowie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, von Chemikern als „PAKs“ bezeichnet. Sie entstehen bei Verbrennungen, etwa in Kraftwerken oder in Automotoren, aber auch durch den Abrieb von Reifen.

„In rund der Hälfte des Elbeeinzugsgebietes sind die Gehalte so hoch, dass Lebewesen gefährdet sind“, sagt Schäfer. Vor allem Gewässerinsekten seien betroffen, Fische und Algen hingegen weniger.

Um die Schadstoffbelastung der Gewässer zu verringern, gebe es zwei Ansätze, die beide verfolgt werden sollten, sagt der Forscher. „Breite Schutzstreifen an den Ufern sorgen dafür, dass zum Beispiel weniger Pflanzenschutzmittel in die Flüsse gelangen.“ Auf der anderen Seite müsse daran gearbeitet werden, dass generell weniger Schadstoffe in die Umwelt gelangen. Indem sie sparsam verwendet werden oder durch weniger gefährliche Substanzen ersetzt werden.

In Spree und Havel sind vor allem PAKs ein Problem

Das gilt auch für die Berliner Gewässer wie Spree und Havel. Hier sind, bezogen auf die organischen Chemikalien, vor allem PAKs ein Problem. „Besonders hohe Belastungen werden bei Benzo(g,h,i)-perylen und Indeno(1,2,3-cd)-pyren erreicht“, berichtet Matthias Rehfeld-Klein von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. „Dort liegt die Konzentration über dem Grenzwert, den die EU für gefährliche Stoffe in Gewässern festgelegt hat.“

Eine Gefahr für Menschen, etwa Badende, die versehentlich Wasser schlucken, bestehe nicht, betont er. Für die Lebenswelt im Wasser seien die hohen PAK-Gehalte trotzdem gefährlich, daher müsse gehandelt werden.

Eine Option ist eine bessere Behandlung von Regenwasser. Wenn es regnet, spült der Niederschlag zahlreiche Schadstoffe von den Dächern, Straßen und Bürgersteigen der Stadt zu den Flüssen. „Mit speziellen Bodenfiltern kann das schmutzige Wasser jedoch aufbereitet werden“, sagt Rehfeld-Klein. Rund zehn solcher Filter seien mittlerweile im Stadtgebiet errichtet worden. Zusätzliche Filter könnten helfen, das PAK-Problem zu entschärfen. „Ebenso wichtig ist es allerdings, direkt an der Quelle zu handeln und die Verbrennung in den Kraftwerken zu verbessern, damit der Schadstoffausstoß insgesamt zurückgeht.“ Denn PAKs seien überall in Deutschland ein Problem, sagt Rehfeld-Klein.

Das bestätigt Christiane Koll vom Landesumweltamt Brandenburg. Auch hier werden bei den monatlichen Kontrollen hohe PAK-Konzentrationen gemessen. „Auffällig ist zudem Tributylzinn, das in Schiffsanstrichen verwendet wurde und mittlerweile verboten ist.“ Dennoch werde der Stoff besonders in Havel, Dahme und Rhin bis heute gemessen. Das zeigt, dass es mitunter lange dauert, bis ein Schadstoff so weit verdünnt oder abgebaut ist, dass er keine Probleme mehr macht.

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