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Annette Schavan: Sollte Sie nun auch ihren Professoren-Titel ruhen lassen?

© dapd

Schavan nach dem Doktor-Entzug: „Sinnvoller, das Amt ruhen zu lassen“

Würde Schavan nach dem Entzug des Doktortitels zurücktreten, wäre das ein Schuldeingeständnis, sagt der Politikwissenschaftler und Soziologe Oskar Niedermayer im Interview. Alternativ könnte die Bildungsministerin ihr Amt ruhen lassen.

Herr Niedermayer, Ministerin Schavan will im Amt bleiben, obwohl ihr die Uni Düsseldorf den Doktortitel wegen Plagiierens entzogen hat. Überrascht Sie das?

So wie sich Schavan verteidigt hat, kann man nicht überrascht sein. Wenn sie vorgestern argumentiert hat, sie habe zwar nicht durchweg sauber gearbeitet, aber nicht bewusst getäuscht, kann sie heute keine andere Linie verfolgen. Jetzt zurückzutreten, wäre ein Schuldbekenntnis.

Ein Parteifreund Schavans spricht von einer „politisch motivierten Kampagne gegen eine erfolgreiche Ministerin“.

Das ist die einzige Verteidigungslinie, die ihrer Partei nach dem eindeutigen Urteil aus Düsseldorf bleibt. Doch damit wird man Schavan nicht mehr lange im Amt halten können. Sinnvoller wäre es, sie ließe ihr Amt bis zur gerichtlichen Klärung ruhen. Man muss sie aus der Schusslinie nehmen, um keine weitere Munition gegen sie zu produzieren.

Erkennen Sie ein Muster, warum Politiker so lange am Stuhl kleben?

Wer ein politisches Amt ausübt, lebt in einer eigenen Welt und weigert sich mitunter, Signale aus der Außenwelt ernst zu nehmen. Da kommt es auf das individuelle Gespür an, zu wissen, wann man zurücktreten muss. Dieser Schritt wird in der Mehrzahl der Fälle zu spät gemacht.

Oskar Niedermayer, Politikwissenschaftler an der Freien Universität.
Oskar Niedermayer, Politikwissenschaftler an der Freien Universität.

© Mike Wolff

Schavan erfährt viel Solidarität aus der Union. Welchen Stellenwert haben solche Erklärungen in der Politik?

Es ist normal, dass zunächst die Unschuldsvermutung gilt. Doch wenn diese nicht mehr gilt, kommen die Erklärungen zu ihrem Ende, wie bei Guttenberg. Nun gibt es einen Unterschied in der Schwere des Fehlverhaltens. Doch Schavan ist politisch schwer beschädigt und dies wird für die Union im Wahlkampf nicht hilfreich sein. Schavan und ihre Parteifreunde müssen jetzt abwägen, was für sie und die Partei am günstigen ist. Die Klage gegen den Titelentzug hat zwar aufschiebende Wirkung, die Sache bleibt damit aber am Kochen, dafür wird die Opposition sorgen.

Welche Rolle spielt es, dass hier eine Wissenschaftsministerin plagiiert hat?

Da werden zu recht strengere Maßstäbe angelegt, weil Schavan in der Wissenschaft Politik gestaltet und weil sie sich bei Guttenberg sehr weit aus dem Fenster gelegt hat, als sie sagte, als Promovierte schäme sie sich nicht nur heimlich.

Muss Schavan jetzt auch ihre Honorarprofessur an der FU verlieren?

Auch dieses Amt sollte sie ruhen lassen, bis die Vorwürfe gerichtlich geklärt sind.

Oskar Niedermayer (60) ist Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin und leitet die Arbeitsstelle Empirische Politische Soziologie am Otto-Suhr-Institut

der FU.

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