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Die neuen Containerschiffe der „Maersk Line“ sind 400 Meter lang, 60 Meter breit und sie haben über 16 Meter Tiefgang.

© REUTERS

Schiffbau: Blaue Ozeanriesen

50 000 Tonnen Stahl, 400 Meter lang, 60 Meter breit: Containerschiffe werden immer größer – und langsamer. So soll der Transport umweltfreundlicher und rentabler werden.

Eine lange, eisblaue Wand liegt gut vertäut vor Anker. 50 000 Tonnen Stahl reichen aus, um sich klein und unbedeutend zu fühlen. „Maersk Line“, der Name der dänischen Großreederei, prangt in schwarzen Lettern auf dem Rumpf. Der Riese gehört zu einer neuen Klasse von Containerschiffen, die alle bisherigen überragt: 400 Meter lang, 60 Meter breit und so hoch wie ein zwanziggeschossiges Haus. 18 000 Container passen auf ein Schiff der „Triple-E-Klasse“. Das ist doppelt so viel wie noch vor acht Jahren. Effizient und umweltverträglich sollen die Frachter sein, sagt die Reederei. Triple-E steht für Economy of Scale (passende Größe), Energy Efficiency (Energieeffizienz) und Environmentally Improved (Umweltverträglichkeit).

Gleich 20 solcher Ozeanriesen haben die Dänen beim koreanischen Schiffbauer Daewoo bestellt. Im Februar wurde die „Magleby Mærsk“ fertig, das nächste Schiff soll noch im März folgen. Jedes kostet rund 190 Millionen Dollar. Angesichts einer kriselnden Containerschifffahrt und eines schwachen Wachstums am Weltmarkt erscheint der Größenwahn riskant. „Ökonomisch gesehen sind die Riesen sinnvoll. Denn je mehr Waren ein Schiff transportieren kann, desto geringer sind die Kosten“, sagt Marcus Ihms vom Germanischen Lloyd. Etwa 2000 Euro kostet derzeit der Transport eines Containers von Asien nach Europa. Auf einem Triple-E-Schiff ist der Preis laut Maersk Line ein Viertel geringer.

Vor allem der Treibstoff macht die Fahrten teuer. Ein Containerschiff verbraucht am Tag ungefähr 100 Tonnen. Die werden aber immer besser genutzt, sagt Horst Harndorf von der Universität Rostock. „Moderne Motoren erreichen einen Wirkungsgrad von knapp 50 Prozent.“ Bei den Triple-E-Schiffen kommt hinzu, dass sie nicht einen, sondern zwei Motoren haben, die zusammen 80 700 PS leisten. Das soll das Manövrieren erleichtern und bis zu 40 Prozent Kraftstoff sparen.

Aus den Abgasen wird Strom

Auch sonst haben sich die Ingenieure einiges einfallen lassen, um die Schiffe effizienter zu machen. So werden die Abgase aus den Schornsteinen zur Stromerzeugung genutzt. Der heiße Wasserdampf treibt dafür eine Turbine an. Der erzeugte Strom entlastet wiederum die Hauptmaschine. Laut Hersteller Siemens soll dieses System den CO2-Ausstoß um zehn Prozent reduzieren und genug Strom für die Kühlung von Waren und die Bordelektronik liefern. Eine weitere Energiesparmöglichkeit ist das „Slow Steaming“. Statt mit Spitzengeschwindigkeiten von 25 Knoten (rund 46 Kilometer pro Stunde), fahren die Schiffe zwei Knoten langsamer und sparen 20 Prozent Treibstoff.

Auch das Wetter, die Route und die Meeresströmung beeinflussen den Energieverbrauch. Darauf können moderne Schiffe mithilfe intelligenter Computersysteme reagieren. Beispielsweise lässt sich die Geschwindigkeit an den aktuellen Ölpreis anpassen, damit die Schiffe zu einem geeigneten Zeitpunkt betankt werden können. Die Wetterlage und die Strömung gehen ebenfalls in die Fahrtplanung ein. Anbieter wie der Germanische Lloyd versprechen sich davon bis zu fünf Prozent Energieersparnis. Allerdings: „Fahrtänderungen und Slow Steaming machen die Logistik komplizierter“, sagt Rainer Horn von Hapag Lloyd. „Das muss man alles mit den Kunden und Häfen abklären.“

Weniger Treibstoff heißt auch weniger Abgase – das stellt die Branche gern heraus. Bei den Ozeanriesen liegt der CO2-Ausstoß bei drei Gramm pro Tonne Ladung und Kilometer. Zum Vergleich: Bei Luftfracht sind es 560 Gramm und beim Schienenverkehr 18 Gramm. Allerdings sind diese Bilanzen bisher wenig wert, da der Emissionshandel praktisch kaum Bedeutung hat.

Bei einer Havarie wäre die Reederei machtlos

Als kritisch gilt dagegen der Treibstoff der Schiffe. Der Hauptbestandteil ist Schweröl, das bei der Erdölverarbeitung anfällt und viele Schadstoffe enthält. Um den maritimen Stick- und Schwefeloxid-Ausstoß zu reduzieren, wurden weltweit neue Emissionsrichtlinien geschaffen. In den „Emissionssondergebieten“ in Nord- und Ostsee etwa darf kein Kraftstoff mit mehr als einem Prozent Schwefel verbrannt werden. Länder wie Norwegen, die USA und Kanada sind dem Beispiel gefolgt. Bis 2020 ist ein flächendeckender Grenzwert geplant. Langfristig müssen sich die Reedereien deshalb von schmutzigen und stark schwefelhaltigen Treibstoffen verabschieden. Die Reinigung der Abgase an Bord ist teuer und nicht immer effektiv genug, um die Grenzwerte einzuhalten.

Schiffbauingenieure forschen längst an Motoren mit umweltfreundlicheren Antriebsstoffen. Eine Möglichkeit wäre es, Diesel statt Schweröl zu verwenden. Das ist zwar deutlich teuer, aber der CO2-Ausstoß wäre etwas geringer. Über die aussichtsreichere Alternative flüssiges Erdgas, LNG genannt, sagt Harndorf: „Die Einhaltung der Grenzwerte wäre damit kein Problem.“ Allerdings können bisher nur wenige Schiffe mit LNG fahren. Um das Gas nutzen zu können, müssen sie zusätzliche Tanks haben – und das kostet Geld und wertvollen Frachtraum. Auch die Infrastruktur an den Häfen ist noch im Aufbau. Bis 2015 sollen zumindest in Deutschland genug Terminals entstehen, um die Häfen an Ost- und Nordsee mit Gas zu versorgen, berichtet Harndorf.

Die größeren Schiffe bergen noch eine ganz andere Umweltgefahr – wenn sie einen Unfall haben. Bei der Havarie eines Triple-E-Schiffes wäre die Reederei schlichtweg machtlos. Es gibt keine Kräne, die ein solch großes Schiff auf hoher See bergen könnten. Allein der auslaufende Treibstoff würde ausreichen, um große Meeresgebiete wie das Wattenmeer zu schädigen. „Die Bergung eines solchen Schiffes ist mit normalen Mitteln kaum möglich“, sagt Marcus Ihms vom Germanischen Lloyd. „Trotzdem gibt es Gerüchte, dass noch größere Schiffe gebaut werden sollen, für 20 000 Container und mehr.“

In dieser Größenordnung stößt die Logistik an ihre Grenzen. Die Routen der Triple-E-Klasse sind bereits auf Europa und Asien beschränkt. Die Schiffe sind für die meisten anderen Häfen einfach zu riesig. Der Panamakanal ist zu eng und zu flach für eine Breite von 60 Metern und einen Tiefgang von 16,5 Metern. In Deutschland können sie lediglich Wilhelmshaven und Bremerhaven anlaufen. Nur asiatische Großhäfen sind für die großen Pötte kaum ein Problem. Auf diesen Markt setzt die kriselnde Branche ohnehin ihre Hoffnungen. Schon heute exportiert China 80 Prozent seiner Waren auf dem Seeweg, Tendenz steigend.

Birk Grüling

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