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In Jena waren Masken sehr früh Pflicht.

© Bodo Schackow/dpa-Zentralbild/dpa

Schnelle Tests, strikte Vorgaben: Wie Rostock und Jena erfolgreich gegen das Coronavirus kämpfen

In Rostock und Jena scheint die Coronakrise überwunden – es gibt keine neuen Infizierten. Doch die Stadtoberen warnen.

Ganz Deutschland streitet über den richtigen Kurs im Umgang mit der Coronavirus-Krise. Zwei Städte lassen nun aufhorchen: Rostock und Jena.

Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen (parteilos) erklärte seine Stadt am Donnerstag als vermutlich erste Großstadt in Deutschland für Coronavirus-frei. „Der letzte zurzeit an Covid-19 erkrankte Rostocker konnte jetzt aus der Quarantäne entlassen werden“, erklärte Madsen am Donnerstag.

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Einzelne Rostocker, die in den vergangenen Tagen als neuinfiziert in der Statistik auftauchten, lebten zurzeit nicht in der Stadt, sagte ein Stadtsprecher der Nachrichtenagentur dpa. Natürlich könne sich die Situation minütlich ändern, sagte er. Und bei aller Freude warnt auch Madsen: „Es wird sicher wieder zu einem Ausbruch des Virus im Land oder auch in Rostock kommen. Es gilt, dann wieder resolut zu handeln und entsprechend nachzusteuern.“

Rostock hat knapp 210.000 Einwohner. In den vergangenen Wochen wurden in der Stadt vom Landesgesundheitsamt insgesamt 75 Corona-Fälle registriert. Mit 657 Fällen hat Mecklenburg-Vorpommern bundesweit die geringste Anzahl von Infektionen pro 100.000 Einwohnern.

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Madsen erklärte einer Mitteilung zufolge weiter, dass die von der Stadtverwaltung frühzeitig ergriffenen Maßnahmen „vollen Erfolg“ gehabt hätten. Zudem hätten sich die Menschen in Rostock „unglaublich vorbildlich verhalten“. Die von der Hanse- und Universitätsstadt frühzeitig ergriffenen Maßnahmen hätten vollen Erfolg gehabt. „Durch sehr schnelle Entscheidungen und resolutes Handeln konnte verhindert werden, dass sich das Virus ausbreiten konnte.“

Der Oberbürgermeister lobte unter anderem das Rostocker Gesundheitsamt, das es geschafft habe, „bei Infektionen die Kontaktpersonen zu identifizieren und so Ansteckungsketten schnell zu durchbrechen“.

„Wir müssen auch in Rostock unheimlich diszipliniert bleiben“

Madsen sagte weiter: „Die sehr frühzeitigen Tests von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bereich des Rettungsdienstes, des Klinikums Südstadt und von Pflegeeinrichtungen in Rostock haben sich ausgezahlt.“ Aber auch weiterhin sei es sehr wichtig im Umfeld von Risikopatientinnen und -patienten zu testen, um unbedingt zu verhindern, dass es zu einem Ausbruch des Virus innerhalb von Einrichtungen komme, in denen Risikogruppen betreut werden.

Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen steht vor dem Rathaus.
Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen steht vor dem Rathaus.

© Danny Gohlke/dpa

„Heute ist also ein echter Grund zum Feiern!“, so der Oberbürgermeister. „Gleichzeitig ist heute jedoch auch ein wichtiger Tag, um noch einmal jeder und jedem klar zu machen, dass wir auch weiterhin unheimlich diszipliniert bleiben müssen, um Lockerungen zu ermöglichen und nicht wieder zurück zu straffen Regeln kommen müssen.“

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Auch in Jena zeigt man sich mit der derzeitigen Situation zufrieden. Bis zum Mittwoch wurden in der thüringischen Stadt mit ihren rund 110.000 Einwohnern seit 13 Tagen keine neuen Infektionen gemeldet. 255 Patienten wurden bis jetzt insgesamt positiv getestet.

„Die Menschen werden wieder unvorsichtiger, auch in Jena“

„13 Tage keine bekannte Neuinfektion sind ein großer Grund zu Freude. Jede Infektion, die wir verhindern, ist individuell sehr viel wert“, sagte Bürgermeister Christian Gerlitz der „Welt“. Aber es gebe auch eine Schattenseite: „Die Menschen werden wieder unvorsichtiger, auch in Jena. Die Akzeptanz für andere Schutzmaßnahmen, insbesondere das Kontaktverbot, nimmt deutlich ab. Weil die Sorge bei den Menschen kleiner wird, es könnte sie selber treffen.“

Gerlitz sagte, man wisse in Jena, dass es so nicht dauerhaft bleiben wird und es wieder Infektionen geben werde. „Nur muss die Infektionsrate so klein gehalten werden, dass wir die Infektionsketten immer wieder nachverfolgen und durchbrechen können“, sagte Gerlitz.

Zum Erfolg in Jena habe ein ganzes Maßnahmenpaket beigetragen, erläuterte Gerlitz. So führte Jena als erste Kommune bundesweit ab dem 4. April eine allgemeine Maskenpflicht ein, ab Montag ist bundesweit das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen in Teilen der Öffentlichkeit Pflicht. Am Mittwoch hatten auch Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und das Saarland entsprechende Regelungen angekündigt. Die übrigen zehn Bundesländer hatten die Maskenpflicht schon zuvor beschlossen.

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Gerlitz sagte dazu: „Wir haben es anders gemacht als manche Bundesländer jetzt: In Jena kam die Maskenpflicht nicht über Nacht, sondern mit einer Woche Vorlauf. Die Zeit haben wir genutzt, um mit den Einzelhändlern das Gespräch suchen zu können und vor allem den Bürgern die Zeit zu geben, sich selbstständig mit Masken zu versorgen.“

„Bereits am 28. Februar tagte in Jena der Krisenstab“

So hatten die Menschen Zeit gehabt, selbst zu nähen, eine Konkurrenzsituation zu medizinischem Mund-Nasen-Schutz sei so verhindert worden. verhindern. „Es ist einfach zu sagen, wir bestellen 200.000 Mal medizinischen Mund-Nasen-Schutz, das ist innerhalb von zwei Tagen zu bekommen. Aber das fehlt dann an anderer Stelle“, sagte Gerlitz.

Wichtig sei aber vor allem auch die frühzeitige Vorbereitung der Stadt gewesen. „Bereits am 28. Februar haben wir zum ersten Mal den Jenaer Krisenstab tagen lassen. Da gab es in ganz Italien noch weit unter 1000 bekannte Infektionsfälle. Teilweise sind wir dafür noch belächelt worden. Das haben wir aber in Kauf genommen.“

Hintergründe zum Coronavirus:

Den Verantwortlichen in der Stadt sei klar gewesen, dass sofort gehandelt werden müsse, wenn sich eine Pandemie entwickeln würde. „Wir haben den Vorteil, in Jena mit dem Universitätsklinikum und vier privaten Laboren eine sehr hohe Testkapazität zu haben. Wir haben mittlerweile mehr als 4000 Mal getestet.“

Durch die vielen Tests sei im Anfangszeitraum die Fallzahl extrem schnell gestiegen. Dies habe dann schnell zu Maßnahmen wie der Maskenpflicht geführt. Dabei habe man sich in Jena von zwei wissenschaftlichen Erkenntnissen leiten lassen, sagte Gerlitz. „Zum einen war klar, dass die Tröpfcheninfektion das Entscheidende ist, nicht die Schmierinfektion. Und zum anderen gab es sehr frisch die Erkenntnis, dass fast die Hälfte der Infektionen von Menschen ausgeht, die noch keine Symptome zeigen.“

Bei ersten Erkältungsanzeichen zu Hause bleiben reiche also nicht – da sei die Hälfte der Infektionen schon erfolgt, sagte Gerlitz. „Deswegen waren wir sicher, dass eine einfache Mund-Nasen-Bedeckung helfen kann – wenn sie alle tragen und damit andere schützen.“

Jenas Bürgermeister Christian Gerlitz.
Jenas Bürgermeister Christian Gerlitz.

© Stadt Jena:

Außerdem habe Jena sehr schnell nicht nur Tirol, sondern ganz Österreich und sehr bald auch Baden-Württemberg und Bayern als Risikogebiete eingestuft. „Rückkehrer aus Risikogebieten mussten bei uns zwingend in häusliche Quarantäne – vom RKI war das nur eine dringende Empfehlung“, sagte Gerlitz.

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„Unter den Österreich-Urlaubern haben wir eine zweistellige Anzahl von Infizierten frühzeitig isolieren können, und unter den Rückkehrern aus Bayern und Baden-Württemberg waren zwölf Infizierte.“ Die wären nach RKI-Maßgaben selbst mit Symptomen gar nicht getestet worden, so Gerlitz weiter. „Dabei arbeitet einer zum Beispiel in der Pflege – und wäre ohne unsere Richtlinien wohl schnell wieder zur Arbeit gegangen.“

Zudem seien in Jena auch Veranstaltungen früher abgesagt und die Gastronomie früher geschlossen worden als anderswo.

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Zur Frage möglicher Lockerungen der Alltagsbeschränkungen sagte Gerlitz: „Wenn sich das Infektionsgeschehen flächendeckend so erfreulich entwickelt wie bei uns in Jena, können wir alle zusammen wieder mehr Einrichtungen öffnen, als das im Moment der Fall ist.“

Grundsätzlich gelte für ihn aber: „Solange wir keine Lösung haben, wie wir unsere Schulen und Kitas flächendeckend wieder öffnen können, wird es mit mir keine Diskussion darüber geben, wann wir Biergärten oder Freibäder aufmachen.“ Dies sei eine Wertefrage. „Die Schließung der Kitas und Schulen beraubt viele Kinder ihrer Chancen und stellt Familien vor kaum überwindbare Herausforderungen.“

Es gebe in Deutschland eindeutig unterschiedliche epidemiologische Lagen, so dass nicht überall dieselben Antworten richtig seien, so Gerlitz. Bayern und Baden-Württemberg seien deutlich schwerer betroffen als viele andere Regionen auf der Welt. „Deshalb werden sie über einen viel längeren Zeitraum viel restriktivere Maßnahmen brauchen. Zu rasche Lockerungen könnten die Krise nicht nur zeitlich verlängern, auch die Situation könnte wieder gefährlicher werden.“

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