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Muttersprache Sorbisch. Lehramtsstudierende wie Božena Hoyer werden immer rarer.

© Heidrun Böger

Schule: Gesucht: Lehrkräfte für Sorbisch

Um das Sorbische am Leben zu halten, fehlen Lehrer. Die Universität Leipzig will Nicht-Muttersprachlern das Studium der Sorabistik ermöglichen

„Ich wollte schon immer Lehrerin werden“, sagt Božena Hoyer. Die 23-Jährige studiert im 6. Semester Sorabistik an der Universität in Leipzig. Ihre Muttersprache ist Sorbisch, erst im Kindergarten und in der Schule hat sie Deutsch gelernt. Die junge Frau, die drei Brüder hat, ist sehr heimatverbunden, fährt oft nach Hause nach Jeßnitz in der Nähe von Bautzen. Es gibt viele Traditionen und Feiern, zum Beispiel das Maibaumwerfen. In Leipzig leben viele sorbische Studentinnen und Studenten gemeinsam auf einer Etage in einem Wohnheim. Die meisten von ihnen kennt Božena Hoyer von früher, zum Beispiel vom Gymnasium in Bautzen.

Das Institut für Sorabistik (Institut za sorabistiku) ist einmalig in Deutschland und existiert seit den fünfziger Jahren an der Universität in Leipzig. Dort ist das Institut eins der kleineren: Es gibt etwa 40 Studierende in allen Jahrgängen, 4,5 Stellen für Lehrkräfte und eine Sekretariats-Halbzeitstelle. Studieren kann man hier Ober- und Niedersorbisch auf Lehramt für die spätere Arbeit an Grund- und Mittelschulen und an den beiden Gymnasien in Bautzen und in Cottbus. Außerdem bildet das Institut Nachwuchs in der sorabistischen Forschung aus, in der Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft.

In Brandenburg lernen momentan gut 1600 Schüler Sorbisch, auch Wendisch genannt, in Sachsen noch knapp 2500. Hier hat sich die Zahl der Kinder mit Sorbisch als Muttersprache in den vergangenen 20 Jahren etwa halbiert. Bei der Deutschen Unesco-Kommission ist Sorbisch als gefährdet eingestuft.

Die meisten Studierenden kommen von den beiden sorbischen Gymnasien

Rund 100 Lehrer und Schulleiter an den sorbischen Bildungseinrichtungen gehen bis 2025 in den Ruhestand, eine lange absehbare Entwicklung, die jetzt zu Problemen führt. Es gibt nicht genügend Nachwuchs. Eduard Werner, geschäftsführender Direktor am Institut für Sorabistik: „Das ist eine Facette der Kurzsichtigkeit in der Bildungspolitik, Minderheiten trifft es immer zuerst.“ Jahrelang sei zu wenig investiert worden, das räche sich nun.

Im Wesentlichen kommen die Studentinnen und Studenten von den beiden sorbischen Gymnasien, dem niedersorbischen in Cottbus und dem obersorbischen in Bautzen. Das sind drei bis vier künftige Lehrerinnen und Lehrer pro Jahrgang, zu wenig bei den vielen Lehrkräften, die in Ruhestand gehen. Deshalb wurde jetzt beschlossen, dass auch sogenannte Null-Sprachler das Studium der Sorabistik aufnehmen können. Also Leute, die kein Wort Sorbisch sprechen. Auch Bewerber mit Tschechisch- oder Polnischkenntnissen kommen infrage.

Die beiden sorbischen Sprachen unterscheiden sich gravierend, in etwa wie Niederländisch und Deutsch. Man versteht ein bisschen etwas, aber mehr auch nicht. Obersorbisch wird in der Bautzener Gegend gesprochen, von den Leipziger Studenten meistens als Muttersprache. Niedersorbisch lernen viele an der Schule, vor allem am Gymnasium in Cottbus. Am Institut in Leipzig wird beides gelehrt.

Auch das Uni-Institut braucht zusätzliche Lehrkräfte

Dass Null-Sprachler das Studium aufnehmen, ist an sich kein Problem, das gibt es bei anderen Sprachen auch. Zum Schluss steht immer die perfekte Sprachbeherrschung. Aber es bedarf mehr Lehrkräften, denn natürlich ist es ein Unterschied, ob jemand Sorbisch als Muttersprache spricht oder an der Schule als Zweitsprache erworben hat oder eben nicht.

Institutsleiter Eduard Werner hat selbst zunächst in Bonn Slawistik und Indogermanistik studiert und sich dann auf Sorbisch spezialisiert. Zu Hause in Leipzig spricht er mit den Kindern Sorbisch, seine Frau, eine Litauerin, spricht mit ihnen in ihrer Muttersprache.

Klar ist, Null-Sprachler brauchen mehr Zeit fürs Studium, Zeit, um die Sprache überhaupt erst einmal zu erlernen. Das Institut seinerseits benötigt mehr Lehrkräfte. Das ist auch eine politische Entscheidung. Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange war mit ihrer brandenburgischen Amtskollegin Martina Münch (beide SPD) vor Kurzem am Institut in Leipzig. Versprochen wurde vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst eine auf drei Jahre angelegte halbe Stelle für obersorbische Sprachpraxis, das wären zwölf Wochenstunden. Eduard Werner hofft, dass es damit schon ab Oktober losgeht.
Mehr im Internet:

https://sorb.philol.uni-leipzig.de

Heidrun Böger

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