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Schule: Hamburg plant Grundschule bis Klasse 6

Protest gegen Pläne zu radikaler Schulreform

Hamburger Eltern und Lehrer protestieren gegen die geplante Grundschule bis zur 6. Klasse und die entsprechende Verkürzung der Zeit an weiterführenden Schulen. Der Elternrat der Gymnasien spricht von „Realsozialismus“, der Lehrerverband von der „Zerschlagung des Gymnasiums“. Tatsächlich könnte Hamburg unter einer schwarz-grünen Koalition vor einer radikalen Schulreform stehen. Ab 2010 soll es statt der bisher vierjährigen Grundschule eine sogenannte Primarschule geben. Nach der 6. Klasse stehen den Schülern künftig nur noch zwei Schularten offen: die ebenfalls neue „Stadtteilschule“, an der Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie Wirtschaftsgymnasien zusammengefasst werden, und das Gymnasium. Auch Stadtteilschulen sollen begabten Schülern das Abitur ermöglichen.

Die geplante Primarschule hat eine Grundstufe von der Vorschule bis zur 3. Klasse und eine Unterstufe bis zur 6. Klasse. Wie aus einem Papier zu den Koalitionsverhandlungen hervorgeht, wird die neue Schulart in drei Formen geplant: Die „siebenjährige“ Primarschule beginnt mit einer Vorschulklasse und geht bis zur 6. Klasse. Eine zweite Form sieht vor, dass die Schüler die Grundstufe „am Standort der Primarschule“ und die Unterstufe an einer kooperierenden Stadtteilschule oder einem Gymnasium absolvieren. Das dritte Modell wird „Langformschule“ genannt: Sie umfasst die siebenjährige Primarschule „gemeinsam mit einer Stadtteilschule oder einem Gymnasium“. Die Form der Primarschule wird von Bildungskonferenzen „je nach den regionalen Gegebenheiten“ festgelegt.

Mit den drei Primarschulformen „maßt sich der Staat an, schon vor der ersten Klasse zu entscheiden, was aus den Kindern wird“, kritisiert Roland Buttler, Vorsitzender der Vereinigung der Elternräte an Gymnasien. Primarschulen, die in Gymnasien übergehen oder mit ihnen kooperieren, würden sicherer zum Abitur führen als die anderen Formen. „Realsozialistisch“ sei auch die geplante Abschaffung des Elternwahlrechts. Denn künftig soll allein die Lehrerkonferenz in der 6. Klasse darüber entscheiden, ob ein Kind „die Leistungsvoraussetzungen“ für das Gymnasium erfüllt.

Die siebenjährige Grundschule lehnt Buttler auch mit Verweis auf die Studie des Berliner Erziehungswissenschaftlers Rainer Lehmann (Humboldt-Universität) ab. Lehmann hat wie berichtet herausgefunden, dass leistungsstarke Schüler unter den jetzigen Bedingungen weniger lernen, wenn sie nach der vierten Klasse in der Grundschule bleiben. Peter Albrecht, stellvertretender Vorsitzender der Hamburger Elternkammer, sieht die Reform dagegen „mit Optimismus“. Wenn die Fraktionsvorsitzende der Grün-Alternativen Liste (GAL), Christa Goetsch, wie erwartet Schulsenatorin werde, „sind wir zuversichtlich, dass sich die Fehler der Berliner Grundschule nicht wiederholen“. Schließlich sei Goetsch 17 Jahre lang Lehrerin und anschließend in der Lehrerbildung tätig gewesen.

Für Matthias Oehlrich, Vorsitzender des Hamburger Lehrerverbandes, bedeutet die siebenjährige Primarschule indes „die Zerschlagung des Gymnasiums“. Die Gymnasien würden ihre Schüler zu spät bekommen, um etwa altsprachliche, musische oder bilinguale Profile umsetzen zu können. Auch für die Stadtteilschulen „wird es ein Riesenproblem, wenn lernschwache Schüler zu Beginn der Pubertät in eine neue Gruppe verpflanzt werden“.

Oehlrich glaubt, „dass in Hamburg die Bildung auf dem Altar der Wirtschaft geopfert wird“. Mit den Zugeständnissen an die GAL wolle sich die CDU eine Zustimmung zur Elbvertiefung erkaufen. Die Quittung könnte die Abwanderung leistungsstarker Schüler sein – nach Niedersachsen oder Schleswig-Holstein. Buttler erwartet einen Boom der Privatschulen. Lehrervertreter und Elternrat sind von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) „enttäuscht“, der versprochen habe, das Gymnasium nicht anzutasten.

Elternvertreter aus dem bürgerlichen Stadtteil Alsterdorf fordern, sich mehr um eine inhaltliche Schulreform zu kümmern. Die vor allem von der GAL propagierte Chancengleichheit für Kinder jeglicher Herkunft könnte besser durch individualisierten Unterricht und Binnendifferenzierung erreicht werden. Mit der geplanten Reform würden „alle Schüler gleich schlechte Chancen haben“. Das Vertrauen in die „Fortbildungsoffensive“ fehle. Amory Burchard

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