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Zwei Schülerinnen arbeiten im Klassenraum gemeinsam an einem Laptop.

© Daniel Reinhardt/dpa

Schule im Zeitalter der Digitalisierung: Digitale Lehrkonzepte statt neuer Endgeräte für alle!

Bei der Digitalisierung der Schulen läuft vieles falsch, meint unser Gastautor. Und schreibt, was Schulen in der Post-Corona-Zeit wirklich brauchen.

Die Covid-19-Pandemie macht deutlich, was in den vergangenen Jahren bei der Debatte um die Digitalisierung im Bildungsbereich versäumt wurde. Anstatt über die Entwicklung digitaler Lehrkonzepte zu diskutieren, stand die technische Ausstattung an erster Stelle. Viele Schulen sind und waren in der aktuellen Krise maßlos damit überfordert, Unterricht in geeigneter digitaler Form anzubieten. Stattdessen werden Arbeitsblätter eingescannt, E-Mails mit neuen Aufgaben verschickt und Präsentationen abgefilmt.

Zum Ende des aktuellen Schuljahres in etlichen Ländern stellt sich die Frage: Welche Weichen müssen jetzt im Bildungssektor gestellt werden, um künftig besser für Krisen wie die Corona-Pandemie gerüstet zu sein? Die Verschnaufpause in den großen Ferien könnte jetzt intensiv für die Vorbereitung des kommenden Schuljahres genutzt werden. Dazu im Folgenden konkrete Vorschläge.

Den Fokus endlich auf die Lerninhalte lenken

Erst der Digitalpakt Schule, jetzt das 550-Millionen-Euro-schwere Sonderprogramm der Bundesregierung für mehr Endgeräte an den Schulen: Seit Jahren führt die Debatte über die Digitalisierung im Bildungsbereich am eigentlichen Kernthema vorbei. Sobald es um Investitionen geht, wird in erster Linie über Endgeräte und Breitbandausbau gesprochen. Damit schaffen wir zwar die notwendigen Voraussetzungen, kommen auf diese Art und Weise jedoch nicht bei den Inhalten an. Die Diskussion muss weitergedacht und endlich dahingehend geführt werden, wie digitale Lerninhalte sinnvoll gestaltet werden können.

Ein Porträtbild von Peter Liggesmeyer.
Peter Liggesmeyer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering (IESE).

© Promo/Fraunhofer IESE

[Der Autor ist Informatik-Professor an der Technischen Universität Kaiserslautern, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering (IESE) in Kaiserslautern und ehemaliger Präsident der Gesellschaft für Informatik

Lernmittelfreiheit für digitale Endgeräte

Sofern Unterricht in digitaler Form stattfinden soll, müssen Schüler und Lehrkräfte natürlich mit ausreichend Endgeräten ausgestattet werden. Auch eine vernünftige Bandbreite gehört zur notwendigen Grundinstallation in den Schulen. Jedoch muss hier genau abgewogen werden, wie hoch der Bedarf an zusätzlichen Geräten in den Schulen tatsächlich ist. Forderungen nach flächendeckenden Klassensätzen sind herausgeworfenes Geld. Denn: Längst nicht jeder Schüler und jede Schülerin benötigen ein zusätzliches Tablet. Nur diejenigen, die sich kein eigenes Endgerät leisten können, sollten unterstützt werden und sich die entsprechende Hardware ausleihen können. Das spart nicht nur Geld, sondern gibt vor allem notwendige Ressourcen für die Entwicklung digitaler Lehrkonzepte frei.

Berichte zu Schulschließungen und Homeschooling

Analoges und digitales Lernen im Bildungssystem verankern

In vielen Schulen in Deutschland herrscht eine traditionelle Geisteshaltung im Sinne einer humanistischen Bildung vor. Diese geht häufig mit einer geringen Digital-Affinität einher, die den Wandel hin zu neuen Lehrkonzepten behindert. Die digitale Vermittlung von Bildung darf nicht zur vorübergehenden Zwischenlösung in Zeiten der Corona-Krise verkommen. An einer sinnvollen Verknüpfung analoger und digitaler Lehrinhalte wird auch in der Post-Corona-Zeit kein Weg vorbeiführen. Das sogenannte „Blended Learning“ muss sich in der DNA der Schulen verankern.

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Digitale Lehrmethoden wissenschaftlich untersuchen

Nicht jedes Schulfach eignet sich in gleicher Weise für den Einsatz digitaler Lehrmethoden. In vielen Fällen können digitale Medien jedoch einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Lernstoff greifbarer und anschaulicher zu vermitteln und so die Begeisterung der Schüler für neue Themen zu wecken. Um herauszufinden, wann digitale Lehre sinnvoll ist und wann nicht, bedarf es nun einer umfangreichen wissenschaftlichen Analyse der entsprechenden Lehrkonzepte. Die Forschungserkenntnisse sollten dann wiederum Eingang in den Schulalltag finden.

[Lesen Sie auch unser aktuelles Interview mit Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien zur Schule nach den großen Ferien: "Ich mache nicht mit beim Lehrerbashing"]

Informatik als feststehendes Schulfach

Nicht erst die Pandemie macht deutlich, dass Unternehmen ohne gut ausgebildete IT-Fachkräfte schlecht für die Krise gerüstet sind. Nur wenn Informatik schon von frühauf im Bildungssystem verankert ist, können Schülerinnen und Schüler eine grundlegende Kompetenz in diesem Fachbereich aufbauen und sich so frühzeitig für MINT-Berufe begeistern lassen. Die Coronakrise könnte hier als Katalysator dienen und der Informatik endlich zu dem Stellenwert verhelfen, den sie verdient – den einer Kulturtechnik wie Rechnen, Lesen und Schreiben.

Peter Liggesmeyer

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