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Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende.

© DGB/Simone M. Neumann

Schulfach Wirtschaft: Bildungspolitisches Märchen

Ein eigenes Schulfach Wirtschaft ist unsinnig, schreibt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack in einem Meinungsbeitrag für den Tagesspiegel. Wirtschaft brauche immer den Kontakt zu anderen Fächern.

Die Wirtschaft warnt: Unserer Jugend mangele es an ökonomischer Bildung. Es drohe eine Generation volkswirtschaftlicher Analphabeten aufzuwachsen. Deshalb müsse dringend ein eigenständiges Schulfach Wirtschaft in den in den Lehrplänen verankert werden, fordern seit Jahr und Tag nimmermüde die Arbeitgeberverbände.

Die Klage über die vermeintliche Wirtschaftsferne der Schulen ist jedoch ein bildungspolitisches Märchen. Sämtliche Bundesländer haben in den vergangenen zehn Jahren systematisch die ökonomische Bildung ausgebaut, sei es durch höhere Stundenkontingente, eine verbesserte Berufsorientierung, vielfältige Praktika oder neue Lehrpläne. Nicht zuletzt durch die Gründung von Schülerfirmen haben heute auch unternehmerische Perspektiven in der Schule ein größeres Gewicht. Nahezu flächendeckend gibt es Fächerverbünde wie Wirtschaft/Politik oder Wirtschaft-Arbeit-Technik.

Wirtschaft ohne Politik kann es nicht geben

Ein eigenständiges Schulfach Wirtschaft würde bedeuten, diese Fächerverbünde auseinanderzureißen und gesellschaftliche Zusammenhänge auf einzelne Fächer zu verteilen. Das wäre ein echter Irrweg. Ökonomische Bildung lässt sich nicht auf eine reine Volkswirtschafts- oder Betriebswirtschaftslehre reduzieren. Märkte lassen sich nur dann wirklich erfassen, wenn neben ökonomischen auch politische, soziale, ökologische und ethische Fragen in den Blick genommen werden. Welchen Ordnungsrahmen brauchen Märkte? Welche Gestaltungsspielräume hat der Sozialstaat, die politisch ausgehandelt werden? Wie hängt die private Alterssicherung mit Finanzspekulationen zusammen? Sind Wohlstand und Vermögen in unserer Gesellschaft gerecht verteilt? Wie steht es mit der Ausweitung von prekärer Beschäftigung in Deutschland?

Wirtschaft ohne Politik kann es nicht geben. Oder sollen künftig die Schülerinnen und Schüler im Wirtschaftsunterricht die Vorzüge eines vermeintlich effizienten Marktes kennenlernen, in Gemeinschaftskunde anschließend die Fehlentwicklung betrachten und sich in der großen Pause ein Gesamtbild stricken?

Ein umfassendes Bild von der Arbeitswelt vermitteln

Bezeichnend ist, dass in den meisten Vorschlägen für ein Fach Wirtschaft die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern allenfalls ein Schattendasein fristen. Dabei wird die große Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler auch in Zukunft als abhängig Beschäftigte auf dem Arbeitsmarkt sein. Es ist deshalb wichtig, dass sie ein umfassendes Bild von der Arbeitswelt bekommen. Nur so können sie ihre eigenen Vorstellungen von einem guten Leben und guter Arbeit entwickeln sowie ihre Anforderungen an die Arbeitswelt formulieren.

Wenn die Bundesländer zudem in Zukunft für jedes gesellschaftlich wichtige Thema ein gesondertes Fach einrichten, droht eine Zersplitterung des Stundenplans. Schon heute fordern verschiedene Lobbyisten für ihre ureigenen Interessen eigenständige Fächer: Medienkunde, Ernährung, Verbraucherbildung und Glück sollen auf dem Stundenplan stehen. Und neu kommt hinzu: Es soll ein eigenes Fach Programmiersprache geben. Aber welche Lehrkräfte sollen und können dieses Fach unterrichten?

Pegida zeigt, wie wichtig politische Bildung ist

Ein eigenes Schulfach kann ohnehin nur eingeführt werden, wenn an anderer Stelle gestrichen oder gekürzt wird: Können wir es uns wirklich erlauben, in Mathematik, Naturwissenschaften oder Deutsch und Englisch die Stundenzahlen zu kürzen? Welchen Stellenwert hat in Zukunft die kulturelle Bildung an unseren Schulen? Ist ökonomische Bildung wirklich wichtiger als politische Bildung? Und zeigen uns die Debatten über die Dresdner Pegida-Bewegung und die vermeintliche „Lügenpresse“ nicht, wie wichtig gerade politische Bildung an unseren Schulen ist? Wer ein eigenes Fach Wirtschaft fordert, muss auch sagen, welche Fächer oder Inhalte dann weichen sollen. Diese Frage beantworten die Arbeitgeberverbände leider nicht.

Wie man es auch dreht und wendet: Wir brauchen keine Zerstückelung der Bildung in immer kleinere Häppchen und Kleinstfächer. Notwendig ist das Lernen in Zusammenhängen – auch deshalb weist die Diskussion um ein eigenes Schulfach Wirtschaft in die falsche Richtung.

Elke Hannack

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