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In Berlin und Brandenburg veränderten viele Lehrer den Unterricht.

© Kai-uwe Heinrich

Schulinspektionen und Leistungstests: Berliner Lehrer nehmen "Vera" ernst

Bildungsforscher untersuchen die Auswirkungen von Leistungstests und Schulinspektionen auf die Gestaltung des Unterrichts. In Berlin entwickelten 55 Prozent der Lehrkräfte nach den Ergebnissen von "Vera" neue Materialien.

Große Erwartungen setzt die Politik in die Wirkung von Vergleichsarbeiten und Schulinspektionen, viel Geld gibt jedes Bundesland für diese Instrumente der sogenannten neuen Steuerung aus. Grund genug für das Bundesministerium für Bildung und Forschung, um seinerseits ebenfalls Geld in die Hand zu nehmen und untersuchen zu lassen, was die teuren und teilweise auch umstrittenen Instrumente bewirken. Jetzt liegen erste Zwischenergebnisse des auf zwölf Universitäten verteilten Forschungsschwerpunkts „Steuerung im Bildungswesen“ vor.

Optimistisch stimmen vor allem die Befunde, die FU-Bildungswissenschaftlerin Felicitas Thiel am Mittwoch in Berlin vorstellte. Demnach ergab eine repräsentative Online-Befragung von Berliner und Brandenburger Schulleitern und Fachkonferenzleitern, dass zwei Drittel der Schulen auf Grundlage der Ergebnisse der Vergleichsarbeiten in Klasse 8 (Vera 8) die Schüler-Einzelförderung verstärken. Ein Großteil der Lehrer entwickelt neue Materialien (55 Prozent) oder verändert Unterrichtsmethoden (41 Prozent).

Ähnliches gilt für die Schulinspektionsberichte. Auch ihre Ergebnisse werden offenbar von vielen Schulen ernst genommen. Die Befragten gaben an, dass sie ihre Unterrichtsentwicklung danach ausrichten (67 Prozent) oder ihre Arbeit am Schulprogramm (54 Prozent). Auch die Schulleiter selbst fühlen sich durch die Inspektionsberichte aufgerufen, ihre Arbeit zu verbessern (53 Prozent). Dem gegenüber steht allerdings der Befund, dass über zwei Drittel der Befragten den Aufwand für Inspektionen und Vergleichsarbeiten als „zu hoch“ einschätzen. Mit Bedauern nahmen die Forscher zur Kenntnis, dass weniger als die Hälfte der Schulleiter die Ergebnisse der Evaluationsdaten in Mitarbeitergesprächen thematisiert. Auch regelmäßige Unterrichtsbesuche durch die Schulleiter fänden zu selten statt (51 Prozent). Zudem sehen sich 60 Prozent der Schulleiter aufgrund ihrer Überlastung außerstande, Fortbildungskonzepte für Kollegen auf Grundlage der Befunde zu erarbeiten.

Dass es offenbar länger dauert, bis die Ergebnisse von Schulinspektionen „innerschulische Wandlungsprozesse“ auslösen, gehört auch zu den Befunden einer Befragung in Hamburg und Thüringen: Vier Monate nach Bekanntgabe der Inspektionsergebnisse verneinten 90 Prozent der Lehrer die Frage, ob sich ihr Unterricht bereits verbessert habe. Zudem gab über die Hälfte an, dass die Ergebnisse der Inspektionen lediglich „ausgelegt“, also nicht vor einem größeren Forum vorgestellt wurden, berichtete Kathrin Dedering von der Universität Vechta.

Harm Kuper, FU-Dekan für Erziehungswissenschaft und Psychologie, konstatierte aufgrund einer Untersuchung an 24 Gymnasien in Berlin, Brandenburg, Baden-Württemberg und Thüringen, dass Lernstandserhebungen wie Vera 8 auch deshalb „grundsätzlich positiv“ zu bewerten seien, weil sie den Schulen Anhaltspunkte in Form der landesweiten Mittelwerte lieferten. Es hänge allerdings von den Akteuren ab, ob die Lehrer die Ergebnisse nutzten. Insbesondere den Pädagogischen Koordinatoren komme dabei eine große Bedeutung zu.

Insgesamt könne man zwölf Jahre nach Pisa sagen, dass es „viele kleine positive Effekte“ gebe, die sich aus den verschiedenen Instrumenten ergeben hätten. Dazu gehöre, dass Lehrer die Vera-Aufgaben als „Impuls“ für den Unterricht aufnähmen. Nicht beabsichtigt sei allerdings, dass die Vergleichsarbeiten benotet würden oder dass die Ergebnisse für ein Schulranking benutzt würden, betonte Kuper.

Olga Zlatkin-Troitschanskaia von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz bedauerte, dass der Umgang mit Schulleistungsdaten im Lehramtsstudium noch nicht gelernt wird. Ihre Untersuchung an 120 Schulen in Rheinland-Pfalz kam denn auch zu dem Ergebnis, dass die Ergebnisse von Vergleichsarbeiten und Schulinspektionen „verhältnismäßig wenig rezipiert“ werden und sich nur in „geringem Maße“ im Schulalltag niederschlagen.

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