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Ein grauhaariger Lehrer betritt ein Lehrerzimmer.

© Julian Stratenschulte/picture alliance/dpa

Update

Schulleitungen verlieren die Motivation: Lehrkräftemangel, Coronafrust - und erste digitale Fortschritte

Die Arbeitsmotivation von Schulleitungen sinkt. Fehlende Lehrkräfte sind der Hauptgrund dafür, zeigt eine VBE-Umfrage. Der Bundespräsident spricht ihnen Mut zu.

Deutschlands Schulleitungen geht es in der Coronakrise nicht gut. Die Hälfte (52 Prozent) sagt, dass sich ihre Arbeitsmotivation seit März 2020 zum Negativen verändert hat, positiver ans Werk gehen nur vier Prozent. Bei jungen Schulleiterinnen und Schulleiter unter 40 Jahren sind sogar 62 Prozent weniger motiviert.

„Corona und die Corona-Maßnahmen“ sieht aber nur gut ein Drittel (33 Prozent) als größtes Problem an ihrer Schule. An Platz eins beim Jobfrust steht der Lehrkräftemangel mit 46 Prozent der Nennungen (Mehrfachnennungen waren möglich), auf Platz drei folgen Arbeitsbelastung und Zeitmangel (31 Prozent), auf Platz vier Probleme bei der Ausstattung der Schule, vor allem im Hinblick auf die Digitalisierung (27 Prozent).

Das sind zentrale Ergebnisse einer Umfrage im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Befragt wurden von Mitte September bis Ende Oktober dieses Jahres bundesweit 1300 Schulleiter:innen in computergestützten Telefoninterviews des Meinungsforschungsinstituts forsa. Die Umfrage wurde am Freitag beim Deutschen Schulleitungskongress in Düsseldorf präsentiert.

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der dem Kongress per Video zugeschaltet war, hielt den Rektor:innen die Aussage eines Kollegen an einer Sekundarschule Werne an der Lippe vor: Schulleiter, das sei „der geilste Job der Welt“. Er kenne viele Schulleiterinnen und Schulleiter, die ihre Arbeit mit dieser zuversichtlichen und zupackenden Haltung angehen, betonte Steinmeier.

"Eine solche Haltung tut jeder Schule gut, aber ich finde, wir könnten sie auch in der Schulpolitik gut gebrauchen – nicht nur jetzt, mitten in der vierten Welle, sondern auch in der Zeit danach." Steinmeier warb ebenfalls für eine größere gesellschaftliche Wertschätzung der Arbeit von Schulleitungen. Auch das würde den Beruf attraktiver machen.

Ärger mit der Bürokratie nennen lediglich 14 Prozent als größtes Problem an ihrer Schule. Immerhin haben sie dem bekanntermaßen bürokratischen Antrags- und Bewilligungsverfahren im Digitalpakt einiges abgewonnen. So verfügen aktuell 71 Prozent über Klassensätze an digitalen Endgeräten für die Schülerinnen und Schüler in einem Teil der Klassen.

54 Prozent haben Wlan für alle Klassen

Geräte für alle Klassen haben aber nur sieben Prozent der Befragten. 22 Prozent konnten gar keine Klassensätze für ihre Schule organisieren. Das war der Vorgängerumfrage für 2020 zufolge allerdings bei 63 Prozent der Befragten der Fall. Breitbandinternet und Wlan in allen Klassen- und Fachräumen haben heute immerhin 54 Prozent der teilnehmenden Schulen, 2019 waren es erst 36 Prozent.

Tablets liegen in einer Grundschule vor einer Klasse.
Der Traum von Tablet-Klassensätzen hat sich bei weitem nicht für jede Schule erfüllt.

© picture alliance/dpa

Genauer gefragt wurde unter anderem nach fehlendem pädagogischen Personal. In diesem Jahr hatten 63 Prozent der Rektor:innen mit Lehrkräftemangel und unbesetzten Stellen zu kämpfen, 2018 waren es mit 36 Prozent deutlich weniger. Aktuell ist der Mangel an den Förderschulen, wo 74 Prozent der Schulleiter:innen akut auf Personalsuche sind, am größten. Entsprechend geben 75 Prozent der Befragten an dieser Schulart an, momentan Seiteneinsteiger ohne Lehramtsqualifikation zu beschäftigen. Im Schnitt aller Schularten sind es 58 Prozent.

Wo noch Nachholbedarf besteht, zeigt auch die Frage nach der Qualifikation der Lehrkräfte. Sehr gut oder gut auf das digitalgestützte Unterrichten vorbereitet sehen nur 45 Prozent der Schulleitungen die Lehrkräfte in Deutschland, weniger gut 38 Prozent und schlecht neun Prozent. Besser sieht es bei der Weiterbildung aus: 46 Prozent der Rektor:innen sagen, dass 2021 fast alle ihrer Lehrkräfte an Fortbildungen zur Nutzung digitaler Endgeräte teilgenommen haben. 2020 war es nur ein Viertel.

Kritik an der Ampel: Sie ignoriere den Lehrkräftemangel

Digitale Problemlagen von fehlender Ausstattung für die Digitalisierung bis zur Lehrkräfteaus- und Weiterbildung will die rot-grün-gelbe Koalition im Bund mit einem Digitalpakt 2.0 angehen. Die Umfrage zeigt einmal mehr, dass Tempo und Qualität angeschoben und angehoben werden müssen. Den gravierenden Lehrkräftemangel aber will die Koalition nicht explizit angehen.

"Die Ampelpläne für neue Schulsozialarbeiter sind zwar schön und gut, doch sie ändern an der Überlastung in der Breite nichts", kommentierte Nicole Gohlke, Bildungsexpertin und Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag. "Wenn die Lehrer und Lehrerinnen ausgebrannt sind, wie sollen sie dann bitte gute Bildung vermitteln?"

[Ein Porträt der designierten Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger finden Sie hier.]

Dass Rot-Grün-Gelb ein "Jahrzehnt der Bildungschancen" einläute, aber im Koalitionsvertrag den grassierenden Lehrkräftemangel ignoriere, passe nicht zusammen, so Gohlke. Es müsse schnellstens eine Personaloffensive für perspektivisch 100.000 neue Lehrkräfte kommen. Und das sei nur durch eine dauerhafte Mitfinanzierung des Bundes zu stemmen.

Bundespräsident: Bürokratische Hürden abbauen

Dies mahnte auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Schulleitungskongress an. Es müsse endlich gelingen, den Personalmangel an den Schulen zu beheben. "Wenn Schulen jede und jeden bestmöglich fördern sollen, wenn sie die vielen verschiedenen Menschen unserer Gesellschaft zu verantwortungsvollen Persönlichkeiten formen sollen, dann müssen wir sie auch mit den nötigen pädagogischen Fachkräften und multiprofessionellen Teams ausstatten", so Steinmeier

Auf Pläne der rot-grün-gelben Koalition für den Digitalpakt 2.0 und auf eine anstehende Föderalismusreform hin zu einem Kooperationsgebot von Bund und Ländern in der Bildung spielte Steinmeier ebenfalls an: "Wir brauchen Geld, ja, aber wir brauchen keine goldenen Zügel, die jeden Euro mit zwei Dutzend Vorschriften und haufenweise Formularen verknüpfen."

Was die Schulen bräuchten, seien "pragmatische, bewegliche und unbürokratische Lösungen – und das gilt ganz besonders mit Blick auf die Digitalisierung".

Der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann forderte für jede Aufgabe, die an die Schulen herangetragen wird, „die dafür notwendige Ausstattung und das entsprechende Personal“. Mit dem „Chancenbudget“, das alle Schulen laut Koalitionsvertrag zur Verfügung haben sollen, wird sich dies kaum erfüllen lassen.

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