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© ddp

Schwangerschaft: Chromosomen-Check vor der Befruchtung

Ein neuartiges Verfahren soll die Chancen für eine erfolgreiche Schwangerschaft erhöhen.

Oliver ist zwei Monate alt und ein ganz normales, gesundes Baby. Nur Olivers Vorgeschichte ist etwas anders als gewöhnlich. Seine Mutter ist 41 Jahre alt und hatte bereits zwei Fehlgeburten und 13 erfolglose Versuche einer künstlichen Befruchtung hinter sich. Dann ließ sie ihre Eizellen vor dem nächsten Versuch einer künstlichen Befruchtung auf Chromosomenstörungen untersuchen. Von acht Eizellen erwiesen sich nur zwei als aussichtsreich – aus einer von ihnen ist dann Oliver entstanden.

Das Baby ist das erste Kind, das nach dem neuartigen Test zur Welt kam. Als Pionier der Technik gilt der britische Frauenarzt Simon Fishel, an dessen Klinik in Nottingham sie angewendet wird. Fishel ist überzeugt, dass mit dem Verfahren die Schwangerschaftsrate bei der künstlichen Befruchtung (In-vitro-Fertilisation, IVF) verdoppelt werden kann.

Das Problem: Bei Frauen ab 40, die nicht schwanger werden können, finden sich in den Eizellen in drei von vier Fällen Chromosomenstörungen. Das heißt, dass ein Chromosom fehlt (Monosomie), verdoppelt ist (Trisomie) oder „umgebaut“ wurde. Solche Störungen sind mit wenigen Ausnahmen so schwerwiegend, dass der Embryo nicht lebensfähig ist.

Um Chromosomenstörungen rechtzeitig zu entdecken, kann man die Polkörperchen der Eizelle untersuchen. Sie sind ein von der Eizelle nicht mehr benötigtes Überbleibsel der Reifeteilung, der das vollständige Genom enthält. Eine andere – in Deutschland untersagte – Möglichkeit besteht darin, einem Embryo im Achtzellstadium zwei Zellen zu entnehmen, um diese auf Chromosomenstörungen zu „durchleuchten“.

Die bisherigen Methoden, um solche Störungen zu erkennen, haben jedoch Schwächen. So werden in der Regel nur sechs Chromosomen untersucht, nämlich jene, bei denen besonders häufig Probleme auftreten. Und bei der Untersuchung von Embryonen stellte sich in einer niederländischen Studie heraus, dass die Schwangerschaftsrate am Ende sogar niedriger war, als wenn diese Tests unterblieben. Offenbar setzt die Prozedur und die Entnahme der Zellen den Embryonen mehr zu als gedacht.

Dieses Problem wird mit der Untersuchung der Eizellen umgangen, und das neue Verfahren bietet dazu einige Vorteile. Untersucht werden alle Chromosomen in bisher ungekannter Genauigkeit. Das Ergebnis liegt nach zwölf Stunden vor. Das bedeutet, dass eine geeignete Eizelle sofort verwendet werden kann.

Entwickelt wurde die Technik von dem britischen Biotechnik-Unternehmen Bluegnome, die Methode nennt sich komparative genomische Hybridisierung und funktioniert auf der Basis von Genchips. Dabei wird unter dem Mikroskop zunächst das Polkörperchen aus der Eizelle gesaugt. Dann wird das in ihm enthaltene Erbgut (Genom) vermehrt, angefärbt und schließlich auf einen Genchip gegeben. Dieser enthält das gesamte Genom, unterteilt in große Abschnitte.

Je nach Umfang wird jedes Chromosom in 20 bis 80 Segmente unterteilt. Das macht die Analyse erheblich genauer. Die auf den Chip gegebene Erbinformation der Eizelle koppelt sich an die passenden Abschnitte des Genoms. An der Färbung lässt sich ablesen, ob das Genom intakt ist oder Störungen vorhanden sind. Dabei fungiert das Polkörperchen als „Spiegelbild“ der Eizelle: hat es ein Chromosom zu viel, fehlt dieses dem Ei.

Der Eizell-Experte Markus Montag von der Universitätsfrauenklinik Bonn überprüft im Auftrag der Europäischen Gesellschaft für menschliche Reproduktion und Embryologie den Erfolg des neuen Verfahrens. Montag rechnet zwar nicht, wie sein britischer Kollege Fishel, mit einer Verdopplung der Schwangerschaftsraten, ist aber ebenfalls optimistisch.  „Wir werden die Chancen erhöhen können“, sagt er.

Auch Heribert Kentenich, Reproduktionsmediziner an den DRK-Kliniken in Berlin, setzt auf das Verfahren. Allerdings macht er Einschränkungen: „Die Methode muss geprüft werden, außerdem sollten sicherheitshalber beide Polkörperchen getestet werden.“ Das sei bislang nicht der Fall. Und schließlich kann der Test natürlich keine Aussage über das Genom der Samenzelle machen.

Noch kostet der Test mit dem Genchip mehr als 2000 Euro, Krankenkassen zahlen solche Untersuchungen nicht. Markus Montag hofft jedoch, dass der Preis deutlich fällt, wenn die Methode sich durchsetzt. Es könnte sein, dass Kinder wie Oliver irgendwann keine Seltenheit mehr sind. Hartmut Wewetzer

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