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Schwangerschaft

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Schwangerschaft: Das gläserne Baby

Schwangere werden heute intensiv ärztlich betreut. Was bringen Ultraschall, Genchips und Blutzuckeruntersuchungen?

Diese neun Monate sind eine spannende Zeit, in jeder Hinsicht. Neben der Vorfreude auf das Baby treibt werdende Eltern auch die Sorge um, ob ihr Kind gesund geboren werden wird. Und darüber gibt es heute in einigen Punkten schon erstaunliche Klarheit, längst bevor das Kind das Licht der Welt erblickt.

Gibt es einen Verdacht auf eine erbliche Erkrankung oder eine Veränderung der Chromosomen, kann etwa Gewebe aus dem Mutterkuchen bei einer Chorionzottenbiopsie gezielt untersucht werden. Wäre es da nicht sinnvoll, bei dieser Gelegenheit gleich das gesamte Erbgut (Genom) des Feten auf genetische Veränderungen „durchzuchecken“?

Theoretisch ist das heute schon vor der Geburt möglich, mittels eines „Genchips“: Auf einem kleinen Objektträger kann das gesamte Genom aufgetragen werden, Stellen, an denen auf dieser Matrix etwas nicht oder zu viel hängen bleibt, deuten auf Veränderungen. Die Frage, ob wir damit auf dem Weg zum „gläsernen Baby“ sind, war eines der Themen beim diesjährigen Kongress für Perinatale – rund um die Geburt angesiedelte – Medizin, zu dem sich Ende letzter Woche 1000 Fachleute verschiedener Disziplinen im Berliner ICC versammelten.

„Der Genchip bedeutet auf jeden Fall eine neue Dimension in der Diagnostik“, sagte Stefan Mundlos, Genetiker an der Charité. Heute wird die Chipdiagnostik bei einigen wenigen Kindern nach der Geburt angewandt. „Bei Verdacht auf genetische Veränderungen ist das mittlerweile Standard“, berichtete Mundlos.

In der vorgeburtlichen Diagnostik kommen solche Tests aber schon deshalb nicht zur Anwendung, weil sie heute noch sehr teuer sind. Das allerdings dürfte sich bald ändern. Doch wie sollen Eltern und Ärzte mit der Fülle von Informationen umgehen, die sich theoretisch mit einem solchen umfassenden pränatalen Gencheck gewinnen lassen – und von denen vielfach noch gar nicht klar ist, welche Konsequenzen sie für das Leben des Kindes haben werden? „Wir sind noch ratlos, wie wir das lösen können“, gestand Mundlos.

Die Methode, mit der heute alle werdenden Eltern Bekanntschaft machen, ist der Ultraschall. Neben netten ersten Fotos, die sich zum Herumzeigen eignen, liefert er auch Informationen über das ordnungsgemäße Wachstum des Kindes. Und Anhaltspunkte für Fehlbildungen.

Drei solcher Ultraschalluntersuchungen werden normalerweise von den Krankenkassen bezahlt. „Jeder Frau sollte angeboten werden, einmal während jeder Schwangerschaft eine höherwertige Untersuchung nach den Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin zu haben“, forderte Bernd Joachim Hackelöer, Geburtshelfer an der Hamburger Asklepios-Klinik. So könnten nach seiner Ansicht in vielen Fällen unnötige und beunruhigende Nachfolgeuntersuchungen vermieden werden.

Dafür würden die Gynäkologen gern einen anderen Test in ihr Repertoire der Schwangerschaftsvorsorge aufnehmen: den Zuckerbelastungstest (oraler Glukosetoleranztest). Mit diesem Test, für den der Blutzucker vor und einige Zeit nach dem Trinken einer Zuckerlösung gemessen wird, wird ein Schwangerschaftsdiabetes weit zuverlässiger ermittelt als mit dem heute üblichen Urintest.

„Drei bis fünf Prozent der Frauen bekommen während der Schwangerschaft eine Zuckerkrankheit“, erläuterte Ute Schäfer-Graf vom Vivantes-Klinikum Neukölln. Für die Mütter ist das oft nur eine vorübergehende, hormonbedingte Entgleisung des Stoffwechsels, doch für das spätere Leben des Kindes ist es mit einem erhöhten Diabetesrisiko verbunden. Außerdem sind die Babys und die Geburten meist schwerer.

Viele Frauenärzte bieten den Schwangeren im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen den Zuckerbelastungstest heute als „individuelle Gesundheitsleistung“ an, die sie aus eigener Tasche bezahlen müssen. Ob der Test Aufnahme in die Mutterschaftsrichtlinien finden und damit von den Krankenkassen bezahlt werden wird, ist abhängig von einer amerikanischen Studie mit Namen „Hapo“. In dieser sollen Grenzwerte für die Behandlungspflicht ermittelt werden. Kein Wunder also, dass die Ergebnisse der Hapo-Studie mit Spannung erwartet werden. 25 000 Schwangere aus aller Welt machten dafür den Zuckerbelastungstest, wurden aber nur bei deutlich überhöhten Zuckerwerten behandelt.

Die Mediziner wollen auf diese Weise herausfinden, ob es sich lohnt, schon in leichteren Fällen einzugreifen. Beim Kongress stellte Jeremy Oats vom Royal Women’s Hospital im australischen Victoria einige der bisher unveröffentlichten Daten vor. Demnach bekamen die Frauen, deren Zuckerwerte erhöht waren, aber unterhalb der festgesetzten Behandlungsschwelle lagen, deutlich mehr übermäßig große Kinder. Diese kamen häufiger per Kaiserschnitt auf die Welt und hatten typische Veränderungen des Stoffwechsels. Die Daten könnten dazu führen, dass zuckergefährdete Frauen früher behandelt werden.

Adelheid Müller-Lissner

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