zum Hauptinhalt

Schwangerschaft: Vorsorge in der Fruchtblase

Essen Mütter während der Schwangerschaft „für zwei“, erhöhen sie das Diabetes-Risiko ihres Kindes.

Wer als dralles Barockengelchen im Kinderwagen liegt, hat es später schwer im Leben – buchstäblich: Dicke Säuglinge neigen auch im späteren Leben zu Übergewicht mit seinen Folgekrankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Leiden. Muss also die Vorbeugung bereits bei den Babys beginnen? Nein, noch früher, nämlich schon im Mutterleib.

Dies sind Erkenntnisse aus einem Forschungsgebiet, das sich mit der „perinatalen Programmierung“ von Gesundheit und Krankheit beschäftigt. „Perinatal“ bedeutet „um die Geburt herum“, das heißt, in der sensiblen Phase der vorgeburtlichen und frühkindlichen Entwicklung. Der Begriff „Perinatale Programmierung“ wurde von dem Charité-Endokrinologen Günter Döner geprägt, der schon 1973 eine Arbeit über die mögliche Bedeutung der vor- und nachgeburtlichen Ernährung veröffentlichte. Das mittlerweile international verbreitete Konzept der frühen Prägung des späteren Körpergewichts hat – wegen der Bedeutung für die Prävention – jetzt auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung aufgegriffen. Sie widmet ihm in ihrem „Ernährungsbericht 2008“ ein ganzes Kapitel, das die Charité-Geburtsmediziner Joachim W. Dudenhausen und Andreas Plagemann verantworten.

Das neue Interesse an der „Fehlprogrammierung“ im Mutterleib ist auf eine erschreckende Entwicklung zurückzuführen: Immer mehr Kinder sind übergewichtig, sogar Diabetes Typ 2 (früher „Alterszucker“ genannt) kommt bei ihnen heute schon vor. Als einen wichtigen Grund betrachten die Forscher die Tatsache, dass viele Frauen auch während der Schwangerschaft übergewichtig oder gar fettleibig sind. In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Gewichtszunahme in der Schwangerschaft um mehr als zwei Kilo erhöht. (Normalgewichtige Frauen sollen als Schwangere nicht mehr als 11,5 bis 16 Kilo zunehmen, übergewichtige nur 7 bis 11,5 Kilo, fettsüchtige sechs Kilo.)

Dicke Frauen gefährden zunächst sich selbst: Bis zu 20 Prozent der werdenden Mütter erkranken an Schwangerschafts- Diabetes und haben ein verzehnfachtes Risiko, später an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Außerdem gefährden sie ihr Kind durch „Zuckermast“ im Uterus. Der Fetus schwimmt in übersüßtem Fruchtwasser, wenn der Blutzuckerspiegel der Mutter zu hoch ist. Das Kind wird schon mit Übergewicht geboren oder per Kaiserschnitt geholt, denn durch die höhere Rate an Acht- oder Neunpfündern und damit verbundene Geburtskomplikationen verdreifacht sich die Zahl der notwendigen Schnittentbindungen.

Die von törichten Tanten bewunderten „Prachtbabys“ sind nicht wohlgenährt und kräftig, sondern überernährt und fett. Auf Vererbung kann man das nicht schieben. Eine britische Studie zeigt, dass das Milieu im Uterus von Leihmüttern das Geburtsgewicht der von ihnen ausgetragenen Kinder stärker bestimmt als das Körpergewicht der genetischen Mütter. Und mit dem zu hohen Geburtsgewicht sind die Weichen für das ganze Leben gestellt. Denn in den kritischen Phasen der Entwicklung im Mutterleib und in den ersten Lebenswochen wird der Organismus durch Überernährung dauerhaft fehlprogrammiert. Unabhängig von der genetischen Veranlagung entsteht die Prägung zu lebenslangem Übergewicht mit seinen gesundheitlichen Langzeitrisiken.

Werdende Eltern wünschen sich gesunde Kinder. Sie können aber selbst viel dafür tun, dass ihre Kinder gesunde Erwachsene werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt übergewichtigen Frauen bei Kinderwunsch, erst ihr Normalgewicht zu erreichen; Schwangeren, nicht mehr als 200 bis 300 Kalorien am Tag zusätzlich aufzunehmen und sich auf Diabetes untersuchen zu lassen; jungen Müttern rät sie, ihr Kind ein halbes Jahr lang voll zu stillen. Denn die Ersatz- Babynahrung kann die positive Langzeitwirkung der Muttermilch auf Körpergewicht und den Stoffwechsel nicht ersetzen. Rosemarie Stein

Zur Startseite