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Schweinegrippe: Impfung mit Hindernis

Patienten, die den Blutverdünner Marcumar nehmen, haben besondere Risiken bei der Impfung gegen Schweinegrippe. Doch eine Lösung zeichnet sich ab.

Es ist ein kleines Wunder. Verletzt sich ein Mensch, so hört die Wunde meist nach kurzer Zeit auf zu bluten. Das Blut gerinnt, der Körper dichtet die Wunde ab. Bei einigen Menschen muss dieses kleine Wunder aber unterdrückt werden, damit sich keine gefährlichen Blutgerinnsel (Thrombose) bilden. Diese Menschen stehen bei der Impfaktion gegen die Schweinegrippe vor einem besonderen Problem. Denn sie dürfen nicht in den Muskel geimpft werden. „Pandemrix“, der Impfstoff gegen das Schweinegrippevirus H1N1, kann laut Packungsbeilage aber nur so eingesetzt werden.

„Bei einer Injektion in den Muskel besteht die Gefahr, dass der Arzt ein Blutgefäß verletzt“, sagt Andreas Tiede, Experte für Blutgerinnungsstörungen an der Medizinischen Hochschule Hannover. Dadurch könne bei Menschen, deren Blutgerinnung gehemmt ist, ein Bluterguss entstehen. Im schlimmsten Fall könnten auch Nerven geschädigt werden. In der Fachinformation für Marcumar heißt es daher: „Intramuskuläre Injektionen dürfen aufgrund der Gefahr massiver Einblutung in die Muskulatur nicht erfolgen.“

Solche Patienten werden deswegen in der Regel „flach“, also unter die Haut, geimpft. Bei Impfungen gegen Tetanus oder die saisonale Grippe ist das Routine. Pandemrix ist für diese Art der Injektion aber nicht zugelassen. Es handelt sich keineswegs um ein Randproblem. Etwa 800 000 Menschen in Deutschland nehmen gerinnungshemmende Medikamente wie Marcumar. Das ist vor allem nach dem Einsetzen künstlicher Herzklappen, bei Vorhofflimmern oder nach dem Auftreten eines Blutgerinnsels der Fall. Viele dieser Patienten gehören also zu den Risikogruppen, für die eine Impfung besonders empfohlen wird.

Beim Paul–Ehrlich-Institut ist man sich der Problematik bewusst. „Viele Ärzte rufen uns an und fragen, wie sie vorgehen sollten“, erklärt eine Sprecherin. Eine Stellungnahme sei in Arbeit und könne hoffentlich noch vor Ende November veröffentlicht werden. Aber die Abwägung ist schwierig.

Die sicherste Variante sei eine Überbrückung mit Heparin, sagt Heinrich Körtke, Oberarzt an der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie in Bad Oeynhausen. Dabei wird die Therapie mit Marcumar kurzzeitig unterbrochen und der Patient stattdessen mit Heparin behandelt. „Heparin wirkt nur kurzzeitig“, erklärt Körtke. „Nach 24 Stunden ist es fast verschwunden. Dann kann ganz normal in den Muskel geimpft werden und einen Tag später kann der Patient wieder mit Marcumar beginnen.“

Das Vorgehen wäre allerdings aufwendig. Und Andreas Tiede rät sogar davon ab, weil während der Überbrückung das Risiko für eine Thrombose oder einen Schlaganfall steige. „Das sollte man nur für einen größeren Eingriff machen“, rät er. Vermutlich sei eine subkutane Impfung in Ordnung. „Wir machen das mit anderen Impfstoffen seit Jahren und das hat immer gut funktioniert.“ Studien deuten daraufhin, dass die Wirksamkeit von Impfstoffen dadurch nicht beeinträchtigt wird. Und auch Körtke sagt: „Ich persönlich würde mir das subkutan spritzen lassen, aber ich kann das natürlich nicht empfehlen.“ Weil der Impfstoff unter der Haut länger verharrt als im gut durchbluteten Muskel, müssten Patienten aber möglicherweise mit stärkeren Nebenwirkungen rechnen.

Die Alternative: sich entgegen der gängigen Praxis in den Muskel impfen lassen. Möglicherweise birgt diese Variante auch nicht mehr Komplikationen als eine subkutane Impfung. Darauf deutet etwa eine Studie hin, die 2006 im Fachmagazin „Vaccine“ veröffentlicht wurde. Dabei wurde 104 Patienten, die mit gerinnungshemmenden Mitteln behandelt wurden, ein Grippeimpfstoff in den Oberarmmuskel gespritzt. In 16 Prozent der Fälle traten lokale Reaktionen wie Rötung und Schwellung an der Einstichstelle auf. Das Fazit der Autoren: Zumindest für Patienten, die gut auf das Medikament eingestellt sind, komme auch eine intramuskuläre Injektion infrage. Eine andere Studie kam sogar zu dem Schluss, dass eine intramuskuläre Injektion in so einem Fall zu weniger Nebenwirkungen führt. Im Gegensatz zur ersten Studie wurde hier allerdings ein Impfstoff verwendet, der keine Adjuvantien enthielt. Gerade diese könnten aber zu stärkeren Nebenwirkungen führen.

 Kai Kupferschmidt

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