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Modell des Hauses der Zukunft an der Spree.

© Bernd Hiepe, Berlin

Science Center in Berlin: Streit um teures "Haus der Zukunft"

Die Bundesregierung baut der Wissenschaft in Berlin ein „Haus der Zukunft“. Kritiker halten das Science Center für überflüssig und befürchten, die Forschung werde politisch vereinnahmt.

Die Regierung hat kein Geld fürs Bafög? Alles eine Frage der Prioritäten, sagt der SPD-Abgeordnete Swen Schulz. Werden die Projekte des Bundes „scharf geprüft“, wird man sicher auf Einsparpotenzial stoßen. Fündig geworden ist Schulz, der im Haushaltsausschuss des Bundestages sitzt, bereits beim „Haus der Zukunft“. Der geplante Neubau, in dem die Bundesregierung ganz in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs und des Bundeskanzleramts ab 2017 eine ständige Forschungsshow zeigen will, sei „überflüssig“, ein bloßes „Prestigeprojekt“, das nicht zu den aktuellen knappen Kassen des Bundes passe. Auch die Linke würde die Pläne für das „Haus der Zukunft“ am liebsten in der Spree versenken. Die Bundesregierung wolle damit ein „Schaufenster“ schaffen, „um die Überlegenheit der deutschen Industrie auf den Weltmärkten“ auszustellen, sagt Tobias Schulze von der Linken im Bundestag.

Dass SPD, Linke und Grüne das „Haus der Zukunft“ skeptisch sehen, hat sicher auch etwas mit dessen Initiatoren zu tun. Das „Haus“ gilt als Idee der früheren Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). Die schwarz-gelbe Koalition schrieb es im Jahr 2009 in ihrem Koalitionsvertrag fest. Das Science Center soll – direkt neben dem neuen Bundesbildungsministerium – Zukunftsszenarien erfahrbar machen, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Bürger zusammenbringen und der „Außendarstellung Deutschlands“ dienen, wie das Ministerium formuliert. Ausstellungen sind geplant, Workshops und Debatten. Kritiker von links werfen der Ex-Ministerin Schavan aber vor, sie habe sich mit dem repräsentativen Bau selbst verewigen wollen, in einem „Schloss Schavan“: „Bald will jedes Ministerium so einen Trumm“, sagt einer.

Das ist Oppositionspolemik. Die Abgeordneten weisen aber erfreut darauf hin, dass das „Haus der Zukunft“ auch von der Wissenschaft nicht begeistert erwartet wird. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat im vergangenen Jahr beschlossen, sich daran nicht zu beteiligen – obwohl ihr früherer Präsident Matthias Kleiner es gemeinsam mit Schavan angeschoben haben soll.

Die Präsidenten loben, auf der Arbeitsebene wird gegrummelt

Die anderen großen Wissenschaftsorganisationen wollen zwar mitmachen. Ihre Leiter loben das Center sogar auf dessen Homepage, weil es „die Bürger zum Dialog einlädt“ (Jürgen Mlynek, Helmholtz-Gemeinschaft) und weil es an „die Öffentlichkeit bringt, wie sehr Wissenschaft unsere Zukunft prägt“ (Peter Gruss, Max-Planck-Gesellschaft). Doch auf der Arbeitsebene der Organisationen wird gegrummelt. Dort geht man davon aus, dass die Präsidenten sich der Macht des Faktischen beugen, um das Bildungsministerium nicht zu vergrätzen.

Warum so griesgrämig? Eigentlich sollte sich die deutsche Wissenschaft doch davon geehrt fühlen, dass die Bundesregierung ihr eine repräsentative Bühne im Herzen der Hauptstadt schaffen will. Das Gebäude mit seinen dynamisch angewinkelten Wänden (Entwurf: Richter und Musikowski) soll zu einem attraktiven Ort für Touristen, Berliner Schulklassen oder Seminargruppen werden. Im vertraulichen Konzeptentwurf der Unternehmensberatung Grolman Result, der dem Tagesspiegel vorliegt, werden Themen mit „individueller Relevanz“ vorgeschlagen: „Wie werde ich arbeiten? Wie werde ich reisen? Wie werde ich lernen?“

Ein Restaurant mit Außenterrasse und Spreeblick ist vorgesehen, so dass auch Besucher, die sich weniger für Wissenschaft interessieren, das „Haus der Zukunft“ genießen können. Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hat sich selbst für das nach außen offene „Haus der Zukunft“ engagiert, um den ursprünglich geplanten bloßen Verwaltungsbau der Bundesregierung zu verhindern, erklärt die Senatsbauverwaltung. Lüscher sei es um urbanes Leben im Zentrum gegangen.

Die unterfinanzierten Unis wollen jeden Cent für die Forschung

Mögen sich eines Tages auch Besucher am „Haus der Zukunft“ erfreuen – aus Sicht der DFG geht das Science Center sowohl an den Bedürfnissen der Wissenschaft als auch an ihren Aufgaben vorbei. Während der „intensiven Diskussionen“ im Senat und im Hauptausschuss der DFG sei die Frage aufgekommen, „wie sinnvoll und wie vermittelbar innerhalb der Wissenschaft ein finanzielles Engagement am ,Haus der Zukunft’ in Zeiten erhöhter Konkurrenz um Drittmittel“ ist, erklärt DFG-Sprecher Marco Finetti auf Anfrage. In anderen Worten: Die unterfinanzierten Unis wollen jeden Cent für die Forschung. Und der Leiter einer Forschungseinrichtung, der anonym bleiben will, sagt: „Wir bekommen Konkurrenz von einem Retortenbaby, während gewachsene Museen zerbröseln.“

Die Miete für das Gebäude soll sich in 30 Jahren auf 170 Millionen Euro akkumuliert haben. Um den Betrieb im „Haus der Zukunft“ aufrechtzuerhalten, sollen die Forschungsorganisationen jährlich 150 000 Euro abgeben. Das ist keine Riesensumme, erst recht nicht angesichts der üppigen Zuwächse für die Organisationen in den vergangenen Jahren.

Kenner gehen aber davon aus, dass es einen beträchtlichen Aufwand verursachen wird, regelmäßig innovative Exponate auf der großen Fläche von 3200 Quadratmetern auszustellen und immer neue publikumswirksame Veranstaltungen abzuhalten: „Die Technik veraltet ja sehr schnell. Und das Bundesministerium wird immer Neues wollen“, heißt es. Besucher kämen auch nicht von allein, man müsse den „Betrieb extrem anfeuern“.

Science Gallery: zu teuer, zu wenig Besucher

Die Max-Planck-Gesellschaft hat das ein paar Jahre mit ihrer „Science Gallery“ im Wissenschaftsforum am Berliner Gendarmenmarkt versucht. Besucher bekamen an interaktiven Bildschirmen Neues aus der Hirn- oder Atomforschung präsentiert. Aber zu wenige kamen. „Die Touristen gehen lieber in den Ampelmännchenladen daneben“, ist zu hören. Der teure Mietvertrag wurde nicht verlängert, im März wird die „Science Gallery“ aufgelöst.

Um das „Haus der Zukunft“ zu einer Attraktion zu machen und große Besucherströme anzuziehen, werden sich die Forschungsorganisationen kräftig ins Zeug legen müssen. Bislang fehlt es aber an Anreizen dafür. Die Mitarbeiter von Leibniz, Helmholtz, Fraunhofer und Max Planck empfinden eine eigene Identität. Ihr Interesse ist es, sich der Öffentlichkeit als „Marke“ zu präsentieren und nicht etwa als ein Aussteller unter anderen. Die elitäre Max-Planck-Gesellschaft etwa lässt gerade ihr traditionsreiches Harnack-Haus in Berlin-Dahlem sanieren, im Herbst soll es wiedereröffnet werden. Da könnte es wenig attraktiv erscheinen, Workshops mit erlesenen Gästen künftig im „Haus der Zukunft“ abzuhalten.

In den Organisationen wird befürchtet, dass das „Haus der Zukunft“ der eigenen Einrichtung Konkurrenz macht und andere Standorte beschädigt. Werden große Debatten bald nicht mehr in der Berlin-Brandenburgischen Akademie stattfinden? Bleiben Touristen am „Haus der Zukunft“ hängen und sind dann zu müde für das Technikmuseum? Die DFG hat ihre Aktivitäten bei wissenschaftlichen Ausstellungen in den vergangenen Jahren „deutlich verstärkt“, teilt ihr Sprecher Finetti mit. Darum sei die Frage aufgekommen, wie sinnvoll eine Beteiligung am „Haus der Zukunft“ sei. Auch gebe es inhaltliche und konzeptionelle Unklarheiten: „Wie soll das ,Haus der Zukunft' bespielt werden? Wie passt das Haus der Zukunft mit anderen Aktivitäten, vor allem einzelner Länder, zusammen?“

Leinfelder soll dem Konzept Substanz geben

Tatsächlich engagieren sich die Forschungsorganisationen schon seit langem gemeinsam für die Initiative „Wissenschaft im Dialog“, die Nachtcafés veranstaltet oder das Schiff MS Wissenschaft durch Deutschland schickt. Das Bundesbildungsministerium lässt einen „Nano Truck“ herumfahren, die Max-Planck-Gesellschaft schickt ihren „Science Tunnel“ auf Reisen. Wozu also noch mehr Geld für die Wissenschaftskommunikation ausgeben?, fragen die Kritiker. Der Konzeptentwurf gebe keine Antwort darauf, heißt es aus den Organisationen, er sei viel „zu offen“. „Das Ministerium kann im ,Haus der Zukunft' ja gescheiterte Projekte aus seiner Geschichte zeigen, teure Rohrkrepierer wie den Raumgleiter oder den Transrapid“, ätzt es aus dem Bundestag.

Vom zukünftigen Direktor des „Hauses“, wird nun erwartet, dass er ein Konzept mit Substanz vorlegt – so dass sich bald auch die DFG dafür erwärmen kann. Vorgesehen ist für die Position offenbar Reinhold Leinfelder, der frühere Chef des Berliner Naturkundemuseums. Leinfelder könnte in den Gremien aber ständig mitsamt der Wissenschaft vom Ministerium untergebuttert werden, wird aus den Organisationen geargwöhnt. Auch interessierte Unternehmen hätten intensiv darüber diskutiert, ob die Ausstellungen etwa dem Geschmack jeder neuen Regierung angepasst würden, ist zu hören. Da das „Haus der Zukunft“ direkt neben dem Bundesbildungsministerium gebaut wird, entsteht jedenfalls optisch der Eindruck, die Wissenschaft solle dort als Staatsforschung präsentiert werden.

Zu stoppen ist der Bau jedenfalls nicht mehr. Der SPD-Haushälter Swen Schulz will jetzt dafür sorgen, dass das „Haus“ „möglichst geringe Kosten verursacht“. Es stehe fortan unter „scharfer Beobachtung“, sagt er: „Wir müssen den Quatsch ja nicht noch quätscher machen.“

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