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Ein Nilpferd steht in einem Fluss mit braungefärbtem Wasser.

© Chris Dutton.

Silizium im Kot: Nahrhafter Nilpferdmist

Was afrikanische Flusspferde ausscheiden, ist Voraussetzung für das Leben in vielen Seen und Flüssen Afrikas. Doch die Tiere sind vom Aussterben bedroht.

Nur die Augen und Nasenlöcher tauchen aus den trüben Gewässern in den Savannen Afrikas auf. Das Hinterteil der Flusspferde hingegen bleibt stets unter Wasser. So lässt sich nur selten beobachten, welche Mengen Kot die Tiere in die Flüsse und Seen entlassen. Allein im Mara-Fluss im Maasai-Mara-Schutzgebiet im Süden Kenias sind es jeden Tag schätzungsweise rund elf Tonnen Exkremente.

4,1 Prozent davon sind Silizium, ein Stoff, auf den bestimmte Algen angewiesen sind, die für die Nahrungsketten der Region große Bedeutung haben. So werden allein über den Mara jeden Tag 400 Kilogramm Silizium in den Victoria-See gespült. Patrick Frings vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam und Kollegen haben nun untersucht und im Fachblatt „Science Advances“ beschrieben, wie und in welchem Ausmaß das Silizium aus den Nilpferdhinterlassenschaften die Biotope Afrikas beeinflusst.

Nahrung für Kieselalgen, die Sauerstoff produzieren

Silizium stammt ursprünglich aus der Erdkruste, aus der es im Zuge von Verwitterungsprozessen gelöst wird und vor allem von Landpflanzen aufgenommen wird, die damit Stängel und Blätter stabilisieren. Wie aber gelangt es von dort in Flüsse und Seen?

Fakt ist: Die Flüsse Afrikas transportieren relativ große Mengen Silizium in die großen Gewässer Afrikas, wie den Viktoria-, Albert-, Malawi- und Tanganjika-See. Allein über den Mara-Fluss gelangen täglich 400 Kilogramm Silizium in den Victoria-See. Vor allem Kieselalgen sind auf den Stoff angewiesen, um sich mit einer Schale aus Siliziumdioxid schützen zu können. Weltweit produzieren Kieselalgen mindestens ein Fünftel des Luftsauerstoffs. „Dabei binden sie große Mengen des Klimagases Kohlendioxid aus der Luft und reichern zusätzlich auch noch relativ viel Stickstoff an, ohne den kein Organismus auf der Erde leben kann“, erklärt Jonas Zimmermann, der am Botanischen Garten und Botanischen Museum (BGBM) der Freien Universität Berlin eine Forschungsgruppe über Kieselalgen leitet. Die Algen wiederum sind Nahrungsgrundlage für viele andere Organismen, auch aufgrund ihres hohen Stickstoff-Gehalts. „Nicht nur in den Seen Afrikas sind die Einzeller daher ein Schlüsselelement des Lebens und der natürlichen Ökosysteme“, sagt Zimmermann. Viel Silizium bedeutet also viele Kieselalgen und viele Fische.

Flusspferde sind für drei Viertel des Siliziums verantwortlich

Vom Land in die Gewässer könnte das Silizium über Staub gelangen, der in der Trockenzeit aus den Savannen in die Flüsse geweht wird. Patrick Frings, Jonas Schoelynck von der Universität Antwerpen und Kollegen aber hatten vor allem Flusspferde als Siliziumverteiler in Verdacht: Des Nachts weiden die Tiere nämlich auf den Savannen die siliziumhaltigen Pflanzen ab, gut die Hälfte der Verdauungsreste landet dann aber in den Flüssen, wo sie tagsüber im tiefen Wasser dösen.

Um diese Theorie zu überprüfen, sammelten die Forscher im und außerhalb des Maasai-Mara-Schutzgebietes Wasserproben an Orten, in deren Nähe flussaufwärts entweder Flusspferde leben oder nicht. Dazu kamen Pflanzen und Exkremente von Flusspferden. In diesen Proben analysierte GFZ-Forscher Frings dann die Zusammensetzung der Silizium-Atome und erhielt so einen „chemischen Fingerabdruck“ der jeweiligen Probe. Außerdem verglich der Forscher, wie schnell Regenwasser das Silizium aus den Exkrementen und Gräsern löst. Im Computermodell konnte der Geochemiker dann den Weg des Siliziums rekonstruieren. Demnach sind die Flusspferde für rund drei Viertel des Siliziums verantwortlich, das der Mara-Fluss zum Victoria-See trägt, spielen also eine entscheidende Rolle bei der Umverteilung des Elements von den Savannen in die großen Seen Afrikas. Noch.

Warnung vor einem Fischsterben

Denn die Zahl der Flusspferde sinkt dramatisch. Ihr Lebensraum schwindet so stark, dass die Art inzwischen auf der Roten Liste der bedrohten Arten der Weltnaturschutzunion IUCN steht. Damit aber kommt die Silizium-Pumpe ins Stottern. „Ohne Flusspferde könnten die Ökosysteme in den Seen und damit auch eine wichtige Ernährungsgrundlage der Menschen an den Ufern beeinflusst werden“, sagt Zimmermann. Ein Phänomen, das etwa die Fischer am Bodensee bereits beobachten konnten, so der Forscher: „Als dort die einfließenden Abwässer besser gereinigt wurden, verbesserte sich zwar die Wasserqualität, gleichzeitig beklagten sich aber die Fischer über einen Rückgang ihrer Fänge.“

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