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Silvana Koch-Mehrin: Zum Forschen berufen

Silvana Koch-Mehrin ließ sich am Mittwoch zum Vollmitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Europaparlaments berufen, der unter anderem die Forschungspolitik denkt und lenkt. Ein unsensibler Schritt in einer sensiblen Situation.

Die FDP-Führung reagiert mit Unverständnis, der forschungspolitische Sprecher wirft ihr Instinktlosigkeit vor, Parlamentskollegen in Brüssel spotten. Wer erwartet hatte, die FDP-Europapolitikerin Silvana Koch- Mehrin würde unauffällig agieren, nachdem ihr die Uni Heidelberg in der vergangenen Woche den Doktortitel wegen nachgewiesener Plagiate aberkannte, wird nun auf kuriose Weise überrascht. Koch-Mehrin ließ sich am Mittwoch zum Vollmitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Europaparlaments berufen, der unter anderem die Forschungspolitik denkt und lenkt. Ein unsensibler Schritt in einer sensiblen Situation. Zunächst sah es so aus, als wolle sie zwar in Brüssel bleiben, sich aber aus der Schusslinie halten. Denn schon vor der Roten Karte hatte sie die Vizepräsidentschaft des Parlaments und den Vorsitz der dortigen Liberalen niedergelegt.

Jetzt also der Forschungsausschuss. „Vielleicht lernt sie da ja wissenschaftliches Arbeiten“, lästert der Europa-Abgeordnete der Grünen, Sven Giegold. Und aus der FDP-Spitze in Berlin heißt es, Koch-Mehrins Berufung rufe Kopfschütteln hervor. „Sie setzt die politische Kategorie des Fingerspitzengefühls außer Kraft“, sagte der forschungspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Martin Neumann, Ingenieur und Professor in Magdeburg-Stendal, dem Tagesspiegel. Mit ihrer Vorgeschichte wäre sie besser im Verkehrsausschuss aufgehoben.

Koch-Mehrin sieht ihre Berufung als unspektakulär. Das sei „kein herausgehobenes Amt“, ist aus ihrem Umfeld zu hören. Sie sei bereits stellvertretendes Mitglied gewesen und werde sich weiterhin nicht um die Forschungspolitik, sondern um Telekommunikation und Internet kümmern. Aber nicht um Copy & Paste? Mit Fragen korrekter wissenschaftlicher Praxis habe der Ausschuss nichts zu tun, heißt es. Tatsächlich kümmert sich darum der Kulturausschuss, in dem es auch um Universitäten und Wissenschaft geht. Der Verlust des Doktortitels dürfte aber auch in der Forschungspolitik ein Manko sein.

Zumal Koch-Mehrins Teamkollege im Industrie- und Forschungsausschuss auch nicht gerade ein Glücksgriff ist: der ebenfalls als Plagiator verdächtigte FDP-Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis, mit dem sie jetzt den Status tauschte: Er gab seine Vollmitgliedschaft an Koch-Mehrin ab, ist nun wie zuvor sie Stellvertreter. Das habe man schon 2009 so abgemacht – „zur gegenseitigen Entlastung“, heißt es. Amory Burchard

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