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SO KLEIN WIE MÖGLICH: MINIMALFLÄCHEN: Seifenblasen – Inspiration für Brückenbauer und Architekten

Die Riesenseifenblase ist ein magischer Anziehungspunkt im Gießener „Mathematikum“. Lukas verschränkt die Arme vor seinem Sweatshirt, sein Freund Alexander zieht am Seil, und ein Ring, der zuvor in Seifenlauge eingetaucht war, fährt in die Höhe.

Die Riesenseifenblase ist ein magischer Anziehungspunkt im Gießener „Mathematikum“. Lukas verschränkt die Arme vor seinem Sweatshirt, sein Freund Alexander zieht am Seil, und ein Ring, der zuvor in Seifenlauge eingetaucht war, fährt in die Höhe. Mit einem Ruck steht Lukas in einer anderthalb Meter hohen Seifenblase. Sie reicht ihm bis über den Kopf. Als die schillernde Seifenhaut zerplatzt, tauschen die Jungs, die mit ihrer Sportgruppe aus Ettingshausen nach Gießen gekommen sind, die Rollen.

Im „Mathematikum“ können die Kinder statt eines Rings auch einen Tetraeder mit dreieckigen Grundflächen oder ein Würfeldrahtgestell in Seifenlauge tauchen. Hier bewirkt Spüli geometrische Wunder: Die Seifenhaut umspannt nicht etwa die sechs Seitenflächen des Würfels, wie man es erwarten würde. Stattdessen ist im Zentrum wie aus dem Nichts ein winziges Quadrat entstanden, von dessen vier Seiten sich Seifenhäute zu den Drahtkanten des Würfels spannen. Eine schöne Form, nach deren Anblick man die Begeisterung Albrecht Dürers teilen kann, dass nur die „Geometria … die gründliche warheyt anzeigt“.

Genau wie die Riesenseifenblase zerplatzt sie irgendwann durch Verdunstung. Als geometrische Gebilde sind Seifenhäute stabil. Ihre Oberfläche ist so klein wie möglich. Bläst man sie an, wölbt sich die Membran zwar kurz, kehrt aber danach wieder zu ihrer ursprünglichen Gestalt zurück.

Den Mathematikern haben solche „Minimalflächen“ ein neues Forschungsgebiet eröffnet, seit Harald Wente 1984 die Existenz exotischer Seifenblasen bewies, die sich selbst durchdringen. Auch für Brückenbauer und Architekten sind Seifenblasen fantastische Modelle. Frei Otto ist so zum Entwurf für das Olympiadach in München gelangt. Seine Zeltdächer seien „entstanden, nicht entworfen worden“, hat er einmal gesagt.

Die Riesenseifenblase im „Mathematikum“ wölbt sich wie ein Zeltdach nach innen. Das sieht man noch besser, wenn man sie um 90 Grad in die Horizontale dreht. Dann hängt die Seifenhaut oben genauso durch wie eine Kette, die an zwei Punkten befestigt wurde. Über diese Begrenzung der Seifenhaut, die Kettenlinie, hat Galileo Galilei jahrelang nachgedacht. Er glaubte, eine hängende Kette hätte die Form einer Parabel. Aber die Kettenlinie steigt nach außen hin schneller an: exponentiell. Selbst großen Physikern wächst die Mathematik manchmal über den Kopf. tdp

Mehr Informationen unter:

www.mathematikum.de

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