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Ska

© Abb.: SKA-Oranisation

"Square Kilometre Array": Neuer Anlauf zum Superteleskop

Hunderte Antennen in Afrika und Westaustralien sollen die Astronomie revolutionieren – möglicherweise ist Deutschland doch noch dabei.

Das soll eine Revolution werden? Man muss schon viel Fantasie haben, um in den paar Teleskopschüsseln, die im australischen Outback und der südafrikanischen Karoo-Halbwüste stehen, das spannendste Forschungswerkzeug der kommenden Jahre zu sehen. Und doch werden Radioastronomen ganz aufgeregt, wenn sie über diese Apparate sprechen. Denn damit können sie elektromagnetische Wellen aus fernen Quellen aufzeichnen und so tief ins Weltall hineinhorchen – gewissermaßen zurück in der Zeit, bis kurz nach dem Urknall, viel weiter, als es mit optischen Teleskopen möglich ist. Sie können das Entstehen der ersten Galaxien verfolgen oder das kosmische Inferno am Rande schwarzer Löcher beobachten. Der Clou besteht darin, Hunderte solcher Antennen zu errichten und dann zusammenzuschalten. So entsteht ein Verbund, der so präzise Beobachtungen ermöglicht wie ein einziges riesiges Radioteleskop mit einer Fläche von einem Quadratkilometer.

„Square Kilometre Array“ (SKA) heißt deshalb der Antennenpark, der – ausgehend von den vorhandenen Geräten – ab 2018 im südlichen Afrika und Westaustralien entstehen soll. Radioastronomen, Informatiker und Ingenieure versprechen sich davon zahlreiche Entdeckungen und technische Fortschritte, die solche Großvorhaben oft mit sich bringen. Nach einer umstrittenen Entscheidung des Bundesforschungsministeriums vom Sommer 2014 schien es, als würden deutsche Wissenschaftler davon ausgeschlossen sein. Nun bietet sich allerdings eine Chance, womöglich doch einzusteigen.

Die Forscher waren schockiert, als Deutschland sich zurückzog

Die frühere Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) war von SKA beeindruckt, 2012 hatte sich Deutschland dem Vorhaben offiziell angeschlossen. Neben den Forschungsmöglichkeiten, von denen die starke Gemeinde der hiesigen Radioastronomen profitiert hätte, wollte die Ministerin auch ausdrücklich den Standort würdigen: SKA ist das erste wissenschaftliche Großprojekt auf dem afrikanischen Kontinent. Völlig überraschend kündigte das BMBF im Juni 2014 an, Deutschland werde sich zurückziehen. Begründet wurde das mit zu hohen Kosten. Andere Großprojekte wie der Teilchenbeschleuniger „Fair“ in Darmstadt, dessen Kosten außer Kontrolle gerieten, lasteten schwer auf dem Haushalt. Das BMBF wollte kein weiteres Risiko eingehen.

Die Forscher waren schockiert. Würde Deutschland nicht mitmachen, bekämen sie keine Messzeit für die Antennen, die großen Entdeckungen würden andere machen. Industrievertreter, die auf astronomische Geräte, Datenübertragung oder dezentrale Energiesysteme spezialisiert sind, traf es gleichermaßen. Sie hätten gute Chancen gehabt, Aufträge zu erhalten. Doch die werden vorrangig an Firmen in SKA-Mitgliedsstaaten vergeben.

SKA wird nicht nur den Horizont der Astronomen erweitern

Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, und weitere Wissenschaftler wandten sich an Mitglieder des Forschungsausschusses des Bundestags. „Ich fand es spannend, dass nicht nur ein Forscher der Max-Planck-Gesellschaft zu uns kam, sondern dass es auch Nachfragen aus verschiedenen Hochschulen und der Industrie gab“, erinnert sich René Röspel (SPD). Da habe er geahnt, dass nicht nur eine kleine Expertengruppe vom Rückzug betroffen sei, sondern dieser weitreichende Folgen haben würde. Die Arbeitsgruppen der Koalitionsfraktionen in dem Ausschuss schauten sich die Sache genauer an und kamen zu einer anderen Einschätzung als das Ministerium. „Das SKA würde in unser Forschungsportfolio sehr gut hineinpassen“, sagt Philipp Lengsfeld (CDU), der ebenfalls im Forschungsausschuss sitzt. Neben den Fragen der Radioastronomie, sieht er darin auch ein spannendes Big-Data-Projekt. „Wenn die Wissenschaft auf diesen Gebieten so exzellent ist, wie wir denken und es aus der Community hören, dann sollte man genau überlegen, ob man am Rand stehen und andere vorbeiziehen lassen will.“

Tatsächlich wird SKA nicht nur den Horizont der Astronomen erweitern. Die vielen Antennen verlangen eine weitaus bessere Datenverarbeitung, als sie bisher in der Wissenschaft üblich ist. Sie werden jede Sekunde tausendmal mehr Daten produzieren, als heute in derselben Zeitspanne im Internet übertragen werden. Diese buchstäblich astronomischen Mengen müssen übertragen, analysiert und ein Teil davon gespeichert werden. Was vorerst ein Problem der Astronomen zu sein scheint, ist letztlich für alle Branchen interessant, die mit einem stetig wachsenden Informationsfluss arbeiten. Von der Experimentalphysik über die Medizin bis hin zu Wirtschaftsunternehmen. Amazon Web Services hat bereits Kooperationen mit der SKA-Organisation vereinbart, beide hoffen auf neue Methoden des Cloud Computing, um die großen Datenmengen handhaben zu können. Natürlich ist der Vergleich mit dem Kernforschungszentrum Cern nicht weit. Dort wurde von Datenspezialisten das World Wide Web ersonnen. „SKA ist der nächste Schritt“, glaubt Tim Cornwell, einer der beteiligten Wissenschaftler.

Eine zweite Chance

Ob der große Wurf wirklich wie auf Bestellung folgt, muss sich zeigen. Für die zehn Mitgliedsländer (etwa Australien, Kanada, China, Indien, Südafrika und Großbritannien) besteht zumindest die Chance, an wissenschaftlichen Erkenntnissen beteiligt zu sein wie auch an Aufträgen für den Bau der Infrastruktur. Diese werden nach dem Geo-Return-Prinzip gemäß der eingezahlten Beiträge in die einzelnen Staaten vergeben.

Womöglich ist künftig auch Deutschland wieder dabei. Ende August rief das Ministerium einen „Roadmap-Prozess für Forschungsinfrastrukturen“ aus. Dabei sollen Labore, Großgeräte oder technische Einrichtungen identifiziert werden, die für die künftige Spitzenforschung wichtig sind. Alle Anträge werden auf wissenschaftliche und wirtschaftliche Qualität geprüft. Für die Vorhaben, die es auf die Roadmap schaffen, erklärt das BMBF eine grundsätzliche Förderabsicht.

Der Radioastronom Kramer sieht seine zweite Chance gekommen: „Wir werden uns bewerben.“ Unter Führung seines Instituts wollen mehrere Forschungseinrichtungen und Hochschulen bis zum Stichtag, dem 15. Januar, einen Antrag für eine Beteiligung am SKA einreichen, kündigt Kramer an.

"Der Betrag ist mit dem Haushalt des Ministeriums zu schaffen"

Die Angst vor einer Kostenexplosion hält er für unbegründet. Für die erste von zwei Ausbaustufen sind insgesamt 650 Millionen Euro fest vereinbart. Ist das Geld alle, werden keine weiteren Antennen aufgebaut. Das SKA ist dann zwar nicht so präzise wie erhofft, kann aber trotzdem arbeiten. Für die zweite Ausbaustufe ab 2023 gibt es noch keine konkreten Zahlen. Schätzungen gehen von rund zwei Milliarden Euro aus.

Deutschland müsste in Phase 1 insgesamt gut 70 Millionen Euro Baukosten aufbringen, dazu noch anteilig Betriebskosten. „Das erstreckt sich aber über mehrere Jahre, wobei die Investitionskosten schrittweise sinken und die Betriebskosten steigen“, erläutert Röspel. „Unterm Strich steht jedes Jahr ein ähnlich großer Betrag, der nicht überdimensioniert ist und der mit dem Haushalt des Ministeriums zu schaffen ist.“

Vorausgesetzt, der Antrag wird positiv bewertet. Im Jahr 2017 will das BMBF die Entscheidung bekannt geben.

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