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Wissen: Staroperation: Kleiner, intelligenter, individueller

Die Katarakt-Behandlung hat große Fortschritte gemacht – heute gibt es Kunstlinsen nach Maß

Einem starr blickenden Blinden das Augenlicht zurückzugeben galt früher als Wunder. Heute ist die Operation des grauen Stars (Katarakt) einer der größten Erfolge der Medizin. Über den letzten Stand des immer mehr verfeinerten häufigsten Eingriffs überhaupt konnten die Augenärzte sich jetzt in Berlin auf dem Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft informieren.

Die Entwicklung bis zur heutigen Perfektion war lang und hindernisreich. Zuerst stachen Kurpfuscher den Star auf offenem Markte. Sie ließen die losgestocherte getrübte Linse, die das Sehloch, die Pupille, grau verschlossen hatte, einfach im Auge liegen und waren über alle Berge, ehe es zu Komplikationen kam.

Erst 1750 führte Jacques David die Starextraktion ein. Die undurchsichtig gewordene Linse wurde durch eine große Schnittöffnung herausgequetscht. Und dann? Sehr lange musste die Brechungsfunktion der Linse von einer dicken Starbrille notdürftig übernommen werden. Erst 1949 gelang es, Kunststofflinsen zu implantieren. Aber noch in einem Gesundheitsbuch von 1982 heißt es: „Ohne Linse kann der Mensch gut sehen, sofern eine Starbrille die Brechkraft ersetzt.“

Ein Beispiel für die auf dem Kongress beklagte Tatsache, dass neue und bessere Methoden erst nach langer Verzögerung allgemein angewandt werden. Die Entfernung der natürlichen und die Implantation der künstlichen Linse wie auch deren Form und Material wurden perfektioniert. Wenn man die alte Linse im Auge per Ultraschall zerkleinert, lassen sich die Teile absaugen: durch eine Öffnung, die nur noch drei statt vorher neun Millimeter lang ist. Weil aber das Implantat im Ganzen hinein muss, entwickelt man weiche, faltbare Linsen, die erst im Auge entfaltet werden.

Drei Gründe für die Wichtigkeit eines möglichst kleinen Zugangs nannte Ekkehard Fabian vom Augenzentrum Rosenheim: Durch kleine Schnitte, die schnell heilen, ohne genäht werden zu müssen, entstehen keine unerwünschten Veränderungen der Hornhautkrümmung (Astigmatismus), die Stabilität der Vorderkammer wird nicht gefährdet und Infektionen werden besser verhütet. Dank penibler Hygiene, desinfizierender Jodspülungen und umsichtiger Anwendung von Antibiotika sind sie ohnehin selten, gleich ob die Staroperation stationär oder – heute die Regel – ambulant stattfindet.

Und die Entwicklung geht weiter. „Wie klein sind wir heute – und wie klein können wir noch werden?“, fragte Maya Müller (Uni Lübeck). Bei der Mics-Technik (Microincision Cataract Surgery) sind die Schnitte nur zwei Millimeter lang oder noch kleiner. Da liegt aber die Grenze, schon weil die Faltlinse, die durch diese winzige Öffnung ins Auge eingepflanzt wird, Stabilität braucht.

Die moderne Staroperation wird aber nicht nur kleiner, sondern auch „intelligenter“ und individueller. Über das, was heute alles schon möglich ist, berichtete Thomas Kohnen (Uni Frankfurt/Main). Man kann einen schon vor dem Eingriff vorhandenen Astigmatismus ausgleichen, indem man eine „torische“ Linse mit unterschiedlichen, exakt berechneten Krümmungen verwendet. Durch ein passendes Linsendesign lassen sich auch Sehfehler wie Kurz- oder Weitsichtigkeit korrigieren. Multifokallinsen mit mehreren Brennpunkten können Nah- und Fernsicht zugleich verbessern. Ein Blaufilter soll Netzhautleiden vorbeugen.

Alle diese guten Eigenschaften lassen sich auch in einem ganz individuellen Kunstlinsenmodell kombinieren. Bei gutem Gelingen kann das manchen Patienten die Brille ersparen, die sie schon lange vor der Eintrübung ihrer natürlichen Linse gebraucht hatten. Kohnen erwähnte auch Linsen, die quasi akkomodationsfähig sind, das heißt, durch Bewegung kann man das Auge auf verschiedene Entfernungen einstellen.

Ebenso wie wirksame Arzneimittel können auch solche komplizierten Kunstlinsen Nebenwirkungen haben, zum Beispiel optische Erscheinungen wie Halos (Farbkreise). Und bei allen Staroperationen kann sich aus verbliebenen Zellen ein „Nachstar“ bilden, meist nach etwa zwei Jahren. Dem lässt sich aber vorbeugen, vor allem durch die Wahl des günstigsten Linsenmodells. Rosemarie Stein

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