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Sterbehilfe

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Sterbehilfe: Das letzte Wort

Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Gespräche mit Angehörigen: Viele Menschen fürchten, gegen ihren Willen am Leben erhalten zu werden. Wie man heute schon über die spätere Behandlung entscheiden kann.

Was wird aus mir, wenn ich schwer krank in einer Klinik liege und mich nicht mehr äußern kann? Wenn ich schon heute meinen Willen bekunde – gilt mein Wort im Ernstfall?

Der Bundesgerichtshof hat in einem viel beachteten Urteil von 2003 prinzipiell bestätigt: Wenn eine Patientenverfügung vorliegt, muss sie beachtet werden. Doch die Tücke steckt im Detail. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries will deshalb mehr Klarheit – und erwartet sie von einem Gesetz. Im Mai hat sich dagegen der Deutsche Ärztetag gegen eine umfangreiche Neuregelung ausgesprochen. Die Situation am Lebensende sei dafür zu komplex und zu individuell.

Hier einige Fakten, die man trotzdem festhalten kann.

WOFÜR BRAUCHT MAN  EINE PATIENTENVERFÜGUNG?

Mit einer Patientenverfügung kann man vorab festlegen, welche Behandlungen man wünscht und welchen man seine Zustimmung verweigert. Für den Fall, dass man zu einer solchen Willensäußerung nicht mehr in der Lage sein sollte. Nach einer Schätzung der Deutschen Hospizstiftung haben inzwischen 7 Millionen erwachsene Deutsche eine Patientenverfügung geschrieben oder einen fertigen Vordruck unterzeichnet. Tendenz steigend. Denn auch die Angst vieler Menschen davor, dass die medizinisch-technischen Möglichkeiten eines Tages zur sinnlosen Verlängerung des Lebens (und Sterbens) genutzt werden könnten, steigt. Und damit das Bedürfnis, sein Selbstbestimmungsrecht auch dann ausüben zu können, wenn einem die Stimme dazu fehlt.

IST EINE PATIENTENVERFÜGUNG EIN TESTAMENT?

Nein. Auch in einem Testament legt man zwar vorab fest, wie andere zu einem späteren Zeitpunkt handeln sollen – nach dem eigenen Tod. Im Unterschied dazu geht es bei der Patientenverfügung aber um Handlungen, die man sich zu Lebzeiten wünscht. Das kann im Einzelfall übrigens auch den Wunsch nach intensiven lebenserhaltenden Maßnahmen umfassen. Um die schwierige Sachlage weiter zu verkomplizieren, empfiehlt es sich, von einer Verfügung zu sprechen.

WANN SOLLTE MAN DIE VERFÜGUNG AUFSETZEN?

Ein Rat aus der Antike lautet „Memento mori“ – denk daran, dass Du sterben musst. Streng genommen gilt das in jedem Lebensalter: Nicht nur beim Motorrad- und beim Autofahren, beim Skilaufen oder beim Fallschirmspringen kann jeden ein lebensbedrohlicher Unfall treffen – und als bewusstlosen Patienten ins Krankenhaus führen. Trotzdem wird eine Verfügung meist konkreter und lebensnäher, wenn ein Mensch sie in dem Bewusstsein schreibt, an einer bestimmten tödlichen Krankheit zu leiden. Oder wenn er aufgrund seines Alters mit dem Tod rechnet. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, die Verfügung später immer wieder zu aktualisieren.

WAS MUSS DRINSTEHEN?

Wer nur notiert, er wolle „keinesfalls an Schläuchen hängen“, wird der Komplexität der modernen Medizin nicht gerecht. Wenn jemand nach einem Unfall bewusstlos ist, kann nämlich häufig nicht sofort entschieden werden, ob sein Leben zu retten oder ob sein Gehirn dauerhaft geschädigt ist. Es wird also zunächst alles versucht werden.

Erst später, in einem Stadium, in dem der Patient längst an Apparate angeschlossen ist, geht es dann um die Frage, ob das Therapieziel Lebensrettung noch angemessen und realistisch ist. Auf solche Situationen muss die Verfügung konkret eingehen. 173 Vordrucke dafür sind nach einer Erhebung des Zentrums für Medizinische Ethik in Bochum in Umlauf. „Einen Vordruck auszufüllen ist besser als nichts“, sagt die Juristin Dörte Elß, die bei der Verbraucherzentrale Berlin Menschen berät, die eine Patientenverfügung aufsetzen möchten. Wie viele Mediziner und Juristen empfiehlt sie aber, persönliche Verfügungen abzufassen. Dabei kann man sich etwa der Textbausteine bedienen, die das Justizministerium zur Verfügung stellt.

Auf jeden Fall sollten im Text Situationen genannt werden, in denen die Verfügung gelten soll. Zum Beispiel: Wenn ich infolge eines fortgeschrittenen Hirnabbauprozesses unumkehrbar nicht mehr in der Lage bin, Nahrung und Flüssigkeit zu mir zu nehmen, wünsche ich keine künstliche Ernährung. „Ganz wichtig ist auch, dass man sich mit der Frage auseinandersetzt, ob in einer solchen Lage Begleiterkrankungen behandelt werden sollen“, sagt Juristin Elß. Wer lange bettlägerig ist, bekommt zum Beispiel leicht eine Lungenentzündung, die mit Antibiotika oft gut behandelt werden kann. Aber sollte das geschehen? Oder sollte die alte Dame im fortgeschrittenen Alzheimer-Stadium einen „sanften“ Tod sterben dürfen? Das sind die Fragen, die sich heute im wirklichen Leben stellen.

WAS SOLLTE MAN NOCH TUN?

Mit einer Vorsorgevollmacht ernennt man einen oder mehrere nahe stehende Menschen zum persönlichen Anwalt und Sprecher in Gesundheitsfragen, für den Fall, dass man nicht selbst seine Meinung äußern kann. Darüber hinaus kann man dort auch bestimmen, was mit Haus und Vermögen geschehen soll – falls schon zu Lebzeiten etwas damit geschehen muss. Dann muss allerdings ein Notar hinzugezogen werden. Die Vollmacht ist eine gute Ergänzung zur Patientenverfügung – an die sich der Bevollmächtigte halten muss. „Am besten sollte man beides tun“, sagt der Palliativmediziner Gian Domenico Borasio vom Uniklinikum in München-Großhadern. „Wenn eine Patientenverfügung mit dem Arzt und dem Bevollmächtigten besprochen wurde, hat sie eine größere Chance, umgesetzt zu werden.“

WORUM WIRD GESTRITTEN?

Dass Patientenverfügungen verbindlich sind, hat der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen bestätigt. Strittig ist heute allerdings, für welche Fälle eine Patientenverfügung gelten soll. Klar ist, dass Teile unwirksam sind, die von Ärzten ungesetzliches Handeln verlangen würden – etwa aktive Sterbehilfe.

Doch dann beginnen die Schwierigkeiten. Die einen wünschen sich, dass die Reichweite der Vorausverfügungen auf die Fälle begrenzt wird, in denen der Betroffene schon unter einer Krankheit leidet, die einen unumkehrbar tödlichen Verlauf nimmt, etwa ein Krebsleiden. Diese Position wird im Gesetzentwurf vertreten, den die Abgeordneten Wolfgang Bosbach (CDU), René Röspel (SPD), Josef Winkler (Die Grünen) und Otto Fricke (FDP) vorgelegt haben. Sie führen den Lebensschutz an. Streng genommen würde ihr Vorschlag beinhalten, dass man sich auch für den Fall eines „Wachkomas“ keinen Behandlungsverzicht wünschen darf.

Gerade solche Fälle sind aber für viele ein Grund, eine Patientenverfügung aufzusetzen. Im Entwurf der Abgeordneten Joachim Stünker (SPD), Michael Kauch (FDP), Luc Jochimsen (Die Linke) und Jerzy Montag (Die Grünen) wird dem Rechnung getragen. Die Reichweite der Verfügungen soll nach Meinung der Verfechter dieser Linie nicht auf ein bestimmtes Krankheitsstadium oder gar den Sterbeprozess beschränkt werden: Auch Einwilligungsfähige können jederzeit jede Behandlung ablehnen.

Adelheid Müller-Lissner

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