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Stresstest. Eine einfache Krankschreibung reicht nicht mehr, um zu fehlen.

© picture-alliance/ dpa

Streit um Atteste an der TU Berlin: Prüfung verpassen nur noch mit Attest

Studierende, die eine Prüfung wegen Krankheit nicht antreten, müssen ihre Symptomen jetzt auch an der TU Berlin offen legen. Studierendenvertreter sind empört

Wurden Studierende der Technischen Universität Berlin kurz vor einer Prüfung krank, reichte es bislang, dass sie – wie normale Arbeitnehmer – eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreichen. Doch künftig akzeptieren die Prüfungsausschüsse diese nicht mehr. Vielmehr sollen Studierende ein Attest einreichen, in dem ihr Art oder ihre Ärztin die Symptome der Krankheit beschreibt. Auf dieser Grundlage würden die Prüfungsausschüsse entscheiden, ob ein Studierender wirklich prüfungsunfähig ist, heißt es auf der Webseite des Studierendenservice der TU.

Darf die Uni wirklich wissen, woran ein kranker Studierender leidet? An der TU löst die Frage Diskussionen aus. Vor allem Studierende sind empört. Das liege auch daran, dass die neue Regel nicht offiziell angekündigt wurde, sagt ein Mitglied der „Freitagsrunde“, der Studierendeninitiative der Fakultät für Elektrotechnik und Informatik. Schon jetzt seien Fälle bekannt, in denen die herkömmlichen Krankschreibungen abgelehnt wurden – auch wenn die Vorgabe erst ab Herbst greifen soll.

"Prüfungsamt-Mitglieder sollen über medizinische Symptome entscheiden"

Die Studierenden haben massive Datenschutzbedenken: „Es besteht die Gefahr, dass die Informationen über Krankheiten von Studierenden weiterverbreitet werden.“ Die ausführlichen Atteste („Funktionsstörungsatteste“) würden zudem Geld kosten – bis zu 50 Euro. Außerdem frage man sich natürlich, warum das Prüfungsamt besser über Prüfungsunfähigkeit urteilen können soll als ein Arzt: „Die Qualifikation der Prüfungsamt-Mitarbeiter, kompetent über medizinische Symptome zu entscheiden, ist absolut infrage zu stellen“, sagt der Studierendenvertreter.

Die TU beruft sich auf verwaltungsgerichtliche Entscheidungen. Es sei „eindeutige Rechtsprechung“, dass Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht ausreichen, um eine Prüfungsunfähigkeit festzustellen, erklärt TU-Sprecherin Steffi Terp auf Anfrage. Das Oberverwaltungsgericht Berlin urteilte 2014, ein ärztliches Attest müsse „die gesundheitlichen Beschwerden näher beschreiben und angeben, welche Auswirkungen sich daraus für das Leistungsvermögen der konkreten Studien- oder Prüfungssituation ergeben“. Dass die Regelung gerichtlich nur schwer anzufechten sein wird, geben auch Studierendenvertreter zu.

Der TU geht es um die Chancengleichheit

Laut TU-Sprecherin Terp muss der Arzt die Krankheit selber gar nicht benennen, sondern nur Symptome wie Fieber oder Bettlägerigkeit schildern, die Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit haben. Allgemeiner Prüfungsstress zähle dabei nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Prüfungsfähigkeit. Auf Grundlage der geschilderten Symptome könne der Prüfungsausschuss sehr wohl entscheiden, da er auch die Prüfungssituation kenne. Für die TU geht es dabei auch um die Chancengleichheit der Studierenden. Diese hätten eben nur eine begrenzte Anzahl an Prüfungsversuchen. Im Übrigen sei die Vorgehensweise an anderen Hochschulen in Berlin längst Praxis.

Tatsächlich ist die Regelung, die die TU jetzt einführt, an der FU und an der HU seit Langem üblich, wie es aus beiden Unis auf Anfrage heißt. Allerdings wurde darüber auch an der Humboldt-Universität heftig gestritten, und zwar bereits im Jahr 2008. Damals beschloss der Akademische Senat sogar, dass die Prüfungsausschüsse Funktionsstörungsatteste nicht mehr einfordern dürfen. Laut Steffan Baron, Leiter der Studienabteilung, wurde der Beschluss aber nie umgesetzt, da er rechtswidrig sei: „Die Rechtsprechung ist hier sehr eindeutig: Studierende haben eine Mitwirkungspflicht beim Nachweis ihrer Prüfungsunfähigkeit.“

In ihrer Rahmenprüfungsordnung hat die HU dann später festgeschrieben, dass Studierende im Fall einer Krankheit ein Attest beibringen müssen, das Auskunft über die sich aus der Krankheit ergebenden Einschränkungen gibt, sagt Baron. Die Entscheidung, ob diese zur Prüfungsunfähigkeit führen, treffe auch hier der Prüfungsausschuss. Bei Zweifeln könne dieser ein amtsärztliches Gutachten anfordern. Auch gibt es an der HU einen Vertrauensarzt, an den sich Studierende wenden können. Baron sind aber keine Fälle bekannt, wo die Regelung an der HU zu Konflikten geführt hat.

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