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Streit um die Sammlung Steindorff: Der lange Schatten der Nazi-Zeit

Ein jüdischer Professor verkaufte seine ägyptologische Sammlung 1936 der Uni Leipzig - freiwillig, wie sein Erbe sagt. Die Jewish Claims Conference bekam sie unlängst trotzdem vor Gericht zugesprochen, was den Erben empörte. Jetzt gibt es eine Kehrtwende in dem Fall.

Von Fatina Keilani

Nach dem verlorenen Rechtsstreit um die ägyptologische Sammlung von Georg Steindorff kann die Uni Leipzig jetzt auf ein glückliches Ende hoffen. Die Jewish Claims Conference (JCC), der das Berliner Verwaltungsgericht Ende Mai die einzigartige Sammlung zugesprochen hatte, will diese offenbar nicht beanspruchen, wie ihr Direktor Roman Haller jetzt klarstellte. Er kündigte für Ende nächster Woche ein Gespräch mit der Uni an. „Es geht uns nicht um die Ausstellungsstücke“, sagte Haller dem Tagesspiegel. „Es ging uns nur um die Feststellung des Gerichts, dass es sich um einen verfolgungsbedingten Entzug handelt.“

Genau diese Frage war in der mündlichen Verhandlung des Gerichts ausschlaggebend für die Entscheidung gewesen. Das Vermögensgesetz nimmt nämlich an, dass alle Verkäufe von jüdischem Eigentum nach 1935 verfolgungsbedingt geschahen – also ohne die Nazis nicht vollzogen worden wären. Für die Uni Leipzig ging es darum, das Gegenteil zu beweisen. Dies ist ihr nach Auffassung des Gerichts nicht gelungen.

Für Prozessbeobachter stellte sich die Situation durchaus nicht so eindeutig dar, und das Ergebnis wurde von mehreren Seiten kritisiert: Die JCC ist nun also Eigentümerin einer Antikensammlung – gegen den Willen des rechtmäßigen Erben. Mindestens moralisch müsse doch dem Erben die Sammlung zustehen, meinen Kritiker. Der 88-jährige Thomas Hemer, Steindorffs Enkel, war eigens aus den USA zur Gerichtsverhandlung gekommen, um die Sammlung für die Uni Leipzig zu retten und so den Willen seines Großvaters zu erfüllen. Doch auch bei der JCC beruft man sich auf die Moral. Es habe etwas mit Moral zu tun, das, was man jemandem verfolgungsbedingt weggenommen hat, zurückzugeben, sagt Haller. Doch warum an die JCC, wenn es einen lebenden Erben gibt? „In diesem Fall haben die Erben einen Fehler gemach“, meint Haller. Sie hätten ihre Ansprüche nicht bei der JCC angemeldet. „Wir sind der Rechtsnachfolger für nicht angemeldetes Vermögen, und dies ist nicht angemeldetes Vermögen.“ Die JCC hat auch in anderen Fällen schon Aufsehen erregende Verfahren geführt und gewonnen, etwa um das frühere Wertheim-Areal am Leipziger Platz.

Die DDR leistete keine Restitution an geschädigte Juden. Nach der Wiedervereinigung gab es eine Zweijahresfrist, binnen derer jüdische Eigentümer Restitutionsansprüche geltend machen konnten. Ab 1993 hatte die JCC Generalvollmacht für alle Fälle, die bis dahin nicht angemeldet waren. Hemer meldete sich 2007; sein Anspruch wurde als verjährt abgewiesen. Die JCC versuchte seit 1995, sich Steindorffs Sammlung zusprechen zu lassen.

Der 1923 in Leipzig geborene Hemer war fassungslos über den Ausgang des Verfahrens. Sein Großvater habe die Sammlung der Uni schenken wollen, dann aber Geld gebraucht, weil sein Schwiegersohn (Hemers Vater) eine Firma gründen und Steindorff ihn dabei unterstützen wollte. Nur deshalb habe er überhaupt Geld dafür genommen. Steindorff hatte der Uni Leipzig im Jahr 1936 seine Sammlung für 8000 Reichsmark angeboten. Ihren Wert schätzte er auf 10 260 Reichsmark.

„,Die meinen nicht mich‘, hat Opa immer über die Nazis gesagt“, bekundete Hemer als Zeuge vor Gericht. In der Tat sprechen viele Umstände dafür, dass Steindorff gemessen an seiner jüdischen Herkunft eine privilegierte Stellung zukam. Er hatte von 1904 bis 1934 den Lehrstuhl für Ägyptologie inne; emeritiert wurde er aus Altersgründen. Noch 1937 durfte er als Autor die größte Publikation der Ägyptologie des deutschen Reiches veröffentlichen. 1939 reiste er doch in die USA aus – dank guter Beziehungen recht komfortabel mit seinen antiken Möbeln, seinem Bechstein-Flügel und der gesamten Bibliothek. Bis Mitte 1940 bekam er seine Pension. Nach dem Krieg stellte er Forderungen hinsichtlich seiner Rente und einiger Urheberrechte; seine Sammlung erwähnte er nicht. Um die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, reichte dies alles nicht.

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