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Seltene Ausnahme. Fast alle Juniorprofessoren werden nach der Evaluation weiter beschäftigt. Bei Nanna Lüth (hier in einem Seminar an der UdK) soll es anders sein.

© Sumrugül Abaci/promo

Streit um Juniorprofessorin an der UdK: Gefährliche Intrigen

Die Juniorprofessorin Nanna Lüth muss die Universtität der Künste (UdK) vorzeitig verlassen. Studierende glauben, dass sie Opfer interner Querelen wurde.

Studierende kämpfen für den Verbleib ihrer Professorin an der UdK. Über 140 von ihnen haben eine Petition unterschrieben. Darin fordern sie, dass Nanna Lüth, Juniorprofessorin für Kunstdidaktik und Geschlechterforschung, ihre auf sechs Jahre angelegte Amtszeit an der UdK zu Ende bringen kann. „Sie ist eine absolut engagierte, kompetente Professorin. Ich habe viel von ihr profitiert“, sagt die Lehramtsstudentin Louisa Grothmann, die bei Lüth ihre Masterarbeit schreibt.

Engagiert? Kompetent? Der Fakultätsrat der UdK sieht das anders. Lüth wurde wie alle Juniorprofessoren zur Hälfte ihrer regulären Amtszeit evaluiert. Dazu wurden wie üblich zwei externe und ein internes Gutachten eingeholt. Grundlage der Evaluation war der Leistungsbericht der Juniorprofessorin. Zwei der Gutachten sprachen sich dagegen aus, Lüth bis zum Ende ihrer regulären Amtszeit zu beschäftigen. Ihre Forschungsleistungen seien zu schwach. Der Fakultätsrat der Fakultät Bildende Kunst folgte der Empfehlung.

Die Studierenden halten die Behauptung, Lüth habe in der Forschung zu wenig geleistet, für vorgeschoben. Sie glauben, dass Lüth Opfer von internen Querelen wurde. Am Fachbereich gebe es schon länger Machtkämpfe und Intrigen. Lüth hat sich nach eigener Aussage nicht daran beteiligt. Offenbar geriet sie aber unglücklich in das Kraftfeld. Der Fakultätsrat könnte entsprechend missgünstige Gutachter ausgewählt haben.

Tatsächlich ist es ein höchst ungewöhnlicher Vorgang, dass Juniorprofessoren nach ihrer Zwischenevaluation gehen müssen. Peter Frensch, Vizepräsident für Forschung der Humboldt-Universität, erklärt dazu auf Anfrage: „Es kommt selten bis gar nicht vor, dass eine Zwischenevaluation nicht zu einer Verlängerung führt. Will heißen, so gut wie alle Juniorprofessuren werden über die vollen sechs Jahre geführt.“ Seit die Personalkategorie 2002 geschaffen wurde, forschen immer 50 bis 60 Juniorprofessoren an der HU.

Dass Juniorprofessuren typischerweise nach der Zwischenevaluation verlängert werden, geht auch aus einer CHE-Studie von 2002 hervor: Lediglich in vier von 227 Fällen, das sind weniger als zwei Prozent, war das Ergebnis der Zwischenevaluation negativ. Diese vier Fälle stammten alle aus den Naturwissenschaften.

Zu diesen ganz seltenen Ausnahmen gehört jetzt Lüth. Es könnte das Ende ihrer wissenschaftlichen Laufbahn bedeuten. Fielen ihre Leistungen tatsächlich dermaßen aus dem Rahmen? Die Maßstäbe, an denen Juniorprofessoren gemessen werden, hat die UdK in einer Satzung festgelegt. Die Juniorprofessoren müssen Leistungen in Forschung, Lehre und in der akademischen Selbstverwaltung nachweisen.

In der Lehre kann Lüth für sich verbuchen, dass sie mehrere Masterarbeiten betreut und in zweieinhalb Jahren 45 Studierenden ihre Prüfungen abgenommen hat. Jedenfalls die Studierenden ihrer Lehrveranstaltung „Gender Trouble in der Kunstpädagogik“ bewerteten ihre Lehre positiv, wie die Lehrevaluation zeigt, die dem Tagesspiegel vorliegt.

In der akademischen Selbstverwaltung wirkte Lüth in neun Gremien und Arbeitsgruppen der UdK mit.

"Gute Lehre setzt gute Forschung voraus"

Das dritte Feld ist die Forschung. Dass diese unter den drei evaluierten Bereichen besonderes Gewicht haben soll, geht aus der Satzung nicht hervor. Nach Darstellung des Dekans Karlheinz Lüdeking versteht sich das aber von selbst: „In Kommissionen mitarbeiten zu können, ist offenkundig keine zentrale Qualifikation für Lehrkräfte an Hochschulen, zudem kann auch die Lehre nicht das Hauptkriterium sein, weil gute Lehre gute Forschung voraussetzt, was umgekehrt nicht gilt.“

Die traditionelle Fokussierung der Universitäten auf die Forschungsleistung gegenüber der Lehre ist aber umstritten. Kritisiert wird sie etwa seit langem von Berlins früherem Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner. Dass die Forschung bei einer Zwischenevaluation einer Juniorprofessorin den Ausschlag geben muss, ist also nicht so selbstverständlich wie von Lüdeking behauptet.

Tatsächlich hat Lüth ja aber auch geforscht. In allen Bereichen, die in der Evaluationssatzung genannt werden, war sie aktiv. Fünf Mal warb Lüth Mittel für Veranstaltungen oder Publikationen ein. International vernetzt ist sie durch Projekte mit Kollegen in Österreich, der Schweiz und Schweden. Sie hielt Gastvorträge auf zehn Konferenzen im In- und Ausland. Sieben mal verfasste sie Empfehlungsschreiben für Studierende, etwa für Promotionsstipendien bei der Hans-Böckler-Stiftung und der Studienstiftung des deutschen Volkes. Lüth hat eine Ringvorlesung und zwei internationale Arbeitstagungen an der UdK organisiert. Sie hat mehrere wissenschaftliche Publikationen herausgegeben. Etwa ein Dutzend Texte hat sie selbst verfasst. Manche sind nur wenige Seiten lang, andere haben aber Aufsatzlänge.

War Lüth zu "dogmatisch"? Wenn ja, warum wurde sie überhaupt berufen?

Laut Lüdeking haben die Gutachter bemängelt, die Anzahl der von Lüth in ihrem Leistungsbericht aufgelisteten Publikationen erwecke einen „unrealistischen Eindruck“: „Einige sind sehr kurz, was aber nicht sofort auffällt, weil exakte bibliographische Angaben fehlen.“ Selbst wenn Lüth zu wenig geforscht hätte: Die Satzung der UdK setzt ausdrücklich keine der Anforderungen in Forschung, Lehre und Verwaltung absolut: „Da es nicht möglich ist, im zu begutachtenden Zeitraum alle Kriterien in gleichmäßiger Weise zu erfüllen, kann dieser Katalog lediglich als Rahmen dienen“, heißt es dort ausdrücklich.

An Lüths Forschung sei aber gerade die Qualität bemängelt worden, sagt Lüdeking. Wie genau, bleibt geheim, die Gutachten sind vertraulich. Der Verdacht der Studierenden, Lüths machtkritischer Ansatz im Bereich der Queer und Postcolonial Studies könne den Gutachtern missfallen haben, weist Lüdeking zurück: „Es ging um die Frage, ob sie sich mit ihren Thesen der wissenschaftlichen Kritik stellen will oder ob sie diese eher dogmatisch behauptet.“

War Lüth also dogmatisch? Warum hat die UdK sie dann berufen? „Die Fakultät sieht es nicht als Fehler an, Frau Lüth berufen zu haben“, sagt Lüdeking. „Wir haben ihr eine Chance gegeben und damit auch eine Verantwortung übernommen.“ Die Zwischenevaluation habe den Zweck zu überprüfen, ob in Lüths Fall „eine Laufbahn als Universitätsprofessorin für Kunstdidaktik sinnvoll erscheint“.

Könnte es sein, dass die Anforderungen für eine Juniorprofessorin in Lüths Fall überdehnt wurden – auch, weil es für die Fakultät die erste Zwischenevaluation einer Juniorprofessur war? „Wir sehen es als selbstverständlich an, dass in den wissenschaftlichen Bereichen der UdK keine geringeren Standards gelten als an den anderen drei Berliner Universitäten“, sagt Lüdeking. Die Studierenden fordern, das Verfahren neu aufzurollen.

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