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Streit um Vorhersage von Erdbeben: Freisprüche für italienische Seismologen

Im Rechtsstreit um die Vorhersehbarkeit von Erdbeben haben italienische Wissenschaftler vor Gericht einen Erfolg errungen. Zwei Jahre nach ihrer erstinstanzlichen Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung konnten sechs Beschuldigte am Montag im Berufungsverfahren Freisprüche erwirken.

Die Haftstrafe eines siebten wurde vom Berufungsgericht in L’Aquila zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung abgeschwächt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die sieben Seismologen und Ingenieure waren im Zusammenhang mit dem verheerenden Erdbeben im italienischen L’Aquila verurteilt worden. Ein Gericht in L’Aquila befand die Mitglieder eines wichtigen Beratungsgremiums zum Katastrophenschutz am 22. Oktober 2012 der fahrlässigen Tötung schuldig, weil sie das Risiko einer tödlichen Katastrophe unterschätzt hätten.

Der Vorwurf: Die Angeklagten hätten die Gefahr kleingeredet

Die Angeklagten wurden zu je sechs Jahren Haft und zur Zahlung von insgesamt 9,1 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt. Laut Gericht trugen sie durch ihre falsche Gefahreneinschätzung Mitschuld am Tod von 309 Menschen, die infolge des Erdbebens am 6. April 2009 starben, 80 000 wurden obdachlos. Die Mitglieder der Nationalen Kommission für Große Risiken waren sechs Tage zuvor bei einem Treffen in L’Aquila zu dem Schluss gekommen, dass eine Reihe kleinerer Erdstöße in der Region nicht auf ein großes Beben hinweise.

Der damalige Vize-Direktor der Katastrophenschutzbehörde, Bernardo De Bernardinis, hatte in den Medien erklärt, es bestehe „keine Gefahr“. Er riet sogar dazu, sich bei einem Glas Wein zu entspannen. Durch seine nun zur Bewährung ausgesetzte Haftstrafe gilt De Bernardinis, dessen Aussagen von der Staatsanwaltschaft als Schlüsselargument für die Fahrlässigkeitsthese angeführt worden waren, nicht als vorbestraft.

5000 Forscher schrieben einen offenen Brief, um den Kollegen zu helfen

Zu Verfahrensbeginn hatten damals mehr als 5000 Wissenschaftler in einem offenen Brief beklagt, dass den Angeklagten ein Strafprozess gemacht werde, obwohl die Vorhersage von Erdbeben bislang technisch unmöglich sei. Das renommierte britische Fachmagazin „Nature“ kommentierte das Urteil aus dem gleichen Grund als „pervers“ und „lächerlich“. Auch andere Experten kritisierten, die Wissenschaftler seien zu „Sündenböcken“ gemacht worden. (AFP)

Zwei Feuerwehrleute stehen in den Trümmern der Stadt L'Aquila, die im Frühjahr 2009 von einem Erdbeben getroffen wurde.
Zwei Feuerwehrleute stehen in den Trümmern der Stadt L'Aquila, die im Frühjahr 2009 von einem Erdbeben getroffen wurde.

© dpa

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