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Studierende stehen vor einem Hochschulgebäude.

© IMAGO

Update

Studie "Bildung auf einen Blick": OECD lobt duale Ausbildung in Deutschland

Das deutsche Bildungssystem steht gut da, befindet die OECD. Gelobt wird die duale Berufsausbildung, Kritik gibt es an der Unterfinanzierung der Hochschulen.

Jahrelang hat die OECD Deutschland für einen zu geringen Anteil an Studierenden kritisiert. Die Bundesbildungsministerinnen hielten stets die starke duale Berufsausbildung dagegen, die die geringere Studierquote aufwiege. In ihrem jüngsten Bericht „Bildung auf einen Blick“, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde, ist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nun voll des Lobes für das duale System. Ihm sei es zu verdanken, dass der überwiegende Teil der deutschen Gesellschaft über einen mittleren Bildungsabschluss verfügt, sagte OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher (hier geht es zur vollständigen Studie).

Die berufliche Bildung trägt auch zum „reibungslosen Übergang von der Ausbildung in den Beruf“ bei. Nach Island und den Niederlanden ist in Deutschland – unter den 35 OECD-Staaten – der Anteil junger Menschen, die weder in Ausbildung noch erwerbstätig sind, am niedrigsten.

Anteil der Geringqualifizierten ist nicht gesunken

Gleichzeitig aber stagniert hierzulande der Anteil der Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung unter den 25- bis 34-Jährigen ebenso wie bei den 55- bis 64-Jährigen bei 13 Prozent, betonte Schleicher. Dieser Anteil an Geringqualifizierten, die zunehmend weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, konnte in anderen Ländern, darunter in Österreich und der Schweiz, in den vergangenen 30 Jahren erheblich verringert werden – unter anderem durch Investitionen in die Qualität der frühkindlichen Bildung.

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) verwies auf Bundesprogramme wie „Zweite Chance“, die junge Leute überzeugen soll, eine Ausbildung und einen Abschluss nachzuholen, und auf eine bundesweit verstärkte Berufsorientierung schon an den Schulen.

99 Prozent der Fünfjährigen sind in der Kita

Für Fortschritte beim Ausbau der frühkindlichen Bildung wird Deutschland im OECD-Bericht durchaus gelobt. Die Quote der Zweijährigen, die eine Kita besuchen, stieg von 2013 auf 2014 um sechs Prozentpunkte auf 65 Prozent. Bei den Dreijährigen sind mittlerweile 94 Prozent in der Kita, bei den Fünfjährigen sind es 99 Prozent. Doch Schleicher monierte den vorrangig quantitativen Kitaausbau: Gerade einmal 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts fließen in die frühkindliche Bildung, in Norwegen ist es doppelt so viel. Das mache sich in Deutschland etwa bei der schlechten Bezahlung von Erzieherinnen bemerkbar, sagte Schleicher.

Weniger Geld für Studierende - wie in Spanien in der Finanzkrise

Licht und Schatten auch bei der Hochschulbildung: Mit einem Mehr an Studierenden von 28 Prozent in den Jahren 2008 bis 2013 liegt Deutschland OECD-weit in der Spitzengruppe. Weil die Finanzierung der Hochschulen trotz Zuwächsen von 16 Prozent damit nicht Schritt hält, sind die Ausgaben pro Studierendem allerdings um zehn Prozent gesunken. Damit sind sie in vergleichbarem Umfang zurückgegangen „wie in Spanien während der Finanzkrise“, sagte Schleicher.

Ein besseres Bild entsteht, wenn man die hohen Forschungsaufwendungen mit einbezieht. Die OECD weist auch dies aus, der Bildungsdirektor ist aber der Auffassung, dass die Forschung in einem Hörsaal mit 500 Studierenden wohl eine eher geringere Rolle spiele. Wanka beharrte dagegen auf der besonderen Rolle, die die forschende Lehre in Deutschland spiele.

Hamburgs Schulsenator Rabe will Ganztagsschulen ausbauen

Die Schulen sind jedenfalls besser ausgestattet als die Unis. Trotz eines Rückgangs der Schülerzahlen um acht Prozent seit 2008 stiegen die Ausgaben vom Grundschulbereich bis zur Oberstufe um drei Prozent. Das entspricht einem Zuwachs von 12 Prozent pro Schüler – weit mehr als der OECD-Durchschnitt von acht Prozent.

Wie die Bundesländer mit der Integration der Flüchtlingskinder in den Schulen vorankommen, wird die OECD wohl erst in einigen Jahren anhand der dann vorliegenden Daten bewerten können. Ties Rabe, Schulsenator in Hamburg, plädierte als Vertreter der Kultusministerkonferenz aber für einen Ausbau der Ganztagsschulen, um die „integrative Kraft“ des Schulsystems auszubauen. Für Zuwanderer sei vor allem ein ganztägiges Sprachtraining wichtig.

Eine Berufsausbildung ist auf dem Arbeitsmarkt viel wert

Der in Deutschland zunehmend beobachtete Mangel an Bewerbern in der beruflichen Ausbildung schlägt sich in dem Bericht noch nicht nieder. Die Abschlussquoten der beruflichen Bildungsgänge sieht die OECD in den Jahren 2005 bis 2014 als „relativ stabil“. Der Anteil der Abiturienten stieg aber gleichzeitig um elf Prozent – im OECD-Durchschnitt waren es nur vier Prozent. Auf dem Arbeitsmarkt jedenfalls sind abgeschlossene Berufsausbildungen weiterhin viel wert, die deutschen Arbeitslosenquoten dieser Absolventen liegt bei 4,2 Prozent (OECD: 7,7 Prozent).

Doch wie immer wirbt die OECD auch in Deutschland für die berufliche und akademische Weiterbildung: Wer einen Bachelor oder eine abgeschlossene Meister- oder Technikerausbildung aufsattelt, verdient 52 Prozent mehr, mit Master oder Promotion sind es 77 Prozent. Kritik gibt es erneut für die „Genderlücke“ vor allem im Ingenieurswesen, in Fertigung und Bauwesen: Bei den Beschäftigten mit Hochschul- oder Meisterabschluss ist hier der Anteil der Männer vier Mal so hoch wie der der Frauen. Im OECD-Durchschnitt liegt das Verhältnis bei 2,9 zu eins.

Der Lehrerberuf muss attraktiver werden

So etwas wie eine Empfehlung spricht die OECD auch für den Lehrerberuf aus: Die Lehrergehälter seien ab dem Sekundarbereich I wettbewerbsfähig mit denen anderer akademischer Berufe. Allerdings hänge die Attraktivität des Berufs nur teilweise am Geld, gab Schleicher zu bedenken. Deutschland müsse mehr bieten, darunter ein durchgehendes Mentoring für junge Lehrkräfte, eine kontinuierliche didaktische und wissenschaftliche Fortbildung. Und ausreichend Zeit, Schüler individuell zu fördern.

"Ihr könnt es besser": Einen Kommentar von Anja Kühne zur drohenden deutschen Selbstzufriedenheit lesen Sie hier.

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