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© Keystone

Studie: "Job muss, Kind auch – Mann kann"

Junge Frauen sind weiter auf dem Sprung – und noch kompromissloser als vor einem Jahr. Auf etwas verzichten wollen immer weniger. Sie möchten eine stabile Partnerschaft, einen anspruchsvollen Beruf und Kinder miteinander vereinbaren. Und sie sind seltener bereit, Abstriche an ihren Wunschvorstellungen einfach hinzunehmen.

Was passiert in der Wirtschaftskrise mit den Geschlechterrollen? Wie wichtig sind der jungen Generation Familie, Partnerschaft und Beruf? Kehren Frauen in Zeiten der Rezession vielleicht sogar häufiger zum konservativen Lebensentwurf als Hausfrau und Mutter zurück? Keineswegs, sagt eine neue Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), die gestern in Berlin vorgestellt wurde. „Frauen sind sogar kompromissloser geworden“, fasst WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger das Ergebnis zusammen. Für die junge Frauengeneration gelte heute mehr denn je: „Job muss, Kind auch – Mann kann.“

Vor anderthalb Jahren hatte das WZB schon einmal rund 1000 Frauen im Alter von 17 bis 29 Jahren und von 27 bis 29 Jahren befragt. Erstaunlich war damals das Selbstbewusstsein der jungen Frauen: „Ich bin gut in dem, was ich mache“, sagten 99 Prozent von ihnen. Heute ist das Selbstbewusstsein trotz der Krise ungebrochen. Fast 500 Frauen, die schon an der ersten Studie teilgenommen hatten, wurden noch einmal interviewt: Weiterhin sind 99 Prozent der Befragten von ihren Fähigkeiten überzeugt. Allerdings erleben die jungen Frauen, die nun 20 bis 30 Jahre alt sind, die Arbeitswelt inzwischen als weniger frauenfreundlich: Mehr Befragte als noch 2008 geben an, dass Männer anders beurteilt und schneller befördert würden. Die Zahl der Interviewten, die für Frauen keine Chance auf eine Führungsposition sehen, ist in dieser Zeit von 19 auf 27 Prozent gestiegen.

Dennoch: Auf etwas verzichten wollen immer weniger Frauen. Sie möchten eine stabile Partnerschaft, einen anspruchsvollen Beruf und Kinder miteinander vereinbaren. Und sie sind seltener bereit, Abstriche an ihren Wunschvorstellungen einfach hinzunehmen. 2008 sagten immerhin 20 Prozent, sie würden für ihre Partnerschaft die Arbeit aufgeben. Heute stimmen dem nur noch neun Prozent zu. Einkommensverluste aufgrund einer Partnerschaft wollen nur noch 35 Prozent hinnehmen – in der letzten Studie waren dazu noch 63 Prozent bereit. Gleichzeitig sind Frauen heute häufiger gewillt, ihren Partner zu verlassen, wenn er ihren Kinderwunsch nicht teilt oder wenn durch die Beziehung Freundschaften zu kurz kommen.

Woher kommt die Kompromisslosigkeit? Jutta Allmendinger führt die Studienergebnisse einerseits auf „tägliche Frustrationen“ zurück, die aus den Frauen im Panel in den letzten Jahren noch überzeugtere Kämpferinnen für das eigene Glück gemacht hätten. Junge Frauen, so Allmendinger, sehen in dieser Lebensphase, wie Männer, trotz der teils schlechteren Ausbildung und Leistung, stärker unterstützt werden und an ihnen vorbeiziehen. Umso vehementer treten Frauen nun für gleiche Löhne, faire Partnerschaften oder verbesserte Kinderbetreuung ein. Andererseits gilt unter immer mehr Frauen das männliche Ernährermodell als veraltet. Nur noch sechs Prozent der Befragten finden, dass ihr Partner für die Existenzsicherung der Familie verantwortlich ist. Der Partner solle vor allem „Zeit für die Familie“ haben, sagen die jungen Frauen. Für finanzielle Unabhängigkeit wollen sie selbst sorgen.

Ob sich all diese Wünsche tatsächlich mit den potenziellen Partnern vereinbaren lassen, ist aber fraglich. Bei den rund 450 ebenfalls interviewten Männern haben sich die Prioritäten in den letzten eineinhalb Jahren nämlich in eine gegensätzliche Richtung verschoben: „In der ersten Studie strebten etwa ein Drittel der jungen Männer einen Chefposten an“, erklärt Allmendinger. „Heute sehen 60 Prozent eine Spitzenposition als berufliches Ziel.“ Unter den Frauen sei der Wunsch nach einem Chefposten dagegen konstant geblieben: 2008 wie 2009 wollten etwa ein Drittel Karriere bis nach ganz oben machen. „Männer und Frauen im Panel haben sich auseinanderentwickelt“, sagt Allmendinger. Zudem wollen Männern nach wie vor mehr Geld verdienen als ihre Partnerinnen: Für 56 Prozent der Interviewten ist dieses Ziel wichtig.

Zu Spannungen in Partnerschaften führe auch, dass berufstätige Väter viel stärker als ihre Partnerinnen „von der Gesellschaft willkommen geheißen werden“. Allmendinger: „Junge Väter niedlicher Babys in Elternzeit sind die Stars der neuen Familienpolitik.“ Immer wieder werde herausgestellt, wie stark die Nachfrage nach Elternzeit unter jungen Männern zunehme, hat die Soziologin beobachtet. Was dabei meist nicht gesehen wird: Schon nach wenigen Monaten tauschen die Väter wieder Kinderzimmer mit Vorstandsbüro – und arbeiten dann erst recht unter Hochdruck, lautet ein weiteres Ergebnis der Studie: „Väter belasten sich dann mit mehr Arbeitsstunden als Männer ohne Kind“, berichtet Allmendinger. Nach der Elternzeit hätten sie eine stärkere „Orientierung auf Führung“ und den Drang, noch mehr Geld zu verdienen.

Doch die Untersuchung der Berliner Soziologen zeigt auch: Frauen wie Männer sind unzufrieden mit diesen Lebensoptionen in der Gesellschaft. Häufig klaffen in den Antworten Idealvorstellungen und Realitätseinschätzungen weit auseinander. Die Forscher beobachteten zudem eine deutliche Politisierung der jungen Generation, die auch eine Folge der Wirtschaftskrise sei: Mehr Befragte als noch vor eineinhalb Jahren sind bereit, für ihre Ziele an Demonstrationen oder Streiks teilzunehmen oder beispielsweise Produkte bestimmter Hersteller zu boykottieren.

Die Forscher um Jutta Allmendinger sehen die Ergebnisse als Bestätigung ihrer Thesen aus dem letzten Jahr: Es wachse tatsächlich eine neue Frauengeneration heran. Das große Selbstbewusstsein, die hohen Ansprüche an die eigene Biografie, das gewandelte Geschlechterbild seien keine „hochfliegenden Träume junger Mädchen“, die sich später als „Alterseffekte“ verwachsen. Zum Grundtenor der ersten Studie – ein selbstbewusstes „Ich schaffe das schon alles“ – komme nun, dass Frauen ihre Lebensziele noch kämpferischer einforderten. Man habe es mit einer Frauengeneration zu tun, „die sich weniger arrangieren“ werde, resümieren die Berliner Sozialforscher.

Die Studie im Internet:

www.brigitte.de/studie-update

Tina Rohowski

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