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© ddp

Studie: Medikamente gegen Sodbrennen schwächen Knochen

Alarmierendes Ergebnis einer neuen Studie: Medikamente gegen Sodbrennen verursachen wahrscheinlich Osteoporose. Denn saurer Magensaft scheint wichtig zu sein für gesunde Knochen.

Manche Killer greifen zu Säure, wenn es darum geht, die Überbleibsel ihrer mörderischen Taten verschwinden zu lassen. Schließlich löst Säure Knochen auf. Forscher der Universität Hamburg haben nun aber herausgefunden, dass Säure auch beim Aufbau von Knochen eine Rolle spielt. Saurer Magensaft sei äußerst wichtig für gesunde Knochen, schreiben sie online im Fachmagazin „Nature Medicine“. Millionen Deutsche nehmen aber Medikamente zu sich, die die Säurebildung im Magen vermindern, und schädigen demnach ihre Knochen.

Zu diesem Schluss gelangten die Wissenschaftler auf Umwegen. Sie untersuchten Mäuse und Menschen, die eine Mutation im Gen Tcirg1 haben. Dabei stellten sie fest, dass die Knochen schlecht mineralisiert waren, also weniger hart als gesunde Knochen.

Die Forscher suchten nach dem Grund dafür und fanden Zellen in der Magenwand, die das Gen Tcirg1 benötigen. Es dient dort als Bauanleitung für ein Eiweiß, das Protonen aus dem Inneren der Zelle in den Magen abgibt und so den Magensaft ansäuert. Tatsächlich hatten Mäuse und Menschen mit einem Defekt im Tcirg1-Gen einen höheren pH-Wert im Magen, also weniger Säure.

Die Wissenschaftler vermuten, dass dadurch die Aufnahme von Calcium erschwert wird. Ein durchschnittlicher Europäer nehme zwar genügend Calcium zu sich, sagt Projektleiter Michael Amling. In Milch, Käse und anderen Nahrungsmitteln sei das Element aber hauptsächlich als Calciumcarbonat enthalten. „Um das Calcium aus dieser Verbindung zu lösen, damit es vom Körper aufgenommen werden kann, wird offenbar Säure benötigt.“

Bei den Mäusen mit dem Tcirg1-Defekt werde das Calcium also größtenteils direkt wieder ausgeschieden, sagt Amling. Dadurch sinke der Calciumspiegel im Blut. Weil das Element aber wichtige Funktionen im Körper hat, muss der Gehalt im Blut genau reguliert werden. Sonst stirbt der Organismus. Der Körper aktiviere daher Zellen, die die Knochen abbauten und das in ihnen gespeicherte Calcium freisetzten, sagt Amling. „Der Körper hält das Calciumlevel im Blut konstant – auf Kosten der Knochen.“

Um diese These zu testen, gaben die Wissenschaftler Mäusen, die kaum Magensäure bilden können, Calciumgluconat. In dieser Form ist Calcium für den Körper direkt nutzbar, auch ohne Säure. Tatsächlich zeigten die Mäuse, deren Nahrung so ergänzt wurde, keinen Verlust von Knochenmasse mehr. Bei Mäusen hingegen, deren Nahrung mit Calciumcarbonat ergänzt wurde, wurden die Knochen weiterhin brüchig.

Das Ergebnis ist wichtig, weil Millionen Menschen in Deutschland an der Refluxkrankheit leiden. Diese Erkrankung, früher häufig Sodbrennen genannt, wird mit „Protonenpumpenhemmern“ behandelt. Das sind Medikamente, die die Säureproduktion im Magen vermindern. Die aktuelle Studie legt aber nahe, dass sie dabei auch das Risiko für Knochenbrüche erhöhen. Das gilt vermutlich auch für Mittel, die Magensäure neutralisieren, wie zum Beispiel Bullrich-Salz.

Bereits 2006 hatte eine britische Studie gezeigt, dass Menschen, die Protonenpumpenhemmer nehmen, ein erhöhtes Risiko haben, sich den Hüftknochen zu brechen. Kanadische Forscher kamen im vergangenen Jahr zum selben Ergebnis. Demnach ist das Risiko, sich einen Wirbelkörper oder die Hüfte zu brechen, bei Menschen, die sieben Jahre lang Protonenpumpenhemmer genommen haben, um das 4,5-Fache erhöht. Die Medikamentenhersteller wiesen aber darauf hin, dass diese Zunahme auch andere Ursachen haben könnte.

„Bisher berücksichtigen Ärzte nur bei Medikamenten wie Cortison die Wirkung auf die Knochen“, sagt Gerd Finkenstedt vom Universitätsklinikum Innsbruck. Viele andere Medikamente stünden aber ebenfalls im Verdacht, die Knochen zu schwächen

Die jetzt vorgestellte Studie könnte dazu führen, dass in Zukunft auch der Zusammenhang zwischen Protonenpumpenhemmern und Knochenbrüchen beachtet wird. Michael Amling jedenfalls behandelt alle Patienten, die diese Medikamente nehmen, neuerdings mit Calciumgluconat. Endgültige Sicherheit könne nur eine große klinische Studie geben, sagt der Mediziner. Wer sie unternehmen soll, ist allerdings unklar. Für eine Universität wäre es ein gewaltiger finanzieller Aufwand, während Pharmafirmen kein Interesse an einer solchen Studie haben dürften. Allein das Medikament Omeprazol ist mit über 13 Millionen verkauften Packungen im Jahr in Deutschland eines der erfolgreichsten Arzneimittel.

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