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Studie: Wie modern sind die Männer?

Die beiden großen Kirchen und das Familienministerium haben eine Studie vorgestellt, die untersucht, wie Männer Beziehung und Vaterschaft praktizieren. Wie modern sind die Männer?

Der deutsche Mann ist traditioneller als gedacht – trotz der vielfach beschworenen „neuen Väter“. Während die Frauen in den vergangenen zehn Jahren einen großen Emanzipationssprung gemacht haben, hinken die Männer in der Modernisierung ihrer Rolle hinterher. 32 Prozent moderner Frauen stehen nur 19 Prozent moderner Männer gegenüber. Bei den ganz Jungen beträgt das Verhältnis sogar 41 Prozent zu 13 Prozent. Die Aussichten auf dem Heiratsmarkt sind also alles andere als gut. Wer als Frau von Männern ein hohes Maß an Beteiligung fordert, hat nur geringe Chancen. Gleichzeitig wird die Zahl der unfreiwillig einsamen Männer wachsen. Das ist das Ergebnis einer breit angelegten Männer-Studie, die die katholische und die evangelische Kirche durchgeführt haben, finanziert vom Bundesfamilienministerium. Autoren der Studie sind die Düsseldorfer Sozialwissenschaftler Rainer Volz und der Wiener Pastoraltheologe und Soziologe Paul Michael Zulehner.

Die Untersuchung wurde am Mittwoch in Berlin vorgestellt. Sie ist eine Folgestudie einer Untersuchung von 1998. Es wurden 1470 Männer und 970 Frauen aller Altersgruppen nach ihren Einstellungen und ihrem Verhalten in den Bereichen Arbeit, Freizeit, Familie und Religion befragt. Welche Wünsche und Ziele haben die Männer und Frauen? Welche Bilder von Männlichkeit und Weiblichkeit stecken in ihren Köpfen, und wie haben sie sich in den vergangenen zehn Jahren verändert?

Viele Männer sehen sich weiter in der Ernährerrolle

Die Studie unterscheidet zwischen vier Typen, von den „(teil)traditionellen“ über die „balancierenden“ und „suchenden“ bis zu den „modernen“ Männern und Frauen. Fast ein Drittel der deutschen Männer denkt traditionell beziehungsweise teiltraditionell. Das heißt, sie sehen sich in der Ernährerrolle und den Sinn im Leben in der Arbeit, ihre Frauen sollen für den Haushalt und die Kinder da sein. Daran hat sich in den vergangenen zehn Jahren lediglich verändert, dass nun mehr traditionelle Männer akzeptieren, dass Frauen „dazuverdienen“. Aber nur, weil ein Einkommen alleine oft nicht ausreicht. Die Bereitschaft, im Haushalt mitzuhelfen, ist dadurch nicht gewachsen. Immerhin gehen diese Männer nicht mehr so stark wie vor zehn Jahren davon aus, dass sich die Berufstätigkeit der Frauen negativ auf das Kind und die Partnerschaft auswirkt.

Die meisten Männer in Deutschland ordnen sich irgendwo zwischen traditionell und modern ein, die meisten sind auf der Suche. Jeder vierte Mann zählt sich zu den modernen Männern. Sie sind zumindest theoretisch dafür, dass sich Mann und Frau gleich viel um Haushalt und Kindererziehung kümmern und finden es wichtig, dass sich auch die Frauen im Beruf verwirklichen. „Es ist wichtig, dass sich dieser Prozess fortsetzt“, sagte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Mittwoch. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten brauche eine Familie zwei Einkommen.

Familie ganz oben

Die Familie steht für den modernen Mann ganz oben auf der Prioritätenskala. Er wünscht sich, viel Zeit mit seinen Kindern zu verbringen und möchte mehr mit Freunden unternehmen. Dieser Wunsch spiegele sich darin, dass 2007 103 000 Väter Elterngeld beantragt haben, sagte Familienministerin Leyen. Die meisten Väter sind allerdings lediglich zwei Monate zu Hause geblieben.

Denn gleichzeitig suchen wieder viel mehr moderne Männer als noch vor zehn Jahren ihren Lebenssinn in der Arbeit. Während 1998 fast alle modernen Männer den Satz ablehnten: „Der Mann erfährt in der Arbeit seinen Sinn“, stimmt heute die Hälfte der modernen Männer dieser Aussage zu. Auch sind wieder mehr der Meinung, dass der Sinn des Lebens im beruflichen Aufstieg liege und dass versage, wer den Aufstieg nicht schaffe. In den meisten Unternehmen werde nach wie vor die Vollzeitarbeit unhinterfragt zur Norm erhoben, berichten viele Männer. Nur wer sich über die vertraglich vereinbarte Zeit hinaus verfügbar und belastbar zeige, gelte als engagiert. Wer in Teilzeit arbeite, verliere dagegen sein Ansehen und gefährde seine Existenz.

Fast alle glauben an die Traumfrau

Wenn der moderne Mann nicht arbeitet, sucht er nach der romantischen Liebe und der Traumfrau. 92 Prozent glauben, dass es diese ideale Frau für sie gibt, 1998 waren es nur 61 Prozent. Vertrauen, Liebe, Treue sind wichtiger geworden als „Durchhaltequalitäten“ wie Verlässlichkeit, Rücksichtnahme oder Kompromissbereitschaft. Für Ursula von der Leyen ist das ein positives Ergebnis. Es zeige, dass die Ehe heute auf Liebe aufbaue und nicht auf dem Bedürfnis, versorgt zu sein. Durch die „Überromantisierung“ seien die Beziehungen aber auch viel zerbrechlicher geworden, entgegnete der Soziologe Paul Zulehner.

Der moderne Mann wünscht sich eine romantische Beziehung, den Aufstieg im Beruf und viel Freizeit. Dies in Einklang zu bringen, schaffen nur wenige. Auch das ist ein Ergebnis der Studie: Der moderne Mann ist überfordert und zerrissen zwischen seinen Bedürfnissen. Vielleicht ist die Überforderung der Grund für den starken Anstieg von Gewaltakzeptanz in den traditionellen Männermilieus. 64 Prozent der traditionellen Männer sind etwa der Ansicht, dass man Kinder manchmal schlagen müsse, damit sie zur Vernunft kommen, und dass eine Frau selbst schuld sei, wenn sie vergewaltigt werde, weil sie den Mann vermutlich provoziert habe. Auch nimmt bei den unter 19-Jährigen der Studie zufolge die Neigung zu Gewalt und vor allem zu autoritären Strukturen zu. Gerade in Hinblick auf den Amoklauf von Winnenden sei das ein erschreckendes Ergebnis, sagte Bischof Wolfgang Huber, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland.

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