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Maske und Abstand: Mittlerweile gelten in Massachusetts andere Corona-Standards, wie hier bei einer Demonstration in Cambridge.

© REUTERS/Brian Snyder

Studie zu Superspreading-Event in Boston: Wie 90 Menschen 20.000 Corona-Infektionen auslösten

Großveranstaltungen können den Pandemie-Verlauf stark beeinflussen. Ein Event in Boston im Februar soll Forschern zufolge zu tausenden Corona-Fällen geführt haben.

Von Gloria Geyer

Hunderte oder gar tausende von Corona-Infektionen binnen kürzester Zeit – sogenannte „Superspreader-Events“ – können den Anstieg von Neuinfektionen und den Verlauf der Pandemie stark beeinflussen. Insbesondere, wenn zu spät oder gar nicht entdeckt wird, dass eine oder mehrere infizierte Personen auf Veranstaltungen mit vielen weiteren Menschen in Kontakt traten.

Ein derartiges Event könnte eine Biotech-Konferenz in Boston Ende Februar gewesen sein. Das berichten Forscher in einer vorab veröffentlichten Studie. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass rund 20.000 Corona-Infektionen auf die internationale Konferenz zurückzuführen sind.

An der Veranstaltung, die vom 26. bis 27. Februar stattfand, nahmen rund 200 Personen teil – mehr als 90 Personen, die direkt oder über Kontakte mit der Konferenz in Verbindung standen, infizierten sich mit dem Coronavirus. Dies erwecke den Verdacht, dass dort „ein sich übergreifendes Ereignis stattgefunden hat", schrieben die Forscher in ihrer Veröffentlichung. Die Studie wurde bislang noch nicht unabhängig von Fachkollegen überprüft, wurde aber vorab unter „medrxiv.org“ veröffentlicht.

Für die Untersuchung hatten unter anderem Forscher vom Broad Institute of MIT und der Harvard-Universität in Cambridge Corona-Proben aus dem US-Bundesstaat Massachusetts genetisch untersucht.

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Forscherin: Veranstaltung war ein „perfekter Sturm“

Dabei analysierten die Forscher 772 vollständige Genome des Coronavirus aus der Region. Sie stellten fest, dass Viren, die mit der Veranstaltung und der darauffolgenden Verbreitung in Verbindung standen die genetische Variante „C2416T“ enthielten. Es sei zwar möglich, dass diese Variante bereits im Vorfeld der Konferenz verbreitet wurde. Aber dafür hätten sie keine Hinweise, schreiben die Forscher.

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Anschließend rechneten die Wissenschaftler hoch, dass rund 20.000 Fälle allein in den Verwaltungsbezirken Suffolk, Middlesex, Essex und Norfolk im Bundesstaat Massachusetts auf die Veranstaltung zurückzuführen seien. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass parallel zur Veranstaltung die Verbreitung dieser genetischen Variante erfolgt sei. Doch „der größte Teil“ könne auf die Konferenz zurückgeführt werden, heißt es in der Studie.

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Die Konferenz war ein „perfekter Sturm“ zitiert der US-Nachrichtensender CNN die Forscherin Bronwyn MacInnis, die an der Studie mitarbeitete. „Viele Faktoren machten die Konferenz als übergreifende Veranstaltung zu einem unglücklich perfekten Sturm. Dass der Virus auf der Konferenz überhaupt eingeführt wurde, war ein Unglücksfall“, erklärte MacInnis CNN schriftlich.

Veranstaltung fand zu einem ungünstigen Zeitpunkt statt

Denn zu dem Zeitpunkt der Veranstaltung sei man sich des Risikos der Pandemie noch nicht bewusst gewesen. Hätte die Veranstaltung eine Woche später stattgefunden, wäre sie wahrscheinlich abgesagt worden, schrieb die Forscherin weiter. Umfangreiche Testkapazitäten, Social Distancing und das Tragen von Masken seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Norm gewesen. Das habe die Verbreitung befördert.

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Die Wissenschaftler erwähnten in der Studie die Veranstaltung nicht namentlich. Der Tageszeitung „The Boston Globe“ zufolge handelte es sich bei der Konferenz um ein internationales Treffen von Führungskräften des Biotechnologie-Unternehmens Biogen im Hotel Marriott Long Wharf in Boston.

In einem Statement des Unternehmens Biogen, das CNN zitiert, heißt es, man habe sich „eng an die geltenden offiziellen Richtlinien“ gehalten. Als mehrere Erkrankungen bekannt wurden, habe man die Gesundheitsbehörden informiert.

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Darüber hinaus stellten die Forscher fest, dass von dem Corona-Ausbruch auf der Konferenz zudem eine Pflegeeinrichtung und eine Obdachlosenunterkunft betroffen waren, in denen sich das Virus verbreite. „Unsere Ergebnisse unterstreichen wiederholt die engen Beziehungen zwischen scheinbar getrennten Bevölkerungsgruppen“, erklärten die Forscher abschließend.

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© AFP/Brendan Smialowski

Den Ergebnissen der Studie zufolge könnten rund 15 Prozent der insgesamt bestätigten Corona-Fälle in Massachusetts auf die Konferenz zurückzuführen sein. Die John Hopkins-Universität verzeichnet am Mittwoch für den US-Bundestaat 126.420 Infektionen. 8961 Menschen starben an oder in Verbindung mit Covid-19.

Die USA sind das am stärksten von der Corona-Pandemie betroffene Land weltweit. Insgesamt verzeichnen die Vereinigten Staaten rund 5,7 Millionen Corona-Fälle. US-Präsident Donald Trump wird vorgeworfen, zu spät auf die Ausbreitung des Virus reagiert zu haben.

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