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Junge Demokratien haben es oft schwer: Tunesische Islamisten protestieren Anfang 2014 gegen die neue Verfassung.

© MOHAMED MESSARA/dpa

Studie zur Demokratie-Akzeptanz: Demokraten aus Gewohnheit

Je länger Menschen in einer Demokratie leben, desto eher sind sie bereit, für demokratische Werte einzutreten. Das ist das Ergebnis einer Studie von Nicola Fuchs-Schündeln und Matthias Schündeln von der Goethe-Universität Frankfurt. Die Ökonomen sagen: Es kommt auf die Gewohnheit an. 

Wächst die Unterstützung für ein politisches System mit der Zeit, in der Menschen in diesem System leben? Und welche Faktoren beeinflussen dies? Diesen Fragen geht eine Studie der Frankfurter Ökonomen Nicola Fuchs-Schündeln und Matthias Schündeln auf den Grund. Das Ergebnis ist eindeutig: Je länger Menschen in einem bestimmten politischen System leben, desto positiver bewerten sie es. Funktionierende Demokratien sind also auf die breite Unterstützung der Bevölkerung angewiesen. Belastbare Zahlen gab es zu diesem Thema bislang noch nicht.

Für ihre Studie haben die Forscher die Aussagen von 380.000 Menschen aus 104 Ländern ausgewertet. Die Daten wurden von 1994 bis 2013 im Zuge der Values Surveys und der Afrobarometer Surveys erhoben. Das sind breite Umfrageprojekte, bei denen wirtschaftliche, politische und soziale Werte und Meinungen erfasst werden. Vor allem die Daten aus afrikanischen Ländern waren für die Forscher interessant, weil sich diese Staaten in einem gesellschaftlichen und politischen Umbruch befinden.

Ökonomie und Sicherheit wichtige Faktoren

Die Gewöhnung an demokratische Verhältnisse verlaufe eher langsam, sagt Nicola Fuchs-Schündeln dem Tagesspiegel. Über einen Zeitraum von 8,5 Jahren in einer Demokratie zu leben, steigere die Unterstützung etwa so sehr, wie der Besuch einer höheren Schule. Auch weitere Faktoren seien wichtig, etwa die ökonomische Situation und die Sicherheitslage in einem Land.

Daher sei es für die Weltgemeinschaft geboten, gerade junge Demokratien zu unterstützen. In der Studie, die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wurde, wird auch der Arabische Frühling in den Blick genommen. „Junge Demokratien haben es schwer“, sagt Fuchs-Schündeln. „Die Mehrheit der Bevölkerung ist erst mal skeptisch.“ Warum es dort trotz jahrzehntelanger Gewöhnung an ein Leben in der Diktatur dennoch zu Aufständen gegen die Machthaber gekommen ist, habe auch mit anderen Einflüssen zu tun. „Da gibt es Umschwungphänomene, die ganze Regionen erfassen können.“ In jedem Fall seien gerade die Anfangsjahre einer jungen Demokratie wie sie etwa in Tunesien entstanden ist, eine „kritische Phase“.

„Deutschland steht gut da“

In Deutschland häufen sich nicht erst seit Pegida Demonstrationen, die sich gegen die Regierung und nicht selten auch gegen demokratische Grundwerte richten – und das trotz auch in Ostdeutschland seit über 25 Jahren gefestigten demokratischen Verhältnissen. „Das passt nicht direkt zu unseren Ergebnissen“, sagt die Ökonomin. Irgendwann gebe es womöglich einen „Sättigungseffekt“, und die Unterstützung stagniere. Zu dieser Sättigung gehöre auch, dass über Details des Systems nachgedacht werde. Das sei ein Luxus, der sich aus der erlebten Selbstverständlichkeit von Demokratie ergebe. „Ich glaube, Deutschland steht in Sachen Demokratie gefestigt da“, lautet Fuchs-Schündelns Fazit. Der Gewöhnungseffekt ist indes auch in anderen Bereichen zu beobachten. Für eine frühere Untersuchung hat sich Fuchs-Schündeln mit dem Harvard-Professor Alberto Alesina zusammengetan. Die beiden Forscher untersuchten die Unterstützung für sozialpolitische Maßnahmen im Osten und Westen Deutschlands. Während sich im Westen weniger Bürger einen starken, lenkenden Staat wünschten, befürworteten Ostdeutsche staatliche Interventionen in der Sozialpolitik eher. Das hat laut Fuchs-Schündeln und Alesina mit der Sozialisation in der DDR zu tun, da deren Bürger einen starken Staat gewöhnt waren.

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