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Wohnen auf sieben Quadratmetern. Vor fünf Jahren entwickelten Münchener Studierende als Antwort auf die Wohnungsnot einen „Wohnwürfel“. Er ging nicht in Serie, die sieben Prototypen sind aber bewohnt. Abgeschafft hat das Studentenwerk München etwas größere Container, die zeitweise auf die Lage aufmerksam machen sollten. Inzwischen wurden hunderte Plätze in Neubauten geschaffen, übergangsweise gibt es in den Zimmern auch Doppelbelegungen.

© IMAGO

Studienalltag in Berlin: "Wohncontainer sind nichts für Klaustrophobe"

Zu wenig Wohnungen und Studienplätze: Petra Mai-Hartung vom Studentenwerk spricht im Tagesspiegel-Interview zur sozialen Lage der Berliner Studierenden.

Frau Mai-Hartung, drei Viertel der Berliner Studierenden leben in einer Mietwohnung. Aber preiswerter Wohnraum wird immer knapper. Es heißt, Berlin drohe eine Wohnungsnot. Was kommt auf die Studierenden zu?

Studierende wollen preiswert und in der Nähe ihrer Hochschule wohnen. Aber nicht einmal die Hälfte der Wohnheimplätze des Studentenwerks liegt in den bevorzugten Gebieten rund um die großen Universitäten. Werden die Wohnungen dort jetzt noch knapper, wird das die Studierenden in die Randbezirke drängen. Ihre Fahrtzeiten zur Hochschule, zu Arbeitsgruppentreffen und zum Job würden zunehmen. Das ist Zeit, die dann fürs Studium fehlt.

Während die Wohnungen knapper werden, steigen auch noch die Studierendenzahlen. Ist das Berliner Studentenwerk in der Lage, kurzfristig deutlich mehr Betten in Studentenwohnheimen anzubieten?

Da bin ich skeptisch. Im Moment versorgen wir 7,4 Prozent der Berliner Studierenden mit 9 730 Plätzen in 34 Wohnheimen. Das ist eine sehr niedrige Quote, im Bundesschnitt wohnen 11,3 Prozent in Studentenwohnheimen. Während aber in vielen Bundesländern – allen voran Bayern und Baden-Württemberg – fleißig neuer Wohnraum für Studierende geschaffen wird, gibt es in Berlin keinerlei politische Unterstützung für Neubauten. Mehr als die jetzt 132 200 Studierenden dürfen es nicht werden. Zumal wir im Moment sogar Plätze in Wohnheimen verlieren.

Warum?

Für ein Haus bestehen Restitutionsansprüche des Jewish Claim Fonds, für ein anderes wird eine Erbpachtablösung gefordert werden. Da sich weder das Land Berlin noch das Studentenwerk in der Lage sehen, für diese Kosten aufzukommen, droht der Verlust dieser Häuser mit 400 Wohnplätzen. Dann würde die Versorgungsquote auf 7,05 Prozent absinken. Wir würden dann also gerade die vom Land gewünschte Minimalversorgung erfüllen. Diese Entwicklung sehe ich mit Sorge.

In München wurden vor ein paar Jahren Wohncontainer für Studierende aufgestellt, um die schlimmste Not zu lindern. Wäre das auch ein Weg für Berlin?

Das wäre grundsätzlich sicher möglich und vor dem Hintergrund von eventuell auch wieder sinkenden Studierendenzahlen ab etwa 2020 auch überdenkenswert. In jedem Fall muss auch für Wohncontainer die Frage der Investitions- beziehungsweise Anschaffungskosten geklärt werden. Ich habe mir die Container beim Studentenwerk München einmal angeschaut. Sie sind sehr eng – nichts für Klaustrophobe. Und sie brauchen die Anbindung an ein Wohnheim. Prinzipiell verfügt das Studentenwerk über Wohnanlagen, wo die Aufstellung der Container geprüft werden könnte. Ob die Studierenden die Container annehmen oder dann doch lieber an den Stadtrand ziehen, müsste man sehen.

Berliner Landeskinder ohne überdurchschnittliches Abitur haben es schwer, in der Stadt einen Studienplatz zu finden. Sehen Sie das als Problem oder darf man von jungen Leuten nicht auch Mobilität verlangen?

Ich denke schon, dass man von jungen, begabten Menschen gerade in einer Volkswirtschaft wie der Bundesrepublik nicht nur geistige, sondern auch regionale Mobilität verlangen kann. Für junge Menschen aus Elternhäusern ohne Hochschulbildung kann es aber bereits ein großer Schritt sein, sich für den unbekannten Weg des Studiums zu entscheiden. Diese jungen Menschen brauchen dabei dann mehr Unterstützung aus dem Familien- und Freundeskreis. Dieses soziale Netzwerk wird nach dem Umzug in eine andere Stadt aber nicht mitgeliefert. Das hindert häufiger begabte Menschen aus hochschulfernen Schichten, ein Studium aufzunehmen. Angesichts des drohenden Fachkräftemangels sollte sich auch die Berliner Bildungspolitik diesem Problem stellen.

PETRA MAI-HARTUNG ist Geschäftsführerin des Berliner Studentenwerks. Es betreibt die Studentenwohnheime und Hochschul-Mensen und berät Studierende.
PETRA MAI-HARTUNG ist Geschäftsführerin des Berliner Studentenwerks. Es betreibt die Studentenwohnheime und Hochschul-Mensen und berät Studierende.

© promo

In Berlin kommen mehr Studierende als im Bundesschnitt aus einer Akademikerfamilie, nämlich 61 Prozent gegenüber 50 Prozent. Warum sind Studierende ohne akademischen Hintergrund an Berlins Hochschulen unterrepräsentiert?

Das liegt am eben beschriebenen Zusammenhang von sozialer Herkunft und Mobilität. Abiturienten aus Haushalten, wo auch die Eltern bereits einen höheren Bildungsabschluss erreicht haben, wenigsten ein Elternteil studiert und eine gehobene Position im Beruf erlangt hat, sind nachweislich mobiler. 51 Prozent aller Berliner Studierenden haben ihren Hochschulzugang außerhalb von Berlin erworben. Mobilitätsbereitschaft gehört für den Großteil der Berliner Studierenden zu den Grundvoraussetzungen für ein Studium in Berlin.

Wegen der Bachelor- und Masterstudiengänge mit ihren Präsenzpflichten müssen die Studierenden mehr Zeit an der Hochschule verbringen, als es früher üblich war. Sind die Mensen und Cafeterien jetzt noch wichtiger geworden?

Ja. Die Zeit zur Selbstversorgung wird knapper. Die Studierenden gehen darum häufiger mittags in die Mensa, aber auch die Nachfrage nach Zwischenverpflegung zum Mitnehmen ist gestiegen. Da sich auch das Jobben schlechter mit dem engen Studienplan vereinbaren lässt, suchen die Studierenden nach Kostensenkungsmöglichkeiten. Das preiswerte Mensaessen gehört zu ihren Kostensenkungsstrategien. Weil an den Hochschulen Raumnot herrscht, bauen wir die Mensen auch zunehmend so um, dass sie auch noch nachmittags als Arbeitsräume benutzt werden können.

Die Zahl der Studierenden, die jobben, ist trotz des verschulten Bachelors deutlich gestiegen. Von 65 Prozent im Jahr 2006 auf 73 Prozent im Jahr 2009. Erstaunt Sie das?

Nein, denn zunächst einmal steigen die Lebenshaltungskosten für Studenten schneller als das Bafög oder die Einkommen der Mittelschichten, die das Studium finanzieren. Außerdem wächst der Anteil von Studierenden aus niedrigeren sozialen Schichten. Und 60 Prozent der Studierenden sagen, dass sie finanziell von ihren Eltern unabhängig sein wollen.

Die Fragen stellte Anja Kühne.

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