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Dicht gedrängt. Bis 2015 kommen fast doppelt so viele zusätzliche Studienanfänger wie ursprünglich erwartet.

© dpa

Studierendenwelle: Riskanter Poker um Studienplätze

Fast doppelt so viel Studierende wie erwartet strömen an die Hochschulen. Es fehlen massenhaft Plätze. Doch Bund und Länder streiten über eine Milliarde Euro.

Welche Chancen haben Abiturienten, im Herbst einen Studienplatz zu bekommen? Schlechtere noch als die vorherigen Kohorten? Die Mittel aus dem Hochschulpakt für zusätzliche Studienplätze sind wegen des großen Andrangs von Studienanfängern erheblich schneller abgelaufen, als ursprünglich geplant. Die Nachverhandlungen gestalten sich schwierig.

Gerechnet hatten die Politiker für die Jahre 2011 bis 2015 mit 327 335 zusätzlichen Studienanfängern. Nun werden 623 787 erwartet. Bund und Länder müssen bis 2015 jeweils über zwei Milliarden Euro mehr ausgeben als geplant. Inzwischen kostet diese zweite Phase des Hochschulpakts – nach Aufstockungen für die Aussetzung der Wehrpflicht – insgesamt mehr als doppelt so viel wie ursprünglich gedacht: Statt 6,4 Milliarden Euro werden es 14 Milliarden Euro.

Die für die Jahr 2014 und 2015 fehlenden vier Milliarden sind noch nicht beschlossen. Aber schon im kommenden Wintersemester wird die Zahl der Studienanfänger über der liegen, für die die Finanzierung gesichert wäre. Im kommenden Jahr dann ist der Finanztopf, der eigentlich bis 2015 hätten reichen sollen, aufgebraucht. Darum müssen Bund und Länder das Loch im Hochschulpakt zeitnah stopfen. Im Juni sollen die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin den Beschluss fällen.

Ob es am 12. April auf der Sitzung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) zu der nötigen Einigung kommt, wie die Hochschulen sich dringend wünschen, ist allerdings unklar. Die Staatssekretäre von Bund und Ländern, die die Aufstockung des Pakts für die GWK-Sitzung vorbereiten sollten, konnten keinen Kompromiss finden. Im Effekt verlangt der Bund von den Ländern eine Milliarde mehr, als diese übernehmen wollen. „Die Länder wollen ihren Anteil nicht gegenfinanzieren“, sagt Tobias Schulze von der Linken im Bundestag auf Anfrage. Er verweist auf „Rechentricks“, mit denen die Länder sich seit Beginn des Pakts im Jahr 2007 um die mit dem Bund vereinbarte Gegenfinanzierung gedrückt hätten.

Tatsächlich hat auch der Bund den Eindruck gewonnen, dass manche Länder nicht in vollem Umfang ihren Teil der Vereinbarung erfüllt haben. Mehrere Ländern haben das Bundesgeld offenbar gestreckt, um selbst zu sparen – zu Lasten der Studierenden und des Lehrpersonals. Der Bund hat darum zuletzt von den Ländern in Zukunft mehr Transparenz gefordert. In der Beschlussvorlage verlangt er knapp, die Länder sollten jeweils die vom Bund pro Studienplatz bezahlten Mittel in gleicher Höhe gegenfinanzieren.

Das klingt zunächst logisch und fair: Der Bund hilft den Ländern bei ihrer ureigenen Aufgabe, der Finanzierung von Studienplätzen. Dafür darf er erwarten, dass die finanzielle Bürde hälftig geschultert wird. Den Studierenden ist ja auch zu wünschen, dass ihnen die Ländermilliarde nicht verloren geht.

Guter Bund, böse Länder – so einfach ist es allerdings nicht, heißt es vom Verhandlungstisch. Sehe man genauer hin, werde auch die Position der Länder erklärbar. Angesichts ihrer extrem schwierigen Haushaltslagen könne man in ihrem Vorschlag sogar ein beherztes Bekenntnis für mehr Studienplätze sehen.

Die Länder wollen keine exakte Gegenfinanzierung der Bundesmittel, sondern eine differenzierte Abrechnung nach Ländergruppen. Die westdeutschen Flächenländer wollen nur diejenigen Bundesmittel gegenfinanzieren, die tatsächlich bei ihnen ankommen. Ein Teil der Bundesmittel fließt in Pauschalen an die neuen Länder. Bekommt ein westdeutsches Flächenland dadurch nicht den Brutto-Zuschuss des Bundes für einen neuen Studienplatz (13 000 Euro), will es auch nur die tatsächlich angekommene Summe gegenfinanzieren, wie es in der Vorlage heißt. Die neuen Länder wollen Bundesmittel nur in „vergleichbarer“ Höhe gegenfinanzieren, verlangen also Spielräume.

Die Stadtstaaten, von denen der Bund Nachzahlungen für den Pakt I der Jahre 2007 und 2011 verlangt, wollen, dass der Bund darauf verzichtet. Der Bund fordert von Berlin rund 300 Millionen Euro nachträglich, von Bremen 63 Millionen und von Hamburg 263 Millionen Euro. Die Stadtstaaten interpretieren den damals gefassten Beschluss aber anders. Sie hatten wie die ostdeutschen Länder vereinbart, ihre Kapazitäten wegen des Studierendenansturms aufrecht zu erhalten – und damit weit über den Bedarf für die eigenen Landeskinder hinaus zu gehen.

Der Bund muss nun abwägen. Platzt der Pakt, weil auch nur ein Land mit Nein stimmt, ist das schlimmer als eine fehlende Milliarde, die aus Ländersicht begründbar – und Schnee von gestern ist.

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