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Studium: Großer Bachelor, kleiner Kummer

Warum soll das Studium nur drei Jahre dauern? Vieles liefe besser, hätten die Studierenden mehr Zeit.

Mit dem Bachelor sollte für Studierende vieles besser werden: Das Studium sollte besser organisiert und einfacher zu absolvieren sein als früher. Derzeit scheint aber genau das Gegenteil einzutreten. Die Bachelor-Ausbildung führe zu „Akademikern zweiter Klasse“, glauben viele Studierende laut einer neuen Studie des Bundesbildungsministeriums. Viel mehr als noch vor einigen Jahren fürchten sie, Bachelor-Absolventen würden auf dem Arbeitsmarkt mit dem neuen Abschluss keine Chance haben. Das Image des Bachelors wird immer unbeliebter, lautet ein zentrales Studienergebnis.

Das Vertrauen der Studenten in die neuen Studiengänge sinkt dramatisch – und ein Großteil der Probleme entsteht wegen der Kürze der neuen Bachelor-Studiengänge. Wie von Geisterhand gesteuert, haben sich die meisten deutschen Universitäten mit der Bologna-Reform dafür entschieden, dass der Bachelor nur sechs Semester dauert – mit Folgen für die Studenten. In die kurzen Studiengänge quetschen die Hochschulen so viele Kurse wie es nur geht, die Studenten klagen, sie seien überlastet. Gleichzeitig entsteht für sie aber der Eindruck, sie würden im Vergleich zu ihren Magister- und Diplom-Vorgängern mit ihrem Abschluss nur eine Art besseres Zwischenprüfungszeugnis erhalten.

Wegen der straffen Stundenpläne und der Angst, verpasste Kurse nur schwer nachholen zu können, zögern Studierende zudem, ins Ausland zu gehen – obwohl es doch ein Ziel der Reform ist, den Austausch zu erleichtern. Von amerikanischen Hochschulen ist sogar immer wieder zu hören, sie würden den dreijährigen Bachelor gar nicht anerkennen. In den USA dauert das erste Studium für alle Studierenden vier Jahre.

Muss der Bachelor in Deutschland wirklich unbedingt nur drei Jahre dauern? In der Tat dürfen Bachelor und Master zusammen fünf Jahre nicht überschreiten – eine Sparmaßnahme der Länder, denn ein längeres Studium kostet mehr Geld. Allerdings geht damit keineswegs der Zwang einher, den Bachelor auf drei Jahre anzulegen, dem dann ein zweijähriger Master folgt.

Gleichwohl beharren die Unis auf dem Modell. Aus ihrer Sicht kommt es auf den Master an. Die Krönung eines seriösen Studiums soll wie zu Humboldts Zeiten in der Annäherung an die Forschung liegen. Deswegen müssten vier Semester für den Master vorgehalten werden. Würde man dem Bachelor mehr Raum geben, müsste man beim Master kürzen. „Die Verlängerung des Bachelorstudiums auf sieben Semester ist kein Thema an der FU“, sagt denn auch Christine Keitel-Kreidt, Vizepräsidentin an der Freien Universität. 75 Prozent der Bachelorstudiengänge an den deutschen Universitäten haben eine Regelstudienzeit von sechs Semestern, 71 Prozent der Masterstudiengänge dauern vier Semester. An den Fachhochschulen ist es anders. Dort weisen 41 Prozent der Bachelorstudiengänge eine Regelstudienzeit von sieben Semestern auf.

Seit 2007 gibt es Vorstöße von Politikern, die starre Einteilung von Bachelor und Master zu modifizieren. Die CDU-Minister Lutz Stratmann (Niedersachsen), Peter Frankenberg (Baden-Württemberg) und der CSU-Minister Thomas Goppel können sich sieben- oder achtsemestrige Bachelor-Studiengänge vorstellen, um Ziele wie einen Auslandsaufenthalt oder ein Praxissemester zu ermöglichen. Aber zu einer Kurskorrektur hat es nicht gelangt.

Tatsächlich hätte ein verlängerter Bachelor Vorteile für die Studierenden, sagt Sabine Kunst, Präsidentin der Uni Potsdam. Ihrer Erfahrung nach bräuchten viele Studierende für die auf drei Jahre angelegten Programme sowieso vier Jahre. „Ein Jahr mehr wäre da einfach besser“, sagt Kunst. Sie würde den Bachelor in Potsdam gerne flexibler gestalten und achtsemestrige Konzepte unterstützen.

Kunst will zunächst die Studieneingangsphase intensivieren: Mit zusätzlichen Kursen, in denen wissenschaftliches Lesen gelehrt oder der Umgang mit Gruppenarbeit eingeübt wird. Den Erstsemestern würde das Studium so leichter fallen. In den folgenden Semestern sollte „die bisherige Verschulung aufgebrochen werden“ – und Studierende durch wissenschaftliche Projekte an die Forschung herangeführt werden. Ein Auslandssemester sollte integriert werden.

Die Masterstudiengänge müsste Kunst im Gegenzug auf ein Jahr kürzen. Statt einjähriger Masterprogramme will Kunst im zweiten Studienzyklus aber verstärkt dreijährige „Fast-Track-Programme“ zur Promotion anbieten, bei denen Studenten den Masterabschluss überspringen. Wie schwierig es allerdings ist, vom einmal eingeschlagenen Weg wieder abzubiegen, zeigt sich ebenfalls in Potsdam. Die Fakultäten und der Senat lehnten die von Kunst vorgeschlagene flächendeckende Verlängerung des Bachelors um ein Jahr ab. „Die Fakultäten wollen abwarten, ob die dreijährigen Programme sich bewähren, anstatt alles erneut umzuwerfen“, sagt Kunst. Der vierjährige Bachelor wird nun an zwei Modellstudiengängen ausprobiert.

Die Frage, ob der deutsche Bachelor von amerikanischen Universitäten akzeptiert wird, könnte künftig noch an Brisanz gewinnen. Zwar ist der Anteil der US-Unis, die einen dreijährigen Bachelor prinzipiell ablehnen, zwischen 2005 und 2006 laut einer Umfrage unter amerikanischen Graduiertenschulen von einem Drittel auf 18 Prozent gesunken. Doch bisher konnten die Deutschen auf ihre um ein Jahr längere Schulzeit verweisen, die den kürzeren ersten Studienzyklus wettmache. Jetzt wird auch die Gymnasialzeit um ein Jahr verkürzt. „Wir werden uns etwas überlegen müssen, wenn wir den Amerikanern nicht mehr sagen können, dass ihr erstes Unijahr unserem letzten Schuljahr entspricht“, warnte Christian Bode, Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, unlängst in Berlin.

Auch in einem aktuellen Report der amerikanischen Vereinigung der Uni-Auslandsämter heißt es, die meisten größeren Unis akzeptierten einen dreijährigen Bachelor nur dann, wenn ihm eine 13-jährige Schulzeit vorausginge. Welche Folgen das kürzere Gymnasium haben kann, zeigt sich derzeit an den deutschen Technischen Hochschulen. Sie versuchen, mit ihrem Ingenieur-Bachelor im „Washington Accord“ aufgenommen zu werden. Die Länder in diesem Zusammenschluss – darunter die USA und Japan – erkennen den ersten Abschluss bei den Ingenieuren gegenseitig als berufsqualifizierend an. Die Verhandlungen mit Deutschland stocken, seitdem die Verkürzung der Gymnasialzeit bekannt wurde. Es sei schwer zu erklären, dass Deutschland zwar die Schulzeit verkürze, den zu vermittelnden Stoff aber beibehalten wolle, sagt Jörg Steinbach, Vizepräsident der TU Berlin, der an den Verhandlungen beteiligt ist.

Andere widersprechen: Das Problem werde überschätzt. Stuart Heiser von der Vereinigung der Graduiertenschulen sagt: „Die Länge der sekundären Schulbildung spielt bei der Auswahl zum Master unserer Erfahrung nach keine Rolle.“ Ulrich Grothus, der das New Yorker Büro des DAAD leitet, sagt, gerade für die großen Unis mit vielen ausländischen Masterstudenten sei die Dauer des vorangegangenen Studiums nicht allein ausschlaggebend. Diese Unis könnten es sich bei der Suche nach den weltweit besten Bewerbern gar nicht leisten, Absolventen eines dreijährigen Bachelorstudiums aus formalen Gründen abzulehnen. Üblich seien vielmehr Eignungstests. „Die US-Unis prüfen jeden Einzelfall“, sagt auch Peter Gaehtgens, Vorstandsmitglied der European University Association.

Vielleicht haben die Spanier bei der Neuorganisation der Studiengänge den Stein der Weisen entdeckt. Die Spanier erfanden das 6-2-4-Modell. Nach sechs Semestern müssen sich die Bachelorstudenten entscheiden, ob sie einen Abschluss mit direktem Berufseinstieg wünschen oder eine Fortsetzung in Wissenschaft und Forschung. Wer auf die Wissenschaft setzt, wechselt für die nächsten vier Semester in einen Masterstudiengang. Wer dagegen den direkten Berufseinstieg wählt, muss nach dem sechsten Semester zwei weitere Semester studieren. Das Bachelorexamen hat er dann nach acht Semestern in der Tasche.

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