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Damit sich was dreht. Absolventinnen und Absolventen der TU Berlin sind gefragt – beispielsweise für die Fertigung von Flugzeugtriebwerken bei Rolls-Royce.

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Studium - und was dann?: Neugierde, Talent – und etwas Glück

Absolventenbefragungen zeigen: Der Einstieg in den Beruf gelingt schnell und gut. Viele finden den ersten Job in Berlin.

Die Masterarbeit war gerade gedruckt, da fand sich Sarah Bauer schon in eine echte Arbeitnehmerin verwandelt: mit einem Chef, einem Kollegenteam, einem Gehalt. Den Chef der Firma, die mit ihrem Institut kooperiert, hatte sie in einer Vorlesung über Materialprüfung im Bauwesen kennengelernt und mit dem Team bereits im Labor experimentiert. Plötzlich gab es eine freie Stelle in ebenjener Firma, bald folgte der erste Arbeitstag. Ging das vielleicht ein wenig zu schnell? „Ich hatte das nicht geplant“, sagt Sarah Bauer. „Es hat sich aber perfekt gefügt.“

Zugegeben, nicht für alle Studierenden verläuft der Wechsel von der Uni in den Job derart rasant. Auch Glück ist eine Ingredienz für die Formel zum richtigen Berufseinstieg. Doch wenn es nach dem statistischen Durchschnitt geht, können alle Studierenden entspannt durchatmen und sich auf ihr Abschlusszeugnis freuen. Die Arbeitslosenquote von Akademikern liegt fast unter der Wahrnehmungsgrenze, bei drei Prozent. Die Absolventenbefragungen der TU Berlin bestätigen dies. Hier benötigen Studierende im Schnitt nur zwei Monate, um die erste Beschäftigung zu ergattern. Das erste Bruttogehalt liegt bei durchschnittlich gut 3000 Euro.

Diese Zahlen liegen, säuberlich in Balkendiagramme und Tabellen sortiert, auf dem Schreibtisch von András Budavári. Er ist an der TU für die Absolventenbefragung zuständig. Jedes Wintersemester verschickt er Briefe an die Absolventen und bittet sie, eineinhalb Jahre nach ihrem Abschluss, in einer ausführlichen Befragung um ihre Erfahrungswerte. Wie lange dauerte die Arbeitssuche? Wie viele Bewerbungen mussten Sie schreiben? Wo haben Sie den ersten Job gefunden? Ist das theoretische Wissen aus dem Studium in der Berufspraxis anwendbar?

Die Mehrheit verdient ihr Geld mit dem, was sie gelernt hat

„Wir haben einen Befragungsrücklauf von knapp 35 Prozent“, sagt Budavári. Die Ergebnisse böten ein repräsentatives Bild, das keineswegs nur die Glanzlichter der TU-Kohorte abbilde. „An den Umfragen nehmen auch diejenigen teil, die keine guten Abschlussnoten hatten“, sagt er, nicht ohne Sympathie für seine Befragungsschützlinge. Die Auswertungen zeigten, dass es insgesamt eine „ziemlich hohe Beschäftigungsadäquanz“ gebe. Heißt: Die Mehrheit verdient ihr Geld tatsächlich mit dem, was sie im Studium erlernt hat. Auch die nicht allzu marktförmigen Sprach- und Kulturwissenschaftler, denen hartnäckig eine Karriere im Taxibusiness angedichtet wird, brauchen nur drei bis sechs Monate bis zur Beschäftigung in ihrem Arbeitsfeld.

Natürlich sind „Arbeitsfeld“ und „Beschäftigungsadäquanz“ dehnbare Begriffe. Auch schnurgerade erscheinende Karrierewege schlängeln sich in Wahrheit durch verschiedenste Etappen. Andrea Reichelt hat an der TU Berlin Wirtschaftsingenieurswesen studiert – damals, noch vor der Bologna-Reform, auf Diplom. Zwölf Jahre ist das jetzt her, eine Handvoll Berufsstationen hat sie hinter sich, von der Unternehmensberatung über den Großkonzern im Transportwesen, wo sie strategische Einkäuferin war, bis zum mittelständischen Unternehmen in der Energiebranche. Hier ist sie heute als Geschäftsführerin für die kaufmännischen Themen zuständig.

„Das Schwierigste war, den allerersten Job zu finden“, sagt sie im Rückblick. „Hier gab es noch viel Konkurrenz und ich habe einige Absagen bekommen. Später hat sich vieles ergeben.“ Je mehr Berufserfahrung man sammle, umso unwichtiger werde das Abschlusszeugnis, sagt sie. „Wichtig ist dann nur noch, dass man es hat.“ Von den Jahren an der Universität profitiere sie bis heute, wenn auch eher indirekt. „Als Geschäftsführerin musste ich mich wieder in Buchhaltung und rechtswissenschaftliche Grundlagen einarbeiten. Das ist mir leicht gefallen, weil die Themen nicht ganz neu waren und ich sie aus dem Studium wiedererkannt habe.“

Und noch etwas bezeugen sowohl Andrea Reichelts Berufsweg, als auch András Budaváris Diagramme: Die Absolventinnen und Absolventen der TU Berlin bleiben oft und gerne in Berlin. Durchschnittlich 64 Prozent des 2013er Jahrgangs haben in Berlin einen Job gefunden, in Fächern wie Physik, Informatik, Mathematik und Architektur liegt die Verbleibquote gar um 80 Prozent. „Kalkuliert man noch ein, dass wir viele ausländische Studierende aus China, Indien oder Frankreich haben, die nach ihrem Master oftmals wieder in die Heimat zurückgehen, sprechen die Zahlen wirklich für Berlin“, sagt er.

Zwar könne die Stadt nicht mit einer großen Maschinenbau- und Automobilindustrie wie in Baden-Württemberg oder Bayern aufwarten. Berlin habe jedoch eine große Start-up-Szene: „Informatiker sind heiß begehrt.“ Typisch für den hiesigen Standort seien auch strategische Kooperationen zwischen mittelständischen Unternehmen und der TU Berlin – „und sehr viel Forschung“, sagt Budavári. Mit einem technischen Studium lande man nicht selten bei Siemens, Rolls Royce oder bleibe ganz in der Wissenschaft.

Berufschancen verbessern durch fachliche Vertiefung

Zumindest mit einem Auge blickt auch Sarah Bauer auf diese Option – jene Studentin, die vom Hörsaal nahtlos zu dem Berliner Baustoffprüfer gewechselt hat. In ihrer Masterarbeit hatte sie untersucht, ob durch Injektionen, die man zur Aushärtung in den Boden presst, giftige Stoffe ins Grundwasser gelangen. Vergangenes Jahr erhielt sie dafür den Clara-von-Simson-Preis der TU Berlin, der die besten Abschlussarbeiten von Frauen der natur- und technikwissenschaftlichen Fächer würdigt. „Der Preis soll Frauen zu einer wissenschaftlichen Laufbahn ermutigen“, sagt sie. „Das kann ich mir gut vorstellen – für später, in zwei oder drei Jahren.“

Vorerst ist sie allerdings froh über ihren ersten richtigen Beruf als Bauingenieurin. Sie genießt es, anwendungsbezogen zu arbeiten und den Kontakt mit den Kunden, deren Betriebe sie besucht und im Bereich Porenbeton und Dämmstoffe kontrolliert. Noch vor ein paar Jahren, in der Schule, hat sie Mathe- und Kunst-Leistungskurse belegt, vom Architekturstudium geträumt. „Bekannte haben mir jedoch davon abgeraten, und ich dachte: Als Bauingenieurin muss ich rechnen, darf aber auch Entwürfe zeichnen.“ Dass sie sich am Ende auf Baustoffe spezialisiert hat, gehört zu den produktiven Unwägbarkeiten eines Studienverlaufs, in dem Neugierde, Talent, Zufall und Nachfrage des Arbeitsmarkts ineinander greifen.

Apropos Nachfrage des Arbeitsmarkts: Lohnt es sich, einen Master zu machen? Budavári scrollt, prüft, tippt dann auf den Bildschirm. „60 bis 80 Prozent der TU-Studierenden machen einen Master-Abschluss, je nach Studienfachrichtung.“ Ein Grund sei das zu erwartende Gehalt. Um die tausend Euro geringer sei der Bruttolohn bei den Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen. „Viele haben jedoch auch ein inhaltliches Interesse. Sie wollen ihre Berufschancen verbessern, indem sie sich fachlich vertiefen“, sagt er.

Andrea Reichelt hat als Geschäftsführerin inzwischen selbst Bewerbungen im Posteingang. Sie findet, dass äußere Faktoren natürlich eine Rolle spielen: Abschlussnote, Praktika, Auslandsjahr. In Wahrheit lagerten sich unter den glattpolierten Lebensläufen aber auch Krisen und ungewöhnliche Erfahrungen an, die wichtig seien. „Es geht nicht um den nahtlosen Übergang von der Uni in den Beruf. Was ich suche, sind Persönlichkeiten.“

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