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Braun erscheinende Risse überziehen die helle Oberfläche des Jupitermonds Europa.

© Nasa/JPL-Caltech/SETI Institute

Suche nach Leben im All: Sonden untersuchen Eismond als heißen Kandidaten

Die Esa und die Nasa wollen den Jupitermond Europa besuchen. Der Ozean unter seiner Eisdecke könnte bewohnt sein.

In der Fachwelt werden die Fragen manchmal belächelt, doch viele Menschen treiben sie um: Gibt es außerirdisches Leben? Und wo? Einer der „heißen“ Kandidaten für die Suche nach bewohnten Welten ist der Eismond Europa, der Jupiter umkreist.

Er erfüllt drei wesentliche Voraussetzungen, die nach heutigem Wissensstand notwendig sind, um biologische Systeme hervorzubringen: Flüssiges Wasser, Wärmeenergie und Schutz vor Strahlung aus dem All.

Doch Europa ist nicht nur als mögliches Biotop interessant. Seine Oberfläche aus Eis ist sehr hell, sie ist zudem sehr jung. Der Himmelskörper ist also wahrscheinlich geologisch aktiv.

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Besuch im Mini-Sonnensystem

Gemeinsam mit den weiteren nach ihrem Entdecker benannten Galileischen Jupitermonden Io, Ganymed und Kallisto bildet er eine Art Mini-Sonnensystem. Es hilft Wissenschaftlern, die Entwicklung des „großen“ Sonnensystems und der Systeme von Exoplaneten besser zu verstehen.

So umreißt Norbert Krupp vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen die Gründe für die weitere Erforschung der großen Jupitermonde. Er hat diese Argumente schon zigmal vorgetragen, unter anderem als er gemeinsam mit Kollegen vor mehr als zehn Jahren eine Raumfahrtmission vorschlug und für diese warb. Sie wurde zuerst von Europa unter dem Titel „Laplace“ vorangetrieben, auch die USA, Japan und Russland wollten mitmachen, erzählt der Göttinger Forscher. 2012 zog die Nasa aus Kostengründen zurück, nach viel Hin und Her gibt es nun – mit einiger Verspätung – zwei Missionen: Die Sonde „Juice“ (Jupiter Icy Moons Explorer) der Esa, die im Juni 2022 abheben soll, sowie „Europa Clipper“ der Nasa, die 2024 aufbrechen soll.

Die Sonden werden erst Ende des Jahrzehnts bei Jupiter ankommen, ihre Arbeitsgebiete sind aufeinander abgestimmt. „In der Nähe des Planeten, in der Umlaufbahn von Europa, ist die Strahlenbelastung extrem hoch“, sagt Krupp. Der Grund: Das Magnetfeld des Jupiter ist sehr stark und beschleunigt geladene Teilchen massiv. Die Amerikaner hätten mehr Erfahrung darin, entsprechend abgeschirmte Raumfahrzeuge zu bauen, sagt Krupp. Ihr Clipper werde deshalb dorthin geschickt, um Europa einige Dutzend Mal zu umkreisen. „Die Esa-Mission Juice wird nur zweimal an diesem Mond vorbeifliegen, 13 mal an Kallisto und schließlich um Ganymed kreisen, wo die Strahlung geringer ist.“

Illustration der Esa-Sonde zwischen Jupiter und Europa
Die Sonde "Juice" soll Europa zweimal passieren.

© ESA/AOES

Die Sonden sind mit etlichen Geräten ausgestattet, mit denen die Wissenschaftler den inneren Aufbau der Monde, ihre Oberflächen und dünnen Atmosphären sowie die umgebenden Magnetfelder und Teilchen erforschen wollen. Die Daten auszuwerten dürfte kompliziert werden, da sich verschiedene Phänomene überlagern und die Messungen auseinanderklamüsert werden müssen. Dazu soll etwa der Sensor JEI (Jovian Electron and Ion Sensor) beitragen, den die Göttinger Wissenschaftler für die Juice-Sonde gebaut haben.

„Um die Monde herum gibt es eine sehr dünne Atmosphäre und darin fließen Ströme“, erläutert Krupp. Die Ströme, die sich mittels JEI ermitteln lassen, beeinflussen die Magnetfelddaten. „Um das tatsächliche Magnetfeld der Himmelskörper zu vermessen, das auch Aufschluss über ihren inneren Aufbau gibt, müssen die Störungen der Atmosphäre herausgerechnet werden.“ Das werde mit den Messungen von JEI hoffentlich möglich sein.

Eine weitere mögliche Fehlerquelle hat Gregor Steinbrügge von der Stanford Universität in Kalifornien ausgemacht. Wasserfontänen, die aus Europas Eisdecke hervorschießen, stammen womöglich nicht aus dem unterirdischen Ozean, sondern lediglich aus Hohlräumen in der eisigen Kruste. Das berichteten er und Kollegen kürzlich in den „Geophysical Research Letters“. Die Suche nach Lebensspuren in dem verborgenen Meer könnte daher irreführende Ergebnisse liefern.

Die Wissenschaftler haben untersucht, wie die Bruchstruktur im Eis des Manannán-Krater entstanden sein könnte und favorisieren folgendes Modell: Beim Einschlag eines Asteroiden oder Kometen wurde viel Energie frei, die das Eis teilweise geschmolzen hat. Das Schmelzwasser friert von den kalten Rändern her wieder zu. Das neue Eis jedoch enthält kaum Salz, so dass die verbleibende Flüssigkeit immer salziger wird.

„Dieses Salz kann in vorhandenes Eis diffundieren und senkt dort die Schmelztemperatur, es schmilzt“, erläutert Steinbrügge. Auf diese Weise wandert die Flüssigkeit im Eis des Kraters von außen nach innen. „Und zwar nicht der Gravitation folgend nach unten, sondern horizontal, von kalt zu warm.“ Wenn die Kaltfront die Wassertaschen einholt und die Flüssigkeit ebenfalls beginnt zu gefrieren, dehnt sie sich aus. Der Druck steigt, das Eis bricht und eine Fontäne schießt hervor. Rund 300.000 Jahre dauert das Ganze, hat Steinbrügge ausgerechnet.

Er betont, dass dieser Mechanismus nicht für alle Formen des Kryovulkanismus – so der Fachbegriff für die Ausbrüche im Eis – infrage komme. Durch das Aufreißen und Gefrieren des Eises könne ebenso Ozeanwasser nach oben befördert werden. Deshalb, so der Forscher, müsse man vorsichtig sein: „Das bedeutet, dass die Eruptionen nicht zwangsläufig aus dem Ozean gespeist werden.“ Wenn eine Forschungsmission nach Hinweisen auf Leben sucht und in dem ausgeworfenen Material nichts findet, könnte das schlicht daran liegen, dass es nicht aus dem Ozean stammt, sondern lediglich aus der Eisdecke.

Flüssiges Wasser, Strahlenschutz und Energie

Die eisige Oberfläche Europas hat im Gegensatz zu der anderer Himmelskörpern kaum Krater. Forscher schätzen ihr Alter auf höchstens einige Dutzend Millionen Jahre. Vermutlich besteht sie aus größeren Bruchstücken, die sich ähnlich den irdischen Kontinentalplatten bewegen und auch erneuern. Hinzu kommt die Gezeitendynamik: Die Massen von Jupiter und der anderen Monde erzeugen einen Tidenhub von bis zu 30 Metern.

Die zwischen zehn und zwanzig Kilometer dicke Eisdecke ist auch ein effektiver Strahlenschutz für den darunter liegenden Ozean. Er komplettiert wichtige Voraussetzungen für Leben: flüssiges Wasser, Strahlenschutz und Energie. Letztere stammt aus den enormen Gezeitenbewegungen und dem radioaktiven Zerfall der Elemente im festen Kern des Mondes. Zudem hat der Ozean Kontakt zum Kern. Wenn dort Material herausgelöst wird, können chemische Reaktionen ebenfalls Energie liefern.Welchen Anteil die einzelnen Komponenten haben, ist nicht geklärt, geschweige denn, ob der Ozean des Europa belebt ist oder jemals war.

„Man könnte als Analogie die hydrothermalen Quellen an unseren mittelozeanischen Rücken heranziehen“, sagt Norbert Krupp. Dort haben sich Einzeller etabliert, die gelöste Minerale chemisch verstoffwechseln. „Der Europa-Ozean ist aber 100 oder 200 Kilometer tief, der Druck am Grund viel höher“, gibt er zu bedenken. „Ich bin sehr skeptisch, ob es da wirklich Leben gibt.“

Gregor Steinbrügge, aktuell für die Nasa-Mission, schätzt die Chance auf „50 bis 60 Prozent“, vermutet aber nur simple Einzeller, keine höheren Lebewesen. „Wenn unter gewissen Voraussetzungen auf der Erde Leben entstanden ist, dann sollte es auch auf anderen Himmelskörpern entstehen, wenn dort ähnliche Bedingungen herrschen.“

Spätere Vor-Ort-Untersuchung

So argumentiert auch Dirk Schulze-Makuch, Astrobiologe an der TU Berlin, weist aber darauf hin, dass nicht genau geklärt ist, wie das Leben auf der Erde entstanden ist. Ging es aus kleinen Tümpeln auf Land hervor, wäre das auf Europa nicht möglich. Entstand es aber an hydrothermalen Quellen im Ozean, stünden die Chancen gut, dass das auch auf dem Jupitermond glückte.

„Bei Europa sind die Voraussetzungen so gut, dass es der einzige Körper im Sonnensystem ist, wo es höheres Leben geben könnte“, sagt der Forscher und verweist auf heiße Quellen auf dem Grund der Erdmeere, wo auch Krabben leben. „Wir haben das mal für Europa durchgerechnet, dort sind so viele Nährstoffe, dass es Mehrzeller geben könnte, vielleicht Salzshrimps oder so etwas.“

Schulze-Makuch und Kollegen haben bereits vor 15 Jahren bei den Planungen einer Nasa-Mission für ein Landemodul geworben. „Baskteballgroß, das hätte genügt, um etwas Eis an der Oberfläche zu schmelzen und zu analysieren.“ Shrimps wären da sicher nicht drin, aber vielleicht komplexe Moleküle wie ATP oder DNA, die typisch für Leben sind. Wäre der Ozean belebt, könnten die Bausteine auch im Eis enthalten sein. „Am besten schaut man einen Meter unter der Oberfläche nach, wo die Strahlenbelastung geringer ist“, sagt der Wissenschaftler.

Doch weder Europa Clipper noch Juice haben Lander dabei, was Schulze-Makuch ärgert. „Wer Astrobiologie machen will, muss vor Ort messen“, sagt er. Wenn man nur „wie ein Moskito“ um ein Objekt herumschwirre, könne man viel über die Oberfläche und Atmosphäre lernen, aber nur wenig über das Innere.

Er tröstet sich damit, dass die beiden Missionen viele neue Daten liefern werden und so beitragen können, einen geeigneten Landeplatz für eine spätere Vor-Ort-Untersuchung zu finden. Bis Beweise dafür erbracht werden, dass es auf Europa Leben gibt, wird es also noch lange dauern. Sofern sie überhaupt zu finden sind.

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