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Spuren der Vergangenheit. Was man in der Jugend noch schön findet, kann später die Karriere behindern. Doch je größer die Tätowierung ist, umso schwieriger ist es, sie wieder loszuwerden.

© dapd

Tattoo-Entfernung: Bunt fürs Leben

Mancher bereut eine Tätowierung bereits nach kurzer Zeit. Vor allem farbige Bilder sind schwer zu entfernen.

Ein Stück Haut auf der Brust eines russischen Bassbaritons löste in diesem Jahr in Bayreuth einen Skandal aus. Denn die älteste Schicht des dort sichtbaren Tattoos kann als Hakenkreuz gedeutet werden, später erweitert um einen achtzackigen Stern mit Drachen und Schwert. „Es war ein großer Fehler in meinem Leben und ich wünsche mir, dass ich es nie getan hätte“, sagt Evgeny Nikitin heute. Die Jugendsünde wird die Karriere des Sängers nicht dauerhaft hemmen, sie verhinderte jedoch seinen Auftritt als Fliegender Holländer bei den Festspielen. Nikitin ist das Zeichen auf seiner Haut leid.

Immer wieder wollen Menschen eine Körperzeichnung, die ein Leben lang halten sollte, ungeschehen machen. Nach Schätzungen der Uni Regensburg, wo die Arbeitsgruppe des Dermatologen Wolfgang Bäumler zu Tattoos forscht, sind es etwa fünf Prozent der Tätowierten.

Rund 50 von ihnen kommen pro Jahr in die Abteilung Lasermedizin der Evangelischen-Elisabeth-Klinik in Berlin. Darunter sind auch viele, die sich Augenbrauen oder Kontur der Lippen als „permanentes Make-up“ zeichnen ließen. „Auch das sind Tätowierungen“, sagt Chefarzt Hans-Peter Berlien. Die Farbstoffe werden mit Einstichen knapp einen halben Zentimeter unter die Oberhaut gebracht – mit allen Risiken, die das beinhaltet: Das Gewebe kann sich infizieren, es kann vernarben, die Farben können für den Menschen unverträglich sein.

Die Tätowierung später zu entfernen, ist weder riskanter noch schmerzhafter als die Prozedur, mit der sie geschaffen wurde. Es ist allerdings langwieriger, teurer und längst nicht immer von Erfolg gekrönt. Bei der elegantesten Methode geben „gepulste“ Laser kurze Impulse von sehr hoher Energie auf die Haut ab. Sie werden von den Farbpartikeln der Tätowierung aufgenommen und sprengen sie zu kleinen Bruchstücken. In den Wochen nach diesen Mini-Explosionen nehmen sich Zellen der körpereigenen Immunabwehr der verbliebenen Kleinstteilchen an und transportieren sie aus der Haut ab.

Selbst wenn das gut klappt, gibt es Einschränkungen. Das Entfernen dauert immer mehrere Sitzungen – möglichst im Winter, wenn die Haut nicht gebräunt ist und keine Pigmentzellen zerstört werden können. Sonst kann es passieren, dass das Lasern auf der Haut ein Negativbild des Tattoos entstehen lässt. Anker, Blume oder Schmetterling sind dann weiß gezeichnet. Zwischen den Behandlungen müssen zudem Pausen liegen, in denen sich die Haut erholen kann. Die Kleinstpartikel des zerstörten Bildes verschwinden nicht einfach aus der Haut, sie gelangen in die Lymphdrüsen. Ob sie dort Schaden anrichten, ist nicht geklärt.

Die Frage stellt sich schon vorher, denn auch aus sichtbaren Tattoos entweichen feinste Partikel ins Gewebe. Aus den Farbstoffen können sich aromatische Amine abspalten, die als krebserregend gelten. Über mögliche Zusammenhänge zwischen schwarzem Hautkrebs (Melanomen) und Tätowierungen gibt es allerdings noch keine Studien, die streng wissenschaftlichen Maßstäben genügen.

Harmlosere Irritationen der Haut dagegen sind nicht selten.. Eine im Fachjournal „Dermatology“ veröffentlichte Online-Befragung der Universität Regensburg von fast 4000 Tätowierten in deutschsprachigen Ländern zeigte: Zwei Drittel der Befragten litten direkt nach dem Tätowieren, einer von zehn auch vier Wochen danach noch unter Hautproblemen. Problematisch sind auch die Tuschen und Tinten, die bei einer Tätowierung unter die Haut gehen. Außer Kohle enthalten sie oft Metalle. Und wer weiß schon, welche Materialien etwa beim Urlaub in Thailand für das Tattoo verwendet wurden?

Wo kaum Fettgewebe unter dem Tattoo liegt, ist es besonders schwer per Laser zu entfernen. „Hirschgeweihe am unteren Rücken sind katastrophal“, sagt Berlien. Genauso wie dunkles Rot, wie es beim „Permanenten Make-up“ für die Lippen verwendet wird. „Oft wird ein schmutziges Grau-Braun daraus“, warnt Berlien. In einigen Fällen rät er eher zu einer operativen Entfernung beim Plastischen Chirurgen als zum Lasern. Unter Umständen kann das Tattoo mit einer Kombination aus Schneiden und Lasern entfernt werden. Ihm „flüssig“ zu Leibe zu rücken, etwa mit Lösungen, die hochprozentige Milchsäure enthalten, wird nicht empfohlen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnte 2011 vor den gesundheitlichen Risiken.

Da ein Tattoo keine Krankheit ist, kommen die Kassen normalerweise nicht für dessen Entfernung auf. Leiden kann man trotzdem darunter. „Den meisten ist es sehr wichtig, dass das Motiv entfernt wird, sie nehmen dafür im Notfall auch Narben in Kauf.“ Manchmal ist das Tattoo auch ein Hindernis für eine berufliche Laufbahn, etwa Tattoos auf dem Unterarm für den Polizeidienst.

Die Narben, Unebenheiten und weißen Stellen, die nach der Entfernung der Körperzeichnung oft zurückbleiben, erinnern später an eine Lebensphase, die der betreffende Mensch längst hinter sich gelassen hat. „Nicht immer sind die Tattoos freiwillig entstanden“, gibt Berlien zu bedenken. Berlien kann von Patienten berichten, die sie im Stasigefängnis in Hohenschönhausen bekamen. „Und für die historischen Tätowierungen auf den Südseeinseln gilt, dass die Menschen zu einer Gruppe gehören wollten.“

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