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Im Innenohr (hier der Maus) sind die Sinneszellen wie auf einer Wendeltreppe angeordnet – hohe Töne werden unten, tiefe weiter oben wahrgenommen.

© C. Vogl & C. D. Afonso, IAN Göttingen

Taubheitsgen korrigiert: Gentherapie heilt Gehörlosigkeit

Gehörlosigkeit kann auf einem Gendefekt beruhen. Bei Mäusen wurde er nun erfolgreich behoben.

An der Harvard Universität in Cambridge, USA, ist es gelungen, in neugeborenen Mäusen ein Gen zu reparieren, dessen Defekt zum Verlust des Gehörs führt. Das ist zwar noch kein Grund, etwa für Eltern gehörlos geborener Kinder, eine Therapie mit herkömmlichen, erfolgreichen Mitteln, wie einem Cochlea-Implantat, nicht durchführen zu lassen.

Aber das Experiment gibt Anlass zur Hoffnung, dass in Zukunft auch beim Menschen genetisch bedingte Hörverluste ursächlich behandelt werden könnten - indem die Zellen im Ohr den Schall wieder in elektrische Impulse umwandeln können.

In den vergangenen Jahren ist es Forschern schon häufiger gelungen, taube neugeborene Mäuse so zu behandeln, dass ihre Haarsinneszellen im Innenohr Schallwellen wieder wahrnehmen und Reize ans Hörzentrum im Gehirn weiterleiten konnten. Allerdings handelte es sich dabei meist um eher seltene Gendefekte, etwa die sogenannte „Beethoven“-Mutation.

Bei solchen Gendefekten reicht es, sie nur von einem Elternteil vererbt zu bekommen, um zu erkranken. Schaltet man solche (dominanten) Genmutationen also mithilfe einer Gentherapie aus, kann die intakte, vom anderen Elternteil geerbte Version des Beethoven-Gens sich durchsetzen und das Hörvermögen wiederherstellen.

Enzym repariert Defekt

Doch solche dominanten Mutationen sind vergleichsweise selten. Viel häufiger, zu etwa 80 Prozent, entsteht erblich bedingte Gehörlosigkeit durch rezessive Mutationen, die von beiden Elternteilen vererbt wurden. Eine solche Genmutation – ein falscher Baustein im Tmc1-Gen – hat das Team um David Liu von der Harvard Universität und Jeffrey Holt vom Children’s Hospital in Boston nun zum ersten Mal erfolgreich in neugeborenen Mäusen repariert.

Dazu verpackten sie die Bauanleitung für ein spezielles Enzym, das den falschen Baustein im Tmc1-Gen aus- und den korrekten einbauen kann, in bestimmte Adenoassoziierte Viren (AAV). Infizierten sie das Innenohr der neugeborenen Mäuse mit den Viren, produzierten die Zellen das Enzym, das dann den Gendefekt im Erbgut reparierte.

Das Tmc1-Gen enthält den Bauplan für ein Protein, dass in der Zellmembran der Haarsinneszellen im Innenohr sitzt und für die Umwandlung des mechanischen Schallreizes in einen elektrischen Impuls unerlässlich ist. In den tauben „Baringo“-Mäusen ist dieser Prozess aufgrund der Tmc1-Mutation unterbrochen.

Die Gentherapie reparierte das Tmc1-Gen und den Messungen zufolge konnten die Zellen daraufhin einen elektrischen Impuls als Reaktion auf den Schall hervorbringen: Vier Wochen nach der Behandlung reagierten die Mäuse bereits auf Töne einer Lautstärke von nur 60 Dezibel – etwa normale Gesprächslautstärke. Unbehandelte Mäuse registrierten selbst Lärm von 110 Dezibel nicht. Den Forschern zufolge waren bei den Mäusen keine negativen Auswirkungen der Gentherapie zu beobachten, auch nicht, wenn sie völlig gesunde, hörende Mäuse zur Kontrolle behandelten.

Nach sechs Wochen nahm die Hörfähigkeit bei den Mäusen jedoch etwas ab. Es sei also noch Forschung nötig, um herauszufinden, woran das liegen könnte und ob die Technik noch verbessert werden kann, so die Forscher.

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