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Therapie: Heilsamer Tabak

Medikamente in Pflanzen zu produzieren soll Kosten sparen und neue Wege in der Therapie eröffnen.

Geduld ist bitter, aber sie trägt süße Früchte, hat Jean-Jacques Rousseau einmal gesagt. Der Pflanzenforscher Ralph Bock vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam dürfte dem zustimmen. Vor wenigen Wochen hat er einen großen Erfolg feiern können: Er hat Tabakpflanzen dazu gebracht, eine Art natürliches Antibiotikum in großen Mengen herzustellen. Der Weg dorthin war nicht leicht, rund zweieinhalb Jahre lief das Projekt. Nun hofft Bock, dass seine Ergebnisse den Weg weisen zu neuen und billigen Antibiotika.

Die Idee, Pflanzen für die Herstellung von Impfstoffen und Arzneimitteln zu benutzen, ist nicht neu. Bereits in den 80er Jahren wurde darüber diskutiert. Heute ist die Technik allerdings Realität geworden. Unter dem Namen mole kulares Pharming bildet sie eine wichtige Sparte in der Biotechnologieforschung. Dabei wird das Gen für ein Protein in den genetischen Bauplan einer Pflanze eingebaut.

Bock hat dafür die Blätter einer Tabakpflanze mit Goldpartikeln beschossen, an die das gewünschte Gen für ein antibiotisch wirksames Protein namens Lysin gekoppelt ist. Aber das Gen soll nicht irgendwo hin in der Zelle, sondern in die Chloroplasten, den Ort der Fotosynthese. So produziert jede Zelle deutlich mehr von dem Protein, als wenn das Gen im Zellkern eingebaut wird. Zielgenau in die Chloroplasten schießen kann Bock allerdings nicht: „Wir können nur versuchen, hinterher die eine Zelle im Blatt zu finden, wo genau das passiert ist.“ Dazu wird das Blatt in Stückchen geschnitten, diese kommen dann auf eine Platte mit Nährmedium. Der Trick: In dem Nährmedium ist ein Antibiotikum, das alle Zellen tötet, die das gewünschte Gen nicht eingebaut haben, da das neu eingefügte DNS-Stück auch eine Resistenz gegen diesen Stoff vermittelt. „Dann sterben alle Zellen ab bis auf die, die erfolgreich verändert wurden“, erklärt Bock.

Aus dieser einen Zelle wächst dann zunächst ein kleiner Zellhaufen. Dem Medium werden Hormone zugesetzt, es entsteht ein kleiner Spross, dann Wurzeln, und der Sprössling kann dann im Gewächshaus eingepflanzt werden. Aus den erwachsenen Pflanzen kann später das gewünschte Protein isoliert werden.

In der Pharmaindustrie hoffen viele, dass mit der Technik des Pharmings Medikamente billiger und in großen Mengen hergestellt werden können. Bock glaubt, dass die Pharmafirmen sich dann auch an Medikamente herantrauen, die zurzeit noch zu teuer herzustellen sind.

Noch ist in Europa kein Produkt aus Pharmapflanzen zugelassen. Aber Wissenschaftler arbeiten an zahlreichen Projekten: „Vor allem Impfstoffe und Antikörper sind die heißen Kandidaten. Im Grunde werden aber für alle großen Krankheiten im Pharmingbereich Produkte entwickelt“, erklärt Margret Engelhard von der Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen. Sie hat eine Studiengruppe geleitet, die sich mit den Chancen und Risiken der neuen Technologie auseinandersetzt. Vor wenigen Wochen hat die Gruppe ihre Ergebnisse präsentiert.

Pharmapflanzen strikt von der Natur abzuschirmen sei kaum möglich, sagt Engelhard: „Es besteht immer die Gefahr, dass Pharmingpflanzen irgendwie in die Natur und in unsere Nahrungskette gelangen.“ Was das für Folgen haben könnte, weiß keiner. Natürlich hängen die Risiken auch von dem jeweiligen Medikament ab, das von den Pflanzen produziert wird. „Man kann sich zum Beispiel vorstellen, dass ein Impfstoff, der ver sehentlich konsumiert wird, dazu führt, dass später eine Impfung nicht mehr anschlägt“, sagt Engelhard.

Der erste Freilandversuch mit Pharmapflanzen in Deutschland wurde im November beendet. Seit 2006 hatte die Universität Rostock Kartoffeln getestet, die eine Untereinheit des Choleragiftes produzierte. Der Stoff sollte bei Impfungen als Hilfsstoff dienen, um den eigent lichen Impfstoff im Darm in die Zellen der Darmwand zu schleusen und das Immunsystem zu aktivieren. „Wir wollten im Freiland sehen, ob die Pharmapflanzen sich im Wachstum von anderen Kartoffeln unterscheiden“, sagt Hei ke Mikschofsky, die den Versuch durchgeführt hat. Für die Versuche seien Industriekartoffeln benutzt worden, betont sie. Außerdem seien strenge Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden. Das Pflanzenareal sei klein und von einem Wildzaun begrenzt gewesen. Zugang hätten nur eingewiesene Personen gehabt.

Das Protein sei ohnehin völlig ungefährlich, meint Mikschofsky. Schließlich diene es in der Natur ja nur dazu, die andere Untereinheit des Choleragiftes in die Zellen zu schleusen, die dann die Krankheit auslöst. Alleine sei sie voll kommen ungefährlich. Zur Sicherheit habe sie das Protein auch ein Jahr lang an Mäusen getestet und dort keinen Effekt festgestellt.

Auch Ralph Bock sieht keine Gefahr bei seinem Projekt: „Eine Tabakpflanze kann unter unseren klimatischen Bedingungen in freier Wildbahn ohnehin nicht überleben.“ Außerdem sei bewusst eine Pflanze gewählt worden, die nicht essbar sei. Und selbst wenn das Protein trotz aller Vorkehrungen verzehrt werden sollte, würde es im Magen einfach abgebaut werden.

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